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Klassiker des Monats April 2017

@vi-le-ve, sind das Primax-Pedale? Und wenn ja, woher bekommst Du dafür noch passende Schuhplatten?
 

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Re: Klassiker des Monats April 2017
Nur modernes Zeugs bislang. Es fehlt also ein Altertümchen und das hole ich mal g´schwind nach und gehe zurück in ungefähr das Jahr 1955.

Als bei mir die Sammelleidenschaft erwachte, trieb ich mich bei den Franzosen rum, entdeckte dann aber und eigentlich atypisch zuerst die Briten. Deren hemmungslose Liebe zu skurilen Lösungen und deren Detailverliebtheit hatten es mir ebenso angetan wie der Umstand, daß sich der Radsport in GB noch ausgewachsener und vielseitiger darstellte als in Frankreich. Skurilitäten wie ein Baines, ein Paris Galibier oder nur die curly stays von Hetchins oder die Diadrant Fork von Bates sind das Offensichtliche, ganze inselspezifische Radlgattungen muß man dagegen erst für sich selbst entdecken.

Und ja, damals war der Bezug von Teilen aus GB noch nicht so einfach wie heute. Die Szene in GB ist ein ziemlich eingeschworener Haufen, der alle Teile lieber auf der Insel hält als diese auf den Kontinent entschwinden zu lassen. Das ergab also eine Situation des Pre-Brexit quasi.

Mein Glück war quasi, daß ich in Oberammergau auf der von unserem lieben @drexl organisierten Ausfahrt Peter Underwood und seine liebe Frau Patricia kennen lernte, die tief verwurzelt in der britischen Szene sich liebevoll um die "Sektion Cambridge" kümmern. Auch waren es genau die beiden von Peter und Patricia mitgebrachten Radln (ein curly stay Hetchins Magnum Opus und ein Diadrant Fork Bates), die mich in Richtung Insel schließen ließen.

Als ich dann das erste britische Radlteil ergattern wollte, bat mich der Verkäufer um eine Empfängeradresse in GB, da er partout nicht nach (damals noch) München versenden wollte. Kurzerhand kontaktierte ich Peter und fragte, ob er die Sachen empfangen und an mich weiterschicken würde. Peter war einverstanden. Also gab ich dem Verkäufer die Anschrift von Peter durch und dann ging alles ganz einfach. Nachdem er erfahren hatte, daß ich Peter kenne, sandte er auch direkt nach D und vielmehr noch, sorgte er dafür, daß sich in der britischen Szene anscheinend die Story herum sprach und ich fortan keine Versandprobleme aus GB mehr hatte. Selbst Angebote, die ausschließlich für einen Verkauf auf der Insel gekennzeichnet waren, konnte ich mir nach München holen und deren Verkäufer schienen bereits bevor ich quasi fragte zu wissen, wohin die Sachen gehen werden.

Irgendwann stolperte ich bei Hilary Stone über dieses Path Racer Rahmenset

Hawkes-track.jpg


Aber was ist ein Path Racer eigentlich?

Nun, das basiert eigentlich auf einem Mißverständnis. So nutzte die 1889 Ausgabe der Badminton Cycling Library das Wort path, welches eigentlich eher für die Wegstrecke oder aber beschreibend für den Weg entlang eine Strecke steht, irreführend und anstatt des Wortes track, welches in diesem Zusammenhang nur das Oval im Velodrome meinen konnte.

Gleichzeitig war es auch auf der Insel so, daß die Radfahrer damals nicht mehrere Radln sondern nur Eines, welches sich universell nutzen ließ, Usus. Das traf sich auch gut mit dem lange Zeit gültigen Reglement, welches z.B. bis in die 60er Jahre hinein bei Criteriums Rennen die Schaltung verbot und seit den 20er quasi fixed vorschrieb.

Auf der einen Seite sorgten also erst diese finanziellen Beweggründe und das Reglement für ein paar Besonderheiten. Für Criterien wollte man, ebenso wie für die Bahn kurze Radstände und höherliegende Innenlager. Deshalb finden sich also in GB z.B. auch Bahnausfallenden mit Schaltauge wurde die Gattung der Path-Racer geboren.

Dies sind also universell einsetzbare Radln mit annähernd Bahngeometrie (kürzerer Radstand und höherliegendes Innenlager), Bahnausfallenden und serienmäßigen Bremsbohrungen und ggf. sogar Platz für Schutzbleche.

Auf der anderen Seite sorgten diesen Beweggründe auch für sehr spezielles Zubehör wie Wheel Carriers, überdimensionale Satteltaschen und teilbare und federleichte Schutzbleche mit quasi Schnellverschluß.

Die Flügelmuttern der frühen Bluemels Featherweights kommen also genau hierher, ermöglichten sie doch die schnelle Demontage und Montage. Auch die für Festlandeuropäer nicht unbedingt eingängige Anzahl an Speicher in den Laufrädern findet ihren Ursprung in GB und ist den dortigen schlechten Straßenverhältnissen geschuldet. Einzig in Italien wurden vorne 32 und hinten 40 Loch für einige Zeit übernommen; dort hatte man aber bis in den Anfang der Sechziger noch katastrophalere Straßen als in GB vor dem Krieg.

Der gezeigte Rahmen befindet sich leider nicht mehr im originalen Lackkleid. Dies liegt aber daran, daß er im Essex Roads Cycling Club wohl mehrmals und entsprechend den Club-Gepflogenheiten (Sponsor etc.) umgespritzt und rumgereicht wurde

IMGP6427.jpg


IMGP6436.jpg


Nun hatte ich also ein quasi seltenes Eisen und wenig Plan von den periodenkorrekten und geographisch passenden Teilen. Ein bis vier Odyseen weiter war auch das geschafft und alle Teile für den Aufbau beisammen. Ich hatte mich für periodenkorrekt entschieden; heute würde ich wohl auch das geographisch korrekt mehr beachten. Schaut man sich die Nervex-Muffen an, so kommt man auf 1955 als das späteste Baujahr, wenn man davon ausgeht, daß bei einem Rahmenbauer nicht noch ältere Muffen längere Zeit in der Schublade geschlummert haben.

