aloha,
hier mal ein kurzer Bericht von der trotz allem noch aktiven spandauer Fraktion:
Gestern bei schönem morgentlichen Wetter um 07.30 Uhr öffnete ich die Haustür, um das Rad schon mal etwas Morgenluft wittern zu lassen. Eine letzte kleine Wischaktion: hier ein Staubkörnchen, dort ein Fleckchen weggewischt, die
Flaschenhalter bestückt und das Rad wurde als ausgehfein erachtet. Um 08.00 Uhr gings los. Die 4 Kilometer zur Havel durch den Gatower Forst ließen Mensch und Gerät sich wieder aneinander gewöhnen, die Kette schnurrt, die Gänge klicken sanft. An der stattlichen Villa Lemm vorbei führt ein Schotterweg hinab zur Havel. Von hier aus gehts an der Havel entlang bis zur Scharfen Lanke auf dem unbefestigten Schotterweg, den ich morgens auf jeden Fall der lauten Gatower Straße vorziehe. Die Sonne streicht schon übers Große Fenster, einige Enten, die linkerhand auf von Apfelwiese aus ihr Nachtlager verlassen, um sich an einem morgentlichen Bad zu laben, recken unruhig ihre Köpfe in Richtung des rennradelnden störenfriedes. Vorbei gehts an den Werften, um die Lanke herum und schon reißt die Heerstraßenhektik mich aus den Naturgeräuschen und fordert unbedingte Konzentration auf die Teerpiste, die man dort "Radweg" zu nennen pflegt. Noch über die Brücke rüber, dann kann ich endlich auf der Nebenstraße fahren, geschafft. Am Glockenturm sind sie bereits: Caravan an Reisebus und Auto, gelbe Flaggen verdunkeln die Innenräume, die Nordmänner und Frauen scheinen noch zu schlafen. Nicht alle. Das Seitenfenster eines Caravans wird vor mir hochgeklappt und steht im 45 ° - Winkel ab, etwa in Höhe meiner unbehelmten Fontanelle - zum Glück noch weit genug entfernt, um einen lässigen Schlenker um den blonden Schopf zu machen, der sich aus dem Fenster reckt. Heja Sverige ! Verstört, aber reflexartig grinsend und zurückrufend winkt der Schwedenfan mir hinterher. Bis zum S-Bahnhof Heerstraße gehen noch so einige Türen und Fenster auf, Schweden wird wach. Es geht weiter durch die Jaffeestraße hin zur Autobahn, um den Rathenauplatz herum und endlich: die Busspur auf dem Ku´Damm. Einige Touristen mischen sich unter den Berufsverkehr und fallen sofort durch suboptimales Fahrverhalten auf der Busspur auf, aber die Welt soll zu Gast bei Freunden sein und ich fahre lieber etwas bedächtiger, als mich zu ärgern. So gehts entlang bis zur Urania, an der "Nolle" vorbei bis zu den Yorckbrücken. Noch immer ist die Luft angenehm weich und kühl, obwohl die ganze Zeit die Sonne ins Gesicht scheint und schon ankündigt, uns heute nochmal richtig einzuheizen. 25 Km, geschafft, ich freue mich auf meinen Arbeitsplatz im Tempelhof.
Nach seeeehr anstrengenden 6 Stunden beschließen mein Kumpel und ich, uns am Potsdamer Platz zu treffen und mal zu schauen, was die Welt so treibt im Land der Freunde. Treffpunkt "Posh" am Cinemaxx. Ich rolle über die Lehrter Straße Richtung Potsdamen Platz an und richtig: von weitem schon, lauter gelb gekleidete, bemalte und Fahnenschwenkende Menschen, Schweden über Schweden. Mal was anderes, sie kamen diesmal nicht, um Spandauer zu teeren und zu federn, sondern um Paraguay vom Platz zu fegen. Was ist das? Zwei teure Geländewagen, aus den Fenstern lehnen blonde bemalte Schönheiten, singen und winken, fahren an mir vorbei. Na das ist doch was zu lutschen, ich häng mich dran. Mein Grinsen verschwindet, als die motorisierte Rennleitung ihre BMW an der lustigen Karawane vorbeischlenzt und und das "Schweloton" mit mir ausbremst. So geht das aber nicht, höre ich Ihn sagen, die Schweden nehmen es gelassen, reichen eine Fahne und einen Wikingerhelm. Ist das schon Korruption? Unter der Auflage, die jungen Schönheiten wieder vom Dach und hinter die Fenster zu setzen, darf die Karawane unter dem Jubel der Umstehenden weiterziehen. Ich sollte sie noch einmal treffen, später.
Den Kumpel eingesackt im Vorbeiflug müssen wir jedoch abreissen lassen und schlängeln uns an den blechlawinen vorbei zum Brandenburger Tor. Freundliche Ordner lassen uns mit den Rädern auf die Fanmeile. wir schieben-wie versprochen. In dem Moment schießt Ecuador das dritte Tor. Frenetischer Jubel, gellende Schreie. Das ist schon was für so ein Spandauer Landei wie mich. Nette, tolle Menschen strömen die Fanmeile entlang, kaufen viel zu teure Trikots und andere Devotionalien. Am liebsten war mir ja die Tröte, die sich anhört wie der Brunftschrei eines kapitalen Elches. Aber sie passte nicht in den
Flaschenhalter. Ein kaltes Bier müsste jetzt den Schlund kühlen... Bitburger?hm, na ja. 3.50 ? kurzer Blick: ab in die Lützowbar, dort ist Donnerstags Happy-Hour und für das Geld gibts dort schon fast nen Mai Thai. Gesagt, getan. Mit viel Eis, bitte. Wir müssen uns sagen lassen, dass noch niemand diese Bar mit Steppschuhen betreten hat. Powered by Mai Thai gehts weiter: Ziel: Olympiastadion. Irgendwo muss die Schwedenkarawane doch sein? Eine spontane Demonstration der Härte auf der Kantstraße: Respektvoll grinst der von uns verfolgte Rollerfahrer, er konnts kaum glauben. Wir haben erst abreißen lassen, als das Hupkonzert hinter uns immer lauter wurde. Wir hätten vielleicht rechts fahren sollen... Gemütliches Ausrollen auf der Reichsstraße Richtung Steubenplatz. So, jetzt links ab und zum Olympi. Alles voll. Scherben, Schweden und diese Hitze. Das Ordnungsamt hat einen Stützpunkt im Haus der Friedhofsverwaltung aufgemacht. Stört mich nicht, das ist meine Quelle für neues Wasser in der Flasche. Rein und fast verhaftet worden. Mein Rucksack war verdächtig: ein Selbstmordattentäter? Wen soll ich denn auf dem Friedhof damit erschrecken...? na ja. weiter. Und da waren Sie wieder: die beiden Geländewagen. kurze Begrüßung und die Promo-Girls verschwinden singend im Getümmel vor dem Stadion.Lecker. 20 Minuten noch bis Anpfiff. Jetzt aber los, der Fernseher der Stammkneipe ruft.
Im Stockdunklen gegen 01.00 Uhr hat mein Wald mich wieder. Knappe 80 km durch die stadt. Das war fein. Und ich freu mich für die Schweden.
Bis Bald ihr alten Schweden !