oh mann, ich werd blaß vor Neid......
Mir spukt seit drei Tagen alte Musik im Kopf rum. Um genauer zu sein:
ABBAs "Waterloo". Und ab und an nölt Bob Dylan dazwischen: "There is no success like failure, and failure's no success at all".
Insgesamt noch sehr grün hinter den Ohren, mit null Alpenerfahrung und einer defintiv nicht bergziegengleichen Statur schien mir die 106er Strecke die einzig realistische Option - am Giau sterben und mir so den Maratona versauen wollte ich nicht. Mein Traingsplan der letzten drei Monate war genau auf letzten Sonntag ausgerichtet.
Acht Tage vorher: Ich fühle ich mich bärenstark, der Formanstieg kommt mir gewaltig vor.
Sieben Tage vorher: Ich liege mit ner fetten Erkältung flach. Perfekt getimt...Trotzdem auf nach La Villa, die eigene Reiseapotheke wird durch sorgfältig ausgewählte Zukäufe in der dortigen Apotheke ergänzt, in der Hoffnung, doch noch gesund zu werden. (Hat noch jemand Interesse an einer 500 ml-Flasche schleimlösenden Sirups auf rein pflanzlicher Basis, der auch ganz erstaunliche Effekte auf den Magen-Darm-Trakt ausübt?)
Drei Tage vorher: Ich fahre ich mit mädchen und meinem Kumpel Alexander die Sella-Runde ab (bzw den beiden mit großer Mühe hinterher). Schön und gut, die ersten Pässe meines Lebens, aber jeder Tritt tut weh, die Augen brennen, und ich staune einmal mehr darüber, was sich alles so in menschlichen Atemwegen ansammeln kann.... Immerhin ist jetzt klar, dass ich fahren werde, und wenns mir etwas besser geht, sollte die 106er kein Problem sein. Mein Wunschtraum, mindestens Vorletzter in meiner Altersklasse zu werden, scheint realistisch.
Sonntag: Es geht mir besser, immens viel besser. Nur der 16er Schnitt wird ein Problem. Ein unlösbares, um genau zu sein.
Die Pässe gehe ich ein wenig langsamer an als am Donnerstag, will meine paar Körnerchen für die zweiten 50 km aufheben, und nicht, wie sonst immer, gleich am Anfang alles verschleudern. Ich fühle mich prima, der Puls ist deutlich weiter unten als am Donnerstag, die Beine arbeiten ohne Beschwerden, und das Druckgefühl hinter der Stirn ist auch nicht mehr da. Und ich ziehe ständig an anderen Radlern vorbei. Bergauf nciht der Langsamste - was für ein Hochgefühl. Am Pordoi lieg ich so gut in der Zeit, daß ich die Marschtabelle auf der Abfahrt kurzerhand verliere. Meine Hemmungen vorm Bergabfahren verliere ich auch ziemlich schnell. Die Abfahrt ist einfach nur g**l! Auch der Sella, am Donnerstag noch eine echte Qual, ist easy. Vielleicht liegts an den strategischen. mittellangen Pausen zwischendrin (Verpflegung, Kleiderwechsel, Fotos machen...) ?
Ich rolle alles locker hoch, staune, wie viele Giovannis und Giuseppes rad fahren, bewundere den alten Herrn auf dem superschönen Tommassini, der beim Treten die Knie exakt auf Lenkerbeite hält, sehe den beiden Kanadiern auf ihren (was sonst) Cervelos hinterher, finde alles nur super -
Und auf der Abfahrt vom Sella komme ich plötzlich nicht mehr aufs große Blatt. Diverse Versuche, die Zuglänge zu korrigirieren, den Umwerfer zu justieren, scheitern allesamt. Also : runter vom Grödner Joch, unten den Reparaturwagen suchen, und dann weiter. Bergab wird also wieder gekachelt und überholt, was das Zeug hält, in Corvara kommt der 90-Grad-Turn, und dann -
dann ist Ende. Da hinten ist ein Zielstrich, aber wo bitte gehts weiter auf die beiden langen Strecken? Hab ich irgendeinen Abzweig übersehen? 200 m vor dem Ziel stoppe ich, um einen von diesen komischen Gebirgsjägern um Auskunft zu bitten. Schlechterdings unmöglich, wenn mein Italienisch ebenso wenig existent ist wie seine Deutsch- und Englischkenntnisse.
Irgendwie dämmert mir, daß es auch in Corvara ein Zeitlimit gibt. Und ich habe es offenkundig verpaßt. Mit einem Schlag ist die Motivation, die gute Laune, das Adrenalin weg. Mir bleibt keine Wahl, ich husche irgendwie ins Ziel. Am Zeitlimit gescheitert und kein bißchen müde, im Gegenteil. Das muß mir erst mal einer nachmachen.
Mein Laune bessert sich nicht mehr wirklich. Später am Tag entdecke ich auf den Ergebnislisten der 100er Strecke ein paar Namen von Leuten wieder, die ich auf der Sella-Runde zuvor locker überholt hatte. Die offizielle Karenzzeit habe ich um knappe 10 Min verpaßt. Hätte ich auch nur auf die letzte "Schraubpause" am Gardena verzichtet, ich wäre ganz easy durchgekommen (hätte nicht mal meine Verpflegungspausen verkürzen müssen...) und hätte dann am falzarego meine Körner nach Lust und Laune verballern können. Stattdessen: Buße tun am Barilla-Stand.
War ein beeindruckendes Event. Bergauf und bergab hat es gleicherrmaßen Spaß gemacht, und als ich vor zwei Jahren anfing, hätte ich mir das im Leben nicht zugetraut. Trotzdem überwiegt der Frust über die eigene Dusseligkeit.
Ich heiße zwar nicht Schuster und muß deswegen auch nicht zwingend bei meinen Leisten bleiben. Aber ob ich mich noch mal motivieren kann, so viel in einen einzigen Tag zu investieren? Darüber muß ich sicher noch ne Weile nachdenken.