Jetzt gibt´s aber erstmal Bilders vom (ungefähr) 1955er A.A. Hawkes Path Racer:

IMGP6490.jpg


IMGP6484.jpg


Gefahren wird fixed mit für die deutsche StvZo erforderlicher Vorderradbremse
IMGP6311.jpg


IMGP6448.jpg


Das ist nicht nur eine mit 165 mm Länge Bahn-kompatible Stronglight 49D sondern sie bringt auch den echten Trackadapter auf die sechs-Loch Kettenblätter der Zeit von Stronglight mit
IMGP6466.jpg


Das sind die Airlite genannten Hochflanschnaben der Britisch Hub Company, welche es ab den späten 30ern/ frühen 40er gab. Neben den Naben von Blumfield und Harden war das damals eines der angesagten Top of the line Produkte auf der Insel. Gepaart habe ich mit Holzflegen für Schlauchreifen von CBT Italia.

Eingespeicht hat niemand Fremdes sondern ich selbst. Und da das die ersten Holzfelgen waren, die ich eingespeicht habe, würde die Story dazu allein mehrere Seiten füllen können. ;)
IMGP6338.jpg


IMGP6353.jpg


IMGP6415.jpg

Und jetzt noch die Gimmicks:

Die Satteltasche ist von Midland und das größte Trumm, das ich bislang in die Finger bekommen habe. Da paßt quasi ohne Probleme ein Kleinkind rein. Die viel zu moderne Sattelstütze wurde zwischenzeitlch durch eine periodenkorrekte oben verschlossene Aluminiumkerze getauscht und die Satteltasche auch mit einem sog. Sattelsupport, der diese von unten zusätzlich greift und verhindet, daß diese bei Beladung auf dem Reifen schleift, bewegt.

Damals als die Bilder entstanden wollte ich nur endlich ein paar Runden drehen. Nach dem Ausflug durch die Au ging es dann auch mehrmals nach Augsburg auf die Bahn.

IMGP6382.jpg


Der Adjustable ist von Pivo oder Philippe, der Bahnbügel ebenfalls. Auch dazu gäbe es eine Geschichte, die ist aber eher unschön und sorgte für viel Streß. Ich sage aber einfach nochmals Danke @reisberg

Wer genau hinsieht, der entdeckt auch noch ein weiteres Gimmick, das sich hier schon an der vorderen Nabe andeutet

IMGP6403.jpg


Ta ta; und hier in Aktion. Die Sprint Wheel Carrier von Cyclo. Diese gibt es in Stahl und Alu. Hier ist es die deutlich seltener Gußvariante aus Dural (wie man damals Aluminium gemeinhin bezeichnete)

carriers4.jpg
carriers3.jpg


IMGP6260.jpg


IMGP6264.jpg


IMGP6268.jpg


IMGP6271.jpg



Das Lenkerband ist geschellackt und nicht, wie von Vielen heute und weil falsch interpretiert anscheinend üblich, überlackiert. Schellack wird nur in Spiritus gelöst und dann in zwei bis max. vier Schichten auf das Textilband aufgebracht.

Beim Schellacken geht es nämlich nicht um Hochglanzoptik sondern nur darum, das Textilband haltbar und wirklich abwaschbar zu gestalten. Hier sind es auch nur wenige Schichten Schellack.

So hat es übrigens auch Hugo Rickert und seine Doris gehalten, wie ich auf meinem RIC Super unter sehr viel Mullbinden und anderen Klebern finden konnte.

IMGP6355.jpg


Das mit den Sprint Wheel Carriern ist noch gerade so fahrbar aber sehr gewöhnungsbedürftig.

Erstaunlich, daß es für die Insulaner üblich war, damit zu den Rennveranstaltungen auf eigener Achse anzureisen, dort das eigene Radl aller überflüssiger teile zu entledigen, dann das Rennen zu fahren und in der Regel nach ausgiebigem Frühstück dann mit einem 100 Meilen Club-Race inkl. aller zuvor abgebauter und dann wieder angebrachter Teile die Heimreise anzutreten.

Was fehlt noch? Ach ja, zum Rahmenbauer A.A. Hawkes findet sich nicht viel und wenn dann eher Widersprüchliches. Irgendwo im Osten von London beheimatet, wohl ab den frühen 30ern oder gar späten 20ern aktiv, könnte Verbindungen zum Becontree Wheelers AGM gehabt haben, weil dort von 1949 oder 1950 ein CA Hawkes Präsident gewesen ist und es Querverweise zu einem Shop namens L&A Hawkes Cycles.gibt und zum namhaften Rahmenlöter Stokes berichtet wird, daß dieser in den 50er Jahren Rahmen für Hawkes, Ducketts, Rivetts, Owens and Putney and some Leach Marathons anfertigte. Ab den 60ern gibt es aber keine wirklich belegbare Nennung des Shops oder des Namens mehr. Insofern stammt der Rahmen also eher aus spätestens 1955 und kann auch durchaus älter sein

Danke für den ausführlichen Bericht zu Deinem Rad. Das wird wieder mal ein ganz außergewöhnlicher KdM mit ganz außergewöhnlichen Rädern. Da fällt mir nur noch ein: Britannia rules. Der Sprint Wheel Carrier rundet die Sache noch ab. Wusste bisher nicht das es so etwas gab. :daumen:
 
@kasitier: gibt es einen nachvollziehbaren Grund, warum mein Beitrag aus #14 bislang nicht in der Auflistung der Teilnehmer in #1 als Nr. 2 aufgeführt ist?

Soweit ich das überblicke, erfüllt mein Beitrag alle Regeln zum neuen KDM.
(Dass ein Beitrag zwingend bereits drüben vorgestellt worden sein muss, ist dort explizit jedenfalls nicht erwähnt!)
Zudem rechne ich mir - mit derzeit 26 Gefällt mirs (Stand: 02.04.2017, 16:22 Uhr) - gute Chancen auf eine Plazierung unter den ersten Drei aus!

Wer ist hier der|die Antidiskriminierungs-, Antikorruptions- und Gleichstellungsbeauftragte?

Ich führe das auf dein "April, April" -Schlusswort zurück.

