Die Tatsache dass Studien gegenläufige Ergebnisse produzieren finde ich in keiner Weise problematisch. Das zeigt vielmehr, wie schwierig es ist, eindeutige allgemeingültige Schussfolgerungen zu ziehen. Trotz aller methodischen und auch soziologischen Probleme die in der heutigen Praxis wissenschaftlicher Studien steckt, sind gut gemachte Studien mit Abstand die wertvollste Methode zur Generierung von Erkenntnisfortschritten. Sogenannte Erfahrungsberichte liefern dagegen nur in Ausnahmefällen wirkliche Erkenntisfortschritte, sie belegen oft nur, welche Vorurteile jemand hat. Den meisten Berichtenden fehlt zudem jede Form von Bewusstsein für den "Bias", der in ihren Erzählungen möglicherweise steckt.
Zu Thema Profisport. Es mag zwar auf den ersten Blick plausibel erscheinen, dass der Profisport die Spitze des gegenwärtigen Erkenntisstands repräsentiert. Allerdings unterliegt natürlich auch der Profisport bestimmten Zwängen und Irrationalitäten. Es ist noch gar nicht lange her, da konsumierten Sportler an Wettkampftagen Steaks und noch Anfangs des letzten Jahrzehnts gehörte es zu den Ritualen und "ungeschriebenen Regeln" im Profiradsport ("Le Metier"), nicht das weiße Innere von Brötchen zu Essen, weil sich das angeblich negativ auf die Leistung auswirke, oder selbst bei 25 Grad im Schatten mit Beinlingen zu trainieren, um die Muskeln "warm" zu halten.
Man kann zwar erkennen, dass im Profiradsport die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntisse und Methoden in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen hat, wie sich das im Detail in der Trainingspraxis niederschlägt und auch wo die Gesetzmäßigkeiten der Branche dabei Grenzen setzen, ist indes nicht klar erkennbar. Zudem lassen bestimmte Elemente der Trainingspraxis von Profis, wenn man sie denn beobachten kann, nicht erkennen, was eigentlich die Motivation dahinter ist und welcher Zweck damit verfolgt wird. Zudem muss man natürlich immer beachten, dass Profis bei der Auswahl ihrer Trainingsmittel aufgrund der Tatsache, dass sie ein anderes Zeitbudget haben, grundsätzlich anders vorgehen können, als Hobbysportler mit begrenztem Zeitbudget. Als Profi kann man auch Dinge ausprobieren, die allenfalls einen marginalen Nutzen versprechen, schließlich hat man ja Zeit.
Ich kann btw. auch nicht Erkennen, dass Core-Training oder Krafftraining fllächendeckend und umfassend im Zirkus der Straßenprofis zur Anwendung kommen (auf der Bahn sieht das natürlich ganz aus, insb. im Kurzzeitbereich). Nach allem was man lesen kann, ist die Nutzung solcher Methoden eher in der Übergangsphase nach der Saison, in der frühen Saisonvorbereitung und bei Rehabilitationen nach Stürzen verbreitet (wobei hier sicher auch noch zwischen verschiedenen Fahrertypen zu differenzieren ist.)
Zum Thema Bewegung des Oberkörpers beim Treten: Natürlich verbraucht das hin- und herwiegen des Oberkörpers Energie, das ist gar keine Frage. Die Frage ist, ob das eine für die Gesamtleistung relevanten Umfang annimmt und ein Energie-/Sauerstoffverzehr bei diesen Bewegungen dazu führt, dass die Leitung in der primären Arbeitsmuskulatur beeinträchtigt wird. Das kann ich nicht erkennen. Bezüglich des hin- und herwiegens des Oberkörprers ist es übrigens sehr empfehlenswert, sich mal alte Radsport-Aufnahmen anzuschauen. Selbst der große Eddy Merckx hat am Berg mit dem Oberkörper "hin- und hergejammpelt" - btw. weit mehr als mancher weniger erfolgreiche Konkurrent. Der Grund für den starken Einsatz des Oberkörpers ist in "zu" dicken Gängen (wie sie früber üblich waren) und der Ermüdung des Sportlers zu suchen. Je "kaputter" man ist und je dicker die Gänge die zur Verfügung stehen, desto mehr wird mit dem Oberkörper "gewackelt". Um den Oberkörper ruhig zu halten braucht man also die richtige Übersetzung und eine gute Rad-Form mit einer ausgeprägten Ermüdungsresitenz. Sinnvolle und effiziente Wege dahin führen nicht über "Core-Training". Der "Core" wird für die Anforderungen auf dem Rad durch ein gutes Rad-Trainingsprogramm völlig ausreichend trainiert, jedenfalls solange keine Krankkeiten am Bewegungsapparat vorliegen.