Interessiert mich auch, sind alle Talentierteren auch ganz ohne Training schon besser oder gibt es auch welche die untrainiert nichts besonderes sind und einfach mehr auf Trainingsreize reagieren und dann stärker (und länger) zu legen als der Durchschnitt?
Talent ist kein eindeutig klar definierter Begriff, sondern ein vielschichtiges Phänomen. Es kann bedeuten, dass man von der Natur mit guten physischen Voraussetzungen ausgestattet wurde, umfasst aber genauso mentale Eigenschaften, z.B. die Fähigkeit, sich über lange Zeiträume fokussiert einem Trainingsziel zu widmen, auch und besonderes dann, wenn es z.B. mal Rückschläge im Training gab.
Man wird ohne Zweifel sagen können, dass alle Radsportler, die es bis zu einem Profivertrag geschaft haben und sich einige Zeit in dem Metier behaupten konnten (egal ob als Helfer oder Kapitäne) über überdurchschnittliches Talent verfügen. Welche Aspekte von "Talent" am Ende aber für das Behaupten im Profisport primär ausschlaggebend sind - und in welchem Umfang, eine besondere Physis inkl. guter Trainierbarkeit (im Sinne von Ansprechen auf Trainingsreize) und hoher Effizienz, mentale Härte und intrinsische Motivation, Zielstrebigkeit, Leidenfähigkeit etc. pp. weiß niemand so genau. Sehr wahrscheinlich spielen alle Faktoren gemeinsam eine Rolle.
Es gibt immer wieder Beispiele von jungen Sportlern, die zwar in einem Faktor mit herausragenden Werten ausgestattet sind und deshalb als überaus talentiert gelten, aber Leistungsmäßig trotzdem nie ganz vorne dabei sind. Ein besonders eindrückliches Beispiel im Radsport ist Oskar Svendsen, ein norwegischer Radsportler, der Junioren-Weltmeister wurde und bei dem schon in jungen Jahren eine der höchsten jemals gemessene maximale Sauerstoffaufnahme-Kapazität nachgewiesen werden konnte, nämlich 96.7 ml/kg/min. Für Chris Froome werden gelegentlich Werte von 84 ml/kg/min genannt, ein gut trainierter männlicher Hobbysportler hat Werte zwischen 50 und 65 ml/kg/min, Untrainierte haben Werte unter 40 ml/kg/min. Trotz der astronomischen Sauerstoffaufnahme von Svendson, die ihn nach gängiger Lehrmeinung zu einem Ausdauertalent-Par-Excellence hätte machen müssen, konnte sich Svendson im Profi-Zirkus nicht behaupten und hat nach kurzer Zeit seine Karriere beenden müssen. Einer der Gründe war, dass er zwar eine astronomische Sauerstoffaufnahme hatte, aber einen desaströsen Wirkungsgrad (mehr dazu hier
https://www.outsideonline.com/2407295/why-higher-vo2max-isnt-always-better ) (Wenn man sich die Ergebnislisten von Junioren-WMs ansieht wird man neben vielen bekannten und auch als Profis erfolgreichen Namen über die Jahre ganz viele finden, die als Junioren überaus erfolgreich waren und denen man insoweit außergewöhnliches Talent bescheinigen würde, die aber als erwachsene Athleten nie irgendwo in Erscheinung getreten sind, vielfach nicht eimal einen Profvertrag bekommen haben.)
In jedem Fall ist es ziemlich sinnlos, wie bei Dir nach ein paar Monaten Radtraining Wattwerte vergleichen zu wollen. Ein Vergleich wäre hier nur mit Leuten, die eine ähnlich kurze Trainings-Historie wie Du haben, sinnvoll. Die haben aber seltenst einen
Powermeter am Rad. Ob Du Talent hast kannst Du anders besser fesstellen. Schließ dich einer lokalen Radgruppe an, fahr dort regelmäßig mit und schau in ein paar Monaten oder einem Jahr, ob du immer so früh abgehängt wirst am Berg, mal einen Ortsschildsprint gewinnen kannst usw. usf.