Hätte ich auch so gedeutet als würdest Du nicht wirklich teilnehmen wollen ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
@vi-le-ve, sind das Primax-Pedale? Und wenn ja, woher bekommst Du dafür noch passende Schuhplatten?
Das sind timec Pedale. Zu timec kann ich leider nicht viel sagen, weiss da jemand mehr? Ab und an sieht man Sattelstützen, Innenlager oder Steuersätze von timec. Ob die Baugleich mit Primax sind muss ich mal prüfen.

Teileliste zu meinem A. Sablière:

Steuersatz: Stronglight Delta
Lenker: 3ttt Racing Team SL
Sattelstütze: Suntour
Pedal: timec
Sattel: Selle Italia Flite
Tretlager, Vorbau, Kurbel, Schaltgruppe: Shimano Dura Ace 7400
 
@kasitier: gibt es einen nachvollziehbaren Grund, warum mein Beitrag aus #14 bislang nicht in der Auflistung der Teilnehmer in #1 als Nr. 2 aufgeführt ist?

Soweit ich das überblicke, erfüllt mein Beitrag alle Regeln zum neuen KDM.
(Dass ein Beitrag zwingend bereits drüben vorgestellt worden sein muss, ist dort explizit jedenfalls nicht erwähnt!)
Zudem rechne ich mir - mit derzeit 26 Gefällt mirs (Stand: 02.04.2017, 16:22 Uhr) - gute Chancen auf eine Plazierung unter den ersten Drei aus!

Wer ist hier der|die Antidiskriminierungs-, Antikorruptions- und Gleichstellungsbeauftragte?
Wenn ich deine Schlussworte hier zitieren darf.

"April, April... :cool:"

Damit hast du dich mit deinem podiumsverdächtigen Rad, in meinen Augen, gleich wieder Abgemeldet, schade eigentlich. Das war damit die schnellste Rücknahme eines vorgestellten Rades in der noch so jungen KdM Geschichte.

MfG Jens
 
Timec und Primax scheint mir generell das Gleiche zu sein. Die Pedale hab ich mir in Deinem Blog nochmal näher angeschaut, das sind astreine Primax der zweiten Generation. Waren meine ersten Klickpedale, hervorragend gelagert und eigentlich für die Ewigkeit gebaut, wenn nur das Schuhplattenproblem nicht gewesen wäre.
 
Timec und Primax scheint mir generell das Gleiche zu sein. Die Pedale hab ich mir in Deinem Blog nochmal näher angeschaut, das sind astreine Primax der zweiten Generation. Waren meine ersten Klickpedale, hervorragend gelagert und eigentlich für die Ewigkeit gebaut, wenn nur das Schuhplattenproblem nicht gewesen wäre.
Ich schaue mal in meiner Kiste mit den Pedalplatten, könnte sein, dass ich zu Primax mehr als einen Satz habe. Ich kann das morgen abends nachsehen.
 
Nur modernes Zeugs bislang. Es fehlt also ein Altertümchen und das hole ich mal g´schwind nach und gehe zurück in ungefähr das Jahr 1955.

Als bei mir die Sammelleidenschaft erwachte, trieb ich mich bei den Franzosen rum, entdeckte dann aber und eigentlich atypisch zuerst die Briten. Deren hemmungslose Liebe zu skurilen Lösungen und deren Detailverliebtheit hatten es mir ebenso angetan wie der Umstand, daß sich der Radsport in GB noch ausgewachsener und vielseitiger darstellte als in Frankreich. Skurilitäten wie ein Baines, ein Paris Galibier oder nur die curly stays von Hetchins oder die Diadrant Fork von Bates sind das Offensichtliche, ganze inselspezifische Radlgattungen muß man dagegen erst für sich selbst entdecken.

Und ja, damals war der Bezug von Teilen aus GB noch nicht so einfach wie heute. Die Szene in GB ist ein ziemlich eingeschworener Haufen, der alle Teile lieber auf der Insel hält als diese auf den Kontinent entschwinden zu lassen. Das ergab also eine Situation des Pre-Brexit quasi.

Mein Glück war quasi, daß ich in Oberammergau auf der von unserem lieben @drexl organisierten Ausfahrt Peter Underwood und seine liebe Frau Patricia kennen lernte, die tief verwurzelt in der britischen Szene sich liebevoll um die "Sektion Cambridge" kümmern. Auch waren es genau die beiden von Peter und Patricia mitgebrachten Radln (ein curly stay Hetchins Magnum Opus und ein Diadrant Fork Bates), die mich in Richtung Insel schließen ließen.

Als ich dann das erste britische Radlteil ergattern wollte, bat mich der Verkäufer um eine Empfängeradresse in GB, da er partout nicht nach (damals noch) München versenden wollte. Kurzerhand kontaktierte ich Peter und fragte, ob er die Sachen empfangen und an mich weiterschicken würde. Peter war einverstanden. Also gab ich dem Verkäufer die Anschrift von Peter durch und dann ging alles ganz einfach. Nachdem er erfahren hatte, daß ich Peter kenne, sandte er auch direkt nach D und vielmehr noch, sorgte er dafür, daß sich in der britischen Szene anscheinend die Story herum sprach und ich fortan keine Versandprobleme aus GB mehr hatte. Selbst Angebote, die ausschließlich für einen Verkauf auf der Insel gekennzeichnet waren, konnte ich mir nach München holen und deren Verkäufer schienen bereits bevor ich quasi fragte zu wissen, wohin die Sachen gehen werden.

Irgendwann stolperte ich bei Hilary Stone über dieses Path Racer Rahmenset

Hawkes-track.jpg


Aber was ist ein Path Racer eigentlich?

Nun, das basiert eigentlich auf einem Mißverständnis. So nutzte die 1889 Ausgabe der Badminton Cycling Library das Wort path, welches eigentlich eher für die Wegstrecke oder aber beschreibend für den Weg entlang eine Strecke steht, irreführend und anstatt des Wortes track, welches in diesem Zusammenhang nur das Oval im Velodrome meinen konnte.

