Hin und wieder werde ich von mir selbst überrascht. Da entdecke ich ganz neue Denkweisen bei mir, die mir bisher unmöglich schienen. Diese hier zum Beispiel: Ich mag Baulärm.
Ja, Baulärm ist toll!
Gestern habe ich mich bei diesem Gedanken erwischt. Da bin ich am Nachmittag kurz vor Toreschluss noch schnell bei der Mensa vorbei. Habe mich an der Fastfoodtheke für ein Set aus Burger, Fritten und einem quietschsüßen Erfrischungsgetränk entschieden und mich dann draußen an einen Tisch mit herbstlichkühler Luft und blendender Sonne gesetzt. Sonne tanken. Von nebenan von der Baustelle schallte Pressluftgehämmer und Asphaltgesäge herüber. Bis, ja... bis diese Geräusche von der Baustelle auf einmal verstummten. Und auf einmal war Ruhe. Es war fast, als ob die Zeit stillstehen würde.
Ich habe gegen die Sonne geblinzelt, ein paar Fritten aus dem Pappschuber herausgeangelt und dabei auf den Pontwall geschaut. Es folgte eine ungewohnte Aneinanderreihung von Bildern des Friedens. Eine Frau, neben der mit ein wenig Abstand ein Kleinkind freihändig daherzuckelte, schob einen Kinderwagen quer über die fünfspurige Ringstraße. Total entspannt und stressfrei. Hin und wieder fuhr gelassen ein Radfahrer vorbei. Nicht ganz rechts an einen der Bordsteine gedrängt, sondern luftig und frei von irgendwelchen Fahrspurmarkierungen. Und immer mal wieder fuhr langsam irgendein zu groß geratener PKW auf den Pontwall. In ganz natürlichem, weil selbstgewähltem Fußgängerzonentempo. Das Fahrtempo wahr wohl auch dem Überraschungseffekt und dem einsetzenden Denktempo geschuldet.
Ja, wie denn, was denn, das Sackgassenschild ist wirklich ernst gemeint? Man kommt wirklich nicht mit dem Auto über die große Kreuzung am Ponttor? Auch nicht, wenn man es furchtbar clever über die kleine parallele Stichstraße mit den Parkplätzen versucht? Man könnte dort vielleicht über einen Bordstein fahren und damit die Vorzüge des SUVs in der Stadt ausspielen?
Aber jedes Mal stellte sich heraus, dass das Sackgassenschild wirklich ernst gemeint war. Alles verrammelt. Kein Durchschlupf. Und der für Radfahrer freigelassene Fahrstreifen ist zu schmal für die Blechkiste. Wie schade.
Das ist das Großartigste, was ich bisher in meiner ganzen Zeit hier in Aachen erlebt habe! Insgeheim hoffe ich, dass bei den Bauarbeiten auf der gesperrten Kreuzung am Ponttor irgendetwas mit römischer Herkunft gefunden wird. Dann würden die Archäologen anrücken. Schaufeln und graben. Zelte aufbauen, sich darunter hinknien und pinseln. Monatelang. Vielleicht auch jahrelang. Von mir aus auch gerne für immer. Und der Pontwall wäre das friedlichste Stück fünfspurige Straße Aachens. Ganz ohne den Verkehrslärm, der sonst - im Gegensatz zu Baulärm - immerfort lärmt, aufregt und nervt und den man als gegeben hinnimmt. Warum eigentlich?
Wenn ich gleich mit dem Rad ins Wochenende nach Hause fahre, dann teste ich es mal aus. Wie es sich so ganz entspannt über die Ringstraße fahren lässt, während die Autofahrer den Umleitungsschildern folgend in den immer kleiner werdenden Aachener Straßen verlieren und dort in den Staus verzweifeln. Möge jeder glücklich werden mit dem Verkehrsmittel seiner Wahl.
Kommt mir gut ins Wochenende!