Nun - ich meine, dass alte Rahmen bestimmte Eigenschaften haben, die man heute nicht mehr findet (und damit meine ich nicht nur die schlechten wie hohes Gewicht und niedrige Steifigkeit). Die Rahmengeometrien selbst haben auch so manche Mode erlebt und sich dabei vor allem nach 1990 ziemlich weit von dem entfernt, was ein normaler Mensch mit einem Rennrad tun mag - das ist in den letzten zwei, drei Jahren erst ganz allmählich wieder rückläufig.
In den 50er und 60er Jahren war es üblich, dass ein Rennrad auch auf richtig schlechten Straßen sicher geradeaus fahren konnte, einen entsprechend langen Radstand hatte und dazu noch eine erst weit unten sehr weit vorgebogene Gabel, die richtig schön flext.
In den 70ern war es immer noch üblich, dass viele Rennräder genügend Platz für schlanke Schutzbleche boten, weil sie ganzjährig benutzt wurden - das Wissen, das Schutzbleche Ross und Reiter vor Schmutz und Nässe schützen, ist in den 80ern dann offenbar verlorengegangen. Stattdessen erschien das vorn und hinten kurze, richtig wendige Rennrad mit steilen Winkeln auf der Bildfläche, das ich persönlich bis heute am liebsten mag. Die Oberrohre waren dabei meistens kürzer, als die Sitzrohre, weshalb auch normale Hobbyfahrer auf diesen Rahmen lange am Unterlenker fahren konnten.
Irgendwann in den 90ern wurden die Rahmen dann vorn immer länger und hinten kürzer, der Trend ging zu flacheren Lenkwinkeln und "sicherem" Fahrverhalten. Will man so ein Ding wirklich vernünftig fahren, zwingt es praktisch zu einer profimäßigen Sitzposition mit viel Abstand und Überhöhung zwischen
Sattel und Lenker und am besten auch zu einer wirklich hohen Geschwindigkeit. Dazu kam dann noch der Unfug einer bekannten Zeitschrift, dass man umgotteswillenniemalsnicht beim Lenken mit dem Fuß ans Vorderrad kommen dürfe, weil dann schlimme Unfälle die Folge seien - worauf die Rahmen vorn noch länger wurden. Erst in den letzten paar Jahren gibt es wieder mehr Rahmen mit steilen Lenkwinkeln und kurzen Vorderteilen.
Ich denke also, dass die Rennradgeschichte ganz einfach eine Menge Auswahl für die persönlichen Vorlieben bereitstellt und wir daraus frei wählen können, wie sich unser ganz persönliches Rad fahren und anfühlen soll. Trotzdem möchte ich mit einem Rad, das ich tatsächlich FAHRE, zumindest auch halbwegs vernünftig
bremsen und schalten können. Den Griff nach unten ans Rahmenrohr habe ich z.B. nie sonderlich gemocht, das räudige Verhalten von Campa-Schaltungen auch nicht und die lachhaften
Bremsen aus den 70ern und frühen 80ern noch viel weniger; ein paar mehr Gänge mit größerer Auswahl an Übersetzungen schaden auch nicht, finde ich.
natürlich kann es auch mir passieren, dass ich irgendwan ein echtes Museumsrad aufbaue, bislang habe ich das aber immer gescheut bzw. musste beim Anblick oder Anfassen einiger typisch historischer Komponenten einfach lachen...