Gleichzeitig war es auch auf der Insel so, daß die Radfahrer damals nicht mehrere Radln sondern nur Eines, welches sich universell nutzen ließ, Usus. Das traf sich auch gut mit dem lange Zeit gültigen Reglement, welches z.B. bis in die 60er Jahre hinein bei Criteriums Rennen die Schaltung verbot und seit den 20er quasi fixed vorschrieb.

Auf der einen Seite sorgten also erst diese finanziellen Beweggründe und das Reglement für ein paar Besonderheiten. Für Criterien wollte man, ebenso wie für die Bahn kurze Radstände und höherliegende Innenlager. Deshalb finden sich also in GB z.B. auch Bahnausfallenden mit Schaltauge wurde die Gattung der Path-Racer geboren.

Dies sind also universell einsetzbare Radln mit annähernd Bahngeometrie (kürzerer Radstand und höherliegendes Innenlager), Bahnausfallenden und serienmäßigen Bremsbohrungen und ggf. sogar Platz für Schutzbleche.

Auf der anderen Seite sorgten diesen Beweggründe auch für sehr spezielles Zubehör wie Wheel Carriers, überdimensionale Satteltaschen und teilbare und federleichte Schutzbleche mit quasi Schnellverschluß.

Die Flügelmuttern der frühen Bluemels Featherweights kommen also genau hierher, ermöglichten sie doch die schnelle Demontage und Montage. Auch die für Festlandeuropäer nicht unbedingt eingängige Anzahl an Speicher in den Laufrädern findet ihren Ursprung in GB und ist den dortigen schlechten Straßenverhältnissen geschuldet. Einzig in Italien wurden vorne 32 und hinten 40 Loch für einige Zeit übernommen; dort hatte man aber bis in den Anfang der Sechziger noch katastrophalere Straßen als in GB vor dem Krieg.

Der gezeigte Rahmen befindet sich leider nicht mehr im originalen Lackkleid. Dies liegt aber daran, daß er im Essex Roads Cycling Club wohl mehrmals und entsprechend den Club-Gepflogenheiten (Sponsor etc.) umgespritzt und rumgereicht wurde

IMGP6427.jpg


IMGP6436.jpg


Nun hatte ich also ein quasi seltenes Eisen und wenig Plan von den periodenkorrekten und geographisch passenden Teilen. Ein bis vier Odyseen weiter war auch das geschafft und alle Teile für den Aufbau beisammen. Ich hatte mich für periodenkorrekt entschieden; heute würde ich wohl auch das geographisch korrekt mehr beachten. Schaut man sich die Nervex-Muffen an, so kommt man auf 1955 als das späteste Baujahr, wenn man davon ausgeht, daß bei einem Rahmenbauer nicht noch ältere Muffen längere Zeit in der Schublade geschlummert haben.

Jetzt gibt´s aber erstmal Bilders vom (ungefähr) 1955er A.A. Hawkes Path Racer:

IMGP6490.jpg


IMGP6484.jpg


Gefahren wird fixed mit für die deutsche StvZo erforderlicher Vorderradbremse
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IMGP6448.jpg


Das ist nicht nur eine mit 165 mm Länge Bahn-kompatible Stronglight 49D sondern sie bringt auch den echten Trackadapter auf die sechs-Loch Kettenblätter der Zeit von Stronglight mit
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Das sind die Airlite genannten Hochflanschnaben der Britisch Hub Company, welche es ab den späten 30ern/ frühen 40er gab. Neben den Naben von Blumfield und Harden war das damals eines der angesagten Top of the line Produkte auf der Insel. Gepaart habe ich mit Holzflegen für Schlauchreifen von CBT Italia.

Eingespeicht hat niemand Fremdes sondern ich selbst. Und da das die ersten Holzfelgen waren, die ich eingespeicht habe, würde die Story dazu allein mehrere Seiten füllen können. ;)
IMGP6338.jpg


IMGP6353.jpg


IMGP6415.jpg

Und jetzt noch die Gimmicks:

Die Satteltasche ist von Midland und das größte Trumm, das ich bislang in die Finger bekommen habe. Da paßt quasi ohne Probleme ein Kleinkind rein. Die viel zu moderne Sattelstütze wurde zwischenzeitlch durch eine periodenkorrekte oben verschlossene Aluminiumkerze getauscht und die Satteltasche auch mit einem sog. Sattelsupport, der diese von unten zusätzlich greift und verhindet, daß diese bei Beladung auf dem Reifen schleift, bewegt.

Damals als die Bilder entstanden wollte ich nur endlich ein paar Runden drehen. Nach dem Ausflug durch die Au ging es dann auch mehrmals nach Augsburg auf die Bahn.

IMGP6382.jpg


Der Adjustable ist von Pivo oder Philippe, der Bahnbügel ebenfalls. Auch dazu gäbe es eine Geschichte, die ist aber eher unschön und sorgte für viel Streß. Ich sage aber einfach nochmals Danke @reisberg

Wer genau hinsieht, der entdeckt auch noch ein weiteres Gimmick, das sich hier schon an der vorderen Nabe andeutet

IMGP6403.jpg


Ta ta; und hier in Aktion. Die Sprint Wheel Carrier von Cyclo. Diese gibt es in Stahl und Alu. Hier ist es die deutlich seltener Gußvariante aus Dural (wie man damals Aluminium gemeinhin bezeichnete)

carriers4.jpg
carriers3.jpg


IMGP6260.jpg


IMGP6264.jpg


IMGP6268.jpg


IMGP6271.jpg



Das Lenkerband ist geschellackt und nicht, wie von Vielen heute und weil falsch interpretiert anscheinend üblich, überlackiert. Schellack wird nur in Spiritus gelöst und dann in zwei bis max. vier Schichten auf das Textilband aufgebracht.

Beim Schellacken geht es nämlich nicht um Hochglanzoptik sondern nur darum, das Textilband haltbar und wirklich abwaschbar zu gestalten. Hier sind es auch nur wenige Schichten Schellack.

So hat es übrigens auch Hugo Rickert und seine Doris gehalten, wie ich auf meinem RIC Super unter sehr viel Mullbinden und anderen Klebern finden konnte.

IMGP6355.jpg


Das mit den Sprint Wheel Carriern ist noch gerade so fahrbar aber sehr gewöhnungsbedürftig.

Erstaunlich, daß es für die Insulaner üblich war, damit zu den Rennveranstaltungen auf eigener Achse anzureisen, dort das eigene Radl aller überflüssiger teile zu entledigen, dann das Rennen zu fahren und in der Regel nach ausgiebigem Frühstück dann mit einem 100 Meilen Club-Race inkl. aller zuvor abgebauter und dann wieder angebrachter Teile die Heimreise anzutreten.

Was fehlt noch? Ach ja, zum Rahmenbauer A.A. Hawkes findet sich nicht viel und wenn dann eher Widersprüchliches. Irgendwo im Osten von London beheimatet, wohl ab den frühen 30ern oder gar späten 20ern aktiv, könnte Verbindungen zum Becontree Wheelers AGM gehabt haben, weil dort von 1949 oder 1950 ein CA Hawkes Präsident gewesen ist und es Querverweise zu einem Shop namens L&A Hawkes Cycles.gibt und zum namhaften Rahmenlöter Stokes berichtet wird, daß dieser in den 50er Jahren Rahmen für Hawkes, Ducketts, Rivetts, Owens and Putney and some Leach Marathons anfertigte. Ab den 60ern gibt es aber keine wirklich belegbare Nennung des Shops oder des Namens mehr. Insofern stammt der Rahmen also eher aus spätestens 1955 und kann auch durchaus älter sein

Typisch britisch sympathisch! :daumen:
 
Da fällt es einem schon jetzt schwer, die Punkte zu vergeben - wie soll das erst aussehen, wenn wieder 15+ Räder hier vorgestellt wurden? Obwohl, wer weiß, vielleicht sind nach dem furiosen Start ja bereits einige potentielle Kandidaten abgeschreckt. Zum Glück geht es ja hier nicht ums Gewinnen, sondern v.a. darum viele schöne Räder zu sehen, also her mit weiterem Stahl!
 
Nur modernes Zeugs bislang. Es fehlt also ein Altertümchen und das hole ich mal g´schwind nach und gehe zurück in ungefähr das Jahr 1955.

Als bei mir die Sammelleidenschaft erwachte, trieb ich mich bei den Franzosen rum, entdeckte dann aber und eigentlich atypisch zuerst die Briten. Deren hemmungslose Liebe zu skurilen Lösungen und deren Detailverliebtheit hatten es mir ebenso angetan wie der Umstand, daß sich der Radsport in GB noch ausgewachsener und vielseitiger darstellte als in Frankreich. Skurilitäten wie ein Baines, ein Paris Galibier oder nur die curly stays von Hetchins oder die Diadrant Fork von Bates sind das Offensichtliche, ganze inselspezifische Radlgattungen muß man dagegen erst für sich selbst entdecken.

Und ja, damals war der Bezug von Teilen aus GB noch nicht so einfach wie heute. Die Szene in GB ist ein ziemlich eingeschworener Haufen, der alle Teile lieber auf der Insel hält als diese auf den Kontinent entschwinden zu lassen. Das ergab also eine Situation des Pre-Brexit quasi.

Mein Glück war quasi, daß ich in Oberammergau auf der von unserem lieben @drexl organisierten Ausfahrt Peter Underwood und seine liebe Frau Patricia kennen lernte, die tief verwurzelt in der britischen Szene sich liebevoll um die "Sektion Cambridge" kümmern. Auch waren es genau die beiden von Peter und Patricia mitgebrachten Radln (ein curly stay Hetchins Magnum Opus und ein Diadrant Fork Bates), die mich in Richtung Insel schließen ließen.

Als ich dann das erste britische Radlteil ergattern wollte, bat mich der Verkäufer um eine Empfängeradresse in GB, da er partout nicht nach (damals noch) München versenden wollte. Kurzerhand kontaktierte ich Peter und fragte, ob er die Sachen empfangen und an mich weiterschicken würde. Peter war einverstanden. Also gab ich dem Verkäufer die Anschrift von Peter durch und dann ging alles ganz einfach. Nachdem er erfahren hatte, daß ich Peter kenne, sandte er auch direkt nach D und vielmehr noch, sorgte er dafür, daß sich in der britischen Szene anscheinend die Story herum sprach und ich fortan keine Versandprobleme aus GB mehr hatte. Selbst Angebote, die ausschließlich für einen Verkauf auf der Insel gekennzeichnet waren, konnte ich mir nach München holen und deren Verkäufer schienen bereits bevor ich quasi fragte zu wissen, wohin die Sachen gehen werden.

Irgendwann stolperte ich bei Hilary Stone über dieses Path Racer Rahmenset

Hawkes-track.jpg


Aber was ist ein Path Racer eigentlich?

Nun, das basiert eigentlich auf einem Mißverständnis. So nutzte die 1889 Ausgabe der Badminton Cycling Library das Wort path, welches eigentlich eher für die Wegstrecke oder aber beschreibend für den Weg entlang eine Strecke steht, irreführend und anstatt des Wortes track, welches in diesem Zusammenhang nur das Oval im Velodrome meinen konnte.

Gleichzeitig war es auch auf der Insel so, daß die Radfahrer damals nicht mehrere Radln sondern nur Eines, welches sich universell nutzen ließ, Usus. Das traf sich auch gut mit dem lange Zeit gültigen Reglement, welches z.B. bis in die 60er Jahre hinein bei Criteriums Rennen die Schaltung verbot und seit den 20er quasi fixed vorschrieb.

Auf der einen Seite sorgten also erst diese finanziellen Beweggründe und das Reglement für ein paar Besonderheiten. Für Criterien wollte man, ebenso wie für die Bahn kurze Radstände und höherliegende Innenlager. Deshalb finden sich also in GB z.B. auch Bahnausfallenden mit Schaltauge wurde die Gattung der Path-Racer geboren.

Dies sind also universell einsetzbare Radln mit annähernd Bahngeometrie (kürzerer Radstand und höherliegendes Innenlager), Bahnausfallenden und serienmäßigen Bremsbohrungen und ggf. sogar Platz für Schutzbleche.

Auf der anderen Seite sorgten diesen Beweggründe auch für sehr spezielles Zubehör wie Wheel Carriers, überdimensionale Satteltaschen und teilbare und federleichte Schutzbleche mit quasi Schnellverschluß.

Die Flügelmuttern der frühen Bluemels Featherweights kommen also genau hierher, ermöglichten sie doch die schnelle Demontage und Montage. Auch die für Festlandeuropäer nicht unbedingt eingängige Anzahl an Speicher in den Laufrädern findet ihren Ursprung in GB und ist den dortigen schlechten Straßenverhältnissen geschuldet. Einzig in Italien wurden vorne 32 und hinten 40 Loch für einige Zeit übernommen; dort hatte man aber bis in den Anfang der Sechziger noch katastrophalere Straßen als in GB vor dem Krieg.

Der gezeigte Rahmen befindet sich leider nicht mehr im originalen Lackkleid. Dies liegt aber daran, daß er im Essex Roads Cycling Club wohl mehrmals und entsprechend den Club-Gepflogenheiten (Sponsor etc.) umgespritzt und rumgereicht wurde

IMGP6427.jpg


IMGP6436.jpg


Nun hatte ich also ein quasi seltenes Eisen und wenig Plan von den periodenkorrekten und geographisch passenden Teilen. Ein bis vier Odyseen weiter war auch das geschafft und alle Teile für den Aufbau beisammen. Ich hatte mich für periodenkorrekt entschieden; heute würde ich wohl auch das geographisch korrekt mehr beachten. Schaut man sich die Nervex-Muffen an, so kommt man auf 1955 als das späteste Baujahr, wenn man davon ausgeht, daß bei einem Rahmenbauer nicht noch ältere Muffen längere Zeit in der Schublade geschlummert haben.

Jetzt gibt´s aber erstmal Bilders vom (ungefähr) 1955er A.A. Hawkes Path Racer:

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Gefahren wird fixed mit für die deutsche StvZo erforderlicher Vorderradbremse
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Das ist nicht nur eine mit 165 mm Länge Bahn-kompatible Stronglight 49D sondern sie bringt auch den echten Trackadapter auf die sechs-Loch Kettenblätter der Zeit von Stronglight mit
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Das sind die Airlite genannten Hochflanschnaben der Britisch Hub Company, welche es ab den späten 30ern/ frühen 40er gab. Neben den Naben von Blumfield und Harden war das damals eines der angesagten Top of the line Produkte auf der Insel. Gepaart habe ich mit Holzflegen für Schlauchreifen von CBT Italia.

Eingespeicht hat niemand Fremdes sondern ich selbst. Und da das die ersten Holzfelgen waren, die ich eingespeicht habe, würde die Story dazu allein mehrere Seiten füllen können. ;)
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IMGP6415.jpg

Und jetzt noch die Gimmicks:

Die Satteltasche ist von Midland und das größte Trumm, das ich bislang in die Finger bekommen habe. Da paßt quasi ohne Probleme ein Kleinkind rein. Die viel zu moderne Sattelstütze wurde zwischenzeitlch durch eine periodenkorrekte oben verschlossene Aluminiumkerze getauscht und die Satteltasche auch mit einem sog. Sattelsupport, der diese von unten zusätzlich greift und verhindet, daß diese bei Beladung auf dem Reifen schleift, bewegt.

Damals als die Bilder entstanden wollte ich nur endlich ein paar Runden drehen. Nach dem Ausflug durch die Au ging es dann auch mehrmals nach Augsburg auf die Bahn.

IMGP6382.jpg


Der Adjustable ist von Pivo oder Philippe, der Bahnbügel ebenfalls. Auch dazu gäbe es eine Geschichte, die ist aber eher unschön und sorgte für viel Streß. Ich sage aber einfach nochmals Danke @reisberg

Wer genau hinsieht, der entdeckt auch noch ein weiteres Gimmick, das sich hier schon an der vorderen Nabe andeutet

IMGP6403.jpg


Ta ta; und hier in Aktion. Die Sprint Wheel Carrier von Cyclo. Diese gibt es in Stahl und Alu. Hier ist es die deutlich seltener Gußvariante aus Dural (wie man damals Aluminium gemeinhin bezeichnete)

carriers4.jpg
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IMGP6260.jpg


IMGP6264.jpg


IMGP6268.jpg


IMGP6271.jpg



Das Lenkerband ist geschellackt und nicht, wie von Vielen heute und weil falsch interpretiert anscheinend üblich, überlackiert. Schellack wird nur in Spiritus gelöst und dann in zwei bis max. vier Schichten auf das Textilband aufgebracht.

Beim Schellacken geht es nämlich nicht um Hochglanzoptik sondern nur darum, das Textilband haltbar und wirklich abwaschbar zu gestalten. Hier sind es auch nur wenige Schichten Schellack.

So hat es übrigens auch Hugo Rickert und seine Doris gehalten, wie ich auf meinem RIC Super unter sehr viel Mullbinden und anderen Klebern finden konnte.

IMGP6355.jpg


Das mit den Sprint Wheel Carriern ist noch gerade so fahrbar aber sehr gewöhnungsbedürftig.

Erstaunlich, daß es für die Insulaner üblich war, damit zu den Rennveranstaltungen auf eigener Achse anzureisen, dort das eigene Radl aller überflüssiger teile zu entledigen, dann das Rennen zu fahren und in der Regel nach ausgiebigem Frühstück dann mit einem 100 Meilen Club-Race inkl. aller zuvor abgebauter und dann wieder angebrachter Teile die Heimreise anzutreten.

Was fehlt noch? Ach ja, zum Rahmenbauer A.A. Hawkes findet sich nicht viel und wenn dann eher Widersprüchliches. Irgendwo im Osten von London beheimatet, wohl ab den frühen 30ern oder gar späten 20ern aktiv, könnte Verbindungen zum Becontree Wheelers AGM gehabt haben, weil dort von 1949 oder 1950 ein CA Hawkes Präsident gewesen ist und es Querverweise zu einem Shop namens L&A Hawkes Cycles.gibt und zum namhaften Rahmenlöter Stokes berichtet wird, daß dieser in den 50er Jahren Rahmen für Hawkes, Ducketts, Rivetts, Owens and Putney and some Leach Marathons anfertigte. Ab den 60ern gibt es aber keine wirklich belegbare Nennung des Shops oder des Namens mehr. Insofern stammt der Rahmen also eher aus spätestens 1955 und kann auch durchaus älter sein
:):):):):)sehr schöner Beitrag in Ausführung,Bebilderung und Bereicherung des ForumsWissens-:):):):):)

Danke Dir Rolf!!!!

:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::):):)YOU MAKE MY DAY:daumen::daumen::daumen::daumen:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
 
Dürfen Räder, die im Tour-Forum schon gezeigt wurden hier im RR-News Forum wieder mitmachen?
 
Hallo Zusammen,
trotz der starken Konkurrenz möchte ich auch im April wieder teilnehmen und Euch alten Stahl präsentieren, und zwar ein

Colnago Super von 1976 – das „Forumsrennrad“

Ein Colnago als Forumsrad? Viele hier werden mit dem Kopf schütteln, das Thema Colnago scheint eher dem Mainstream und der Hipstergemeinde vorbehalten zu sein, als dass es in einem Rennrad Expertenforum behandelt wird. Von den bislang vorgestellten 40+ Rädern des KDM habe ich noch kein einziges Colnago sehen können, eher scheinen hier die kleineren Edelschmieden aus Italien oder auch Deutschland geliebt zu werden. Und dennoch, es waren nun mal Gios Torino oder halt auch Colnago Räder, von denen ich als Jugendlicher geträumt habe und solche kindlichen Wünsche scheinen im gesetzten Alter Emotionen und den „Habenwollen“ Reflex auszulösen. Aber warum dann „Forumsrennrad?

Nun, die Geschichte des hier gezeigten Rades fing mit dem Kinofilm A Sunday in Hell an, welcher im Rahmen des Düsseldorfer „Bicycle Film Festivals“ gezeigt wurde. Aufmerksam gemacht auf diesen Film bin ich natürlich durch unser geliebtes FORUM. Schon die ersten Minuten des Streifens zeigen einen Mechaniker, der ein Benotto Rennrad für seinen Einsatz in dem Höllenrennen Paris-Roubaix vorbereitet. Im Laufe des Kinofilms, der das 1976er Rennen in eindrucksvoller Manier dokumentiert, gibt es immer wieder Momente, die unser Herz für alte Rennräder höherschlagen lässt. Sehr schön kann man zum Beispiel die Detailverliebtheit des „Kannibalen“ Eddy Merckx verfolgen, dessen Räder ja lange Zeit von dem bekannten Ernesto Colnago bereitgestellt wurden. Ernesto war bei fast allen großen Erfolgen der Mechaniker hinter Eddy Merckx, bis hin zu seinem legendären Stundenweltrekord.

In jener Zeit bis Mitte der 70er stand Colnago vor allem für innovative Ideen im Profiradsport, sportlich- kurze Geometrien und extremen Leichtbau. Erst später v.a. in den 80ern wurde das Image von Colnago auch kommerziell genutzt, indem die Produktion stark erweitert wurde und später vor allem Räder mit luxuriösem Design und auffälligen Lackierungen vermarktet wurden.

Zurück aber zum Film über das Rennen Paris-Roubaix, der zwar nicht mit einem Sieg des Kannibalen endete, dafür aber den Wunsch in mir aufsteigen ließ, eines der in dem Streifen gezeigten Rennräder zu besitzen. Eben jenen Wunsch drückte ich einem Beitrag im FORUM aus und innerhalb eines Tages hatte ich ein Angebot für ein 1976er Colnago Super Rahmen unseres netten FORUMsmitgliedes @kla58.

Der Rahmen und das ganze Rad befand sich bis vor kurzem noch in einem sehr vernachlässigten Zustand. Hier ein Bild vor der Renovierung:

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Obwohl das Rad nur wenige Kilometer hinter sich hatte, war es schlecht gepflegt worden und somit entschied sich Klaus, der selber Lackierer ist, dem Rahmen ein neues Kleid zu verpassen. Das Colnago Super wurde also entlackt und professionell mit Mehrschichtlack, neuen Decals aus Australien und einer Klarlackschicht versehen. Angesichts der nicht immer perfekten Lackqualität italienischer Rahmenbauer kann man hier eindeutig von einer technischen Aufwertung des Rahmens reden.

Zum Glück war Klaus der Rahmen mit 58cm RH etwas klein und somit hatte ich die Möglichkeit diesen als Grundlage für ein 76er Rennrad zu übernehmen.

Ursprünglich war das Rad mit einer Shimano Dura Ace Gruppe ausgestattet und obwohl ich sehr viel von dieser Gruppe halte, schlug mein Herz in diesem Falle doch eher für italienische Anbauten. Von einem vorhandenen Gazelle Rad konnte ich eine komplette und zeitgemäße Campagnolo Nuovo Record Gruppe übernehmen. Nach diesem holländischen Striptease hat ein nettes FORUMSmitglied den nackten Gazellerahmen übernommen und mittlerweile wieder der ursprünglichen Nutzung zugeführt, indem er es mit passenden japanischen Komponenten aufgebaut hat.

Ein weitere FORUMSmitglied war so nett das vorhandene BSA Lager in ein ITA Lager zu tauschen, so dass ich anfangen konnte das Colnago komplett mit Campagnolo und Cinelli Komponeten aufzubauen. Entgegen der ursprünglich eher dezenten Farbkombination (Champagner/Silber/Schwarz) habe ich mich für eine etwas peppigere Kombination in Champagner/Silber und Gelb entschieden. Mittlerweile erstrahlt das Colnago Super wieder im ursprünglichen Glanz und ist theoretisch bereit für einen historischen Einsatz bei Paris-Roubaix. Vorher habe ich den derzeitigen Zustand natürlich angemessen festgehalten, als Hobbyfotograf durfte das Colnago in meinem mobilen Kellerstudio Modell stehen und macht, wie ich finde, eine durchaus gute Figur nach der aufwendigen Schönheitskur.

Zurück also zu der Ausgangsfrage, warum das mein Forumsrad ist. Ohne dieses Forum mit all seinen Mitgliedern wäre ich heute nicht im Besitz dieser italienischen Schönheit, an dieser Stelle also nochmals „DANKE“ an alle Beteiligen in diesem Forum!

Nun also Bilder von dem Colnago Super aus dem Jahr 1976:

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Schöne Grüße
Volker
 
Nach so vielen hochkarätigen Rennern mal wieder etwas einfacheres.

Im Frühjahr 2016 stöberte ich mal wieder hier im Forum im Bietefaden. Nicht das ich irgendetwas suchte, aber man weiß ja nie.
Dann sprang mir ein Beitrag mit zwei Meralrahmensets ins Auge. Einer davon mit 60 cm Rahmenhöhe. Ich fahre Rahmen zwischen 60 und 63 cm Höhe.
Das Angebot war so das ich es einfach nicht ablehnen konnte. Also schlug ich zu und hatte ein neues Projekt an der Backe.

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Recherchen ergaben das das Rad wahrscheinlich aus Ende der 80er Jahre war und von einem deutschen Rahmenbauer stammt und wohl komplett unterverchromt ist (hat trotz einiger Macken keinen Rost). Der Hinterbau hat 128 mm Breite, so das 126 mm als auch 130 mm Naben passen. Es hat die französische Meralform, die es so auch von einigen deutschen Radfirmen (Enik, Gudereit, Schauff) gab. Aber sowohl die Rahmengröße, als auch die Details (Zugführung, Bremssteg, etc.) lassen sich in der Kombination keiner Radfirma zuordnen.

Ich beschloss den Rahmen mit Teilen die ich noch hatte aufzubauen. Laufräder waren zunächst Mavic-Felgen mit Shimano RX100 Naben (126 mm und 7-fach Kassette 12-26). Kurbel ist ebenfalls Shimano RX100 (2-fach 52/39)von 1989. Umwerfer RX100 für 2-fach. Alles 1989. Schaltwerk ist ein altes Shimano Z-Serie von 1984. Schalthebel Dia Compe Lenkerendhebel mit Friktion.
Bremsen besorgte ich mir hier im Forum, Shimano 105er (1055) Dual Pivot, mit den passenden Hebeln.
Sattelstütze, Vorbau und Lenker SR aus Mitte der 80er Jahre lagen noch rum. Beim Sattel machte ich keinen Kompromiss und nahm einen erprobten langstreckentauglichen Ledersattel von Rose. Pedale sind Shimano PD-M520. Das Rad bekam auch noch Bluemels Schutzbleche, einen schmalen Gepäckträger und einen Klickfix Lenkertaschenhalter. Reifen waren zunächst Continental Grand Prix Klassik in 25 mm Breite.

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Die erste Bewährungsprobe absolvierte das neu aufgebaute Rad Pfingsten 2016 bei der Fietselfstedentocht in NL, einem 235 km Marathon.

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Ohne Defekt und Probleme überstand das Meral, welches ich übrigens Bloody Mary taufte die 235 km plus 30 km An-und Abfahrt.
Danach setzte ich es ab und zu auf RTF und auf Tagestouren ein.

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Im Juli dann eine Fahrt mit einer ganzen Gruppe auf dem Emscherweg von der Quelle in Holzwickede bis zur Mündung in Dinslaken.
Einen Tag hin, Übernachten in einer Waldhütte (und von Mücken zerstochen) und am anderen Tag auf anderen Wegen zurück. 240 km am Wochenende mit Gepäck. Die teilweise schlechten Wege steckte das Rad klaglos weg. Die alten Maviclaufräder hatte ich mittlerweile durch stabilere Extremefelgen mit Tiagranaben in 130 mm Breite (hinten) ausgetauscht. Da mir nach nur 500 km einer der Grand Prix Klassik Reifen kaputt ging, ersetzte ich sie durch schwarze Schwalbe Lugano in 25 mm Breite. Der viel geschmähte Reifen erwies sich bisher sogar bei den wenigen Geländeeinlagen als sehr robust.

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Die nächste größere Tour war dann im September 2016 nach Enschede. Samstags hin und Sonntags zurück. Wieder 240 km an einem Wochenende mit Gepäck. Das Meral bewährte sich immer mehr als Touren- und Reiserad.

Manchmal sind spontane Entscheidungen gut. Die Entscheidung für den Meral-Rahmen habe ich nie bereut. Das Rad hat einen festen Platz in meinem Fuhrpark.
 
Aber was ist ein Path Racer eigentlich?


Seeeeeehr schön - genau mein Beuteschema. :bier:
Sowas baue ich mir auch gerade au. Allerdings werde ich das diesen Monat nicht mehr fertig bekommen, da ich absolut nur englische Komponenten verbauen werde (mit einer Sturmey-Archer ASC) und das dauert...
Einen Straßensatz Reifen und einen Bahnsatz - Die Alufelgen (Conloy?) hätte ich da als Straßensatz aufgebaut und die Hölzer dann für die Bahn und dann auch fix.
Die Airlite haben einen schönen Zustand. Normalerweise blühen die wie sau... :daumen:
Schade, dass der Rahmen keine Schutzblechösen hat (wie sehr oft üblich bei Track'n'Path). Damit wäre er noch skurriler...
 
Hallo Sportsfreunde,
da ich diesen Monat Geburtstag habe, mal ein Beitrag von mir. Bin kein Fan von Katalogrädern, hier mein Diamant 35 707 aus Mitte der 1970er Jahre, hergestellt in Karl-Marx-Stadt. Als Aufbau mit Campagnolo (N/S) Record (gähn;)) aus der gleichen Zeit wie der Rahmen. Nur die Bremszangen und Steuersatz mußte ich beibehalten. Kerze und Kolben wollte ich hingegen behalten, da die Stronglight Patentstütze mit 24er Durchmesser mir bei dem Aufbau nicht gefallen hat. Schaltauge habe ich selbst passend gefeilt.

Für ein Diamant auf jeden Fall BLING-BLING ;) Is halt schmutzig, da in Benutzung.

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SPORT FREI!
 
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