...zum Schluß dieses Radsportjahres will ich auch noch meine fast verblassten Eindrücke von dieser besonderen IVV in Laa an der Thaya zur Data bringen.
Es kommen einem unterwegs an der frischen Luft ja die klaren Gedanken leichter in den Kopf und bei mir blitzten diesmal unterwegs Stellweichen oder die
Qual der Entscheidungen vor dem geistigen Auge auf. Das Leben ist wie der Radsport:
man kann rechts oder links abbiegen aber man sollte dann auch zu seiner Entscheidung stehen und das Beste daraus machen, auch wenn sie vielleicht falsch war, denn hinterher ist man immer klüger.
Das IVV Team hatte im Vorfeld wirklich alles getan um diese Veranstaltung allen Widrigkeiten zum Trotz stattfinden zu lassen. In meiner unmittelbaren Umgebung hat sich das kein Radsportveranstalter angetan und so hatte ich 2021 kaum längere Trainigseinheiten in den Beinen. So gesehen war die Teilnahme an der epische Runde eigentlich vermessen.
Wenigstens wollte ich meinen Untersatz gut vorbereiten. Das hieß konkret:
feine breite
Reifen in (für meine Verhältnisse) schwindelerregender Preisklasse und eine Übersetzung mit der auch der Untrainierte jede Steigung bewältigen kann.
Am Vorabend steht die ersehnte traditionelle Einrollrunde im kleinen Kreis an. Wie auch letztes Jahr regnet es bis kurz vor Abfahrt ziemlich stark aber der Himmel hat pünktlich ein Einsehen.
Die erste Entscheidung von vielen steht an:
wie immer mitfahren und die saubere Luft inhalieren oder das frisch aufgebaute, lackierte, polierte, besohlte
Tigra by Walter Schor in einem würdigen Zustand belassen?

Ich fahre mit!
Aus dem Ort raus und wir biegen auf den ersten Wirtschaftsweg ein - er steht unter Wasser.
Es knirscht, Dreck vom Vordermann aufs Trikot, vom Hinterrad eine braune Packung unter den Ledersattel. Die
Bremsbeläge schmirgeln eine schwarze Suppe auf die hellen Flanken der
Veloflex Master.
Ich verbringe den Abend vor dem Hotel damit, den Sand aus dem Rad zu waschen.
Der Veranstaltungsmorgen und
die zweite Entscheidung
Ich schlüpfe in mein Radsportkostüm und wähle die weißen! Handschuhe.
Vor dem Startbogen suche ich noch schnell den Radservice auf und lasse die im Regen trocken gelaufene Kette pflegen.
Startzeit in Einzelpaaren frei wählbar - wunderbar.
Ich starte mit meiner Frau als Erste in die Sonne Richtung Poysdorf. Lange traut sich keiner unser gemächliches Tempo zu toppen, als es doch welche probieren blaffe ich sie an.

Andrea kennt meine Sehnsucht nach Fahrtwind und läßt mich nach einigen Kilometer alleine weiterziehen.
Es läuft leicht, viel zu leicht. An den Laben sieht man keine erschöpften Gesichter. Der Wind treibt uns zu ungeahnten Geschwindigkeiten, der Rausch den der Radfahrer sucht.
Die dritte Entscheidung habe ich bereits im Vorfeld treffen müssen, die der Übersetzung. Im Interesse möglichst angenehmer Gangsprünge ist das große Kettenblatt eher klein ausgefallen und der 5fach Kranz beginnt bei 14Z. Auf der Geraden kurble ich mich bereits bei knapp über 40km/h tot und es würde schneller gehen. Ich verliere den Anschluß.
Fast 100km nur Rückenwind und wenig Steigungen bis jetzt, da habe ich mich beim Ritzeln daheim kräftig vergriffen.
Es geht so schnell voran, das man die blassen dünnen Richtungspfeile auf dem Asphalt der langen Runde schnell übersieht. So fahre ich eine schöne lange Kellergasse hinauf und als ich am Ende an einem Acker strande, bedanke ich mich brav für die Bonusmeilen.
Kurz vor dem Wendepunkt am romantischen Schloß Marchegg fährt man auf Schotter durch ein Gehege mit Wildpferden. Ich halte an, nicht weil ich es so will, sondern weil der
Reifen hinten ungewohnt hart abrollt.
Alte Regel:
wenn platt dann hinten. Ich hole das Hinterrad aus den Ausfallern, was mit dem extralangen Käfig des Schaltwerks gepaart mit den langen Ausfallern nicht filmreif vonstatten geht. Wir erinnern uns an zweite Entscheidung, die jetzt zusammen mit der Ersten für Verdruß sorgt.
Die feuchte Trainingsfahrt, die danach frisch geölte Kette, die weißen Handschuhe, die tollen
Reifen - alles ist in diesem Moment falsch.
Das frisch gewickelte Baumwollband färbt sich braun-schwarz, der schicke
Reifen hat einen kleinen Cut in der Flanke und einen neuen
Schlauch in seinem Inneren.
Von der opulenten Labe am Schloß erinnere ich im wesentlichen nur die geölten Waschbecken im WC, die man ja dank Pandemie möglichst alleine besuchen soll. Mit Seife unter den Fingernägeln geht es weiter.
Es wird lauter in den Ohren, denn der Wind kommt jetzt deutlich von vorne und auch wer die Streckenführung nur ansatzweise überflogen hat weiß, dass das jetzt über 100km so bleibt.
Eine lange Abfahrt und es knallt - vorne!?!.
Ich rolle schlingernd aus und im Schatten einer mächtigen Linde schaue ich mir die Sache genauer an. Die Straße war glatt und sauber.
Der
Reifen hat eine offene Stelle an der Flanke aus dem der
Schlauch herausgequollen ist.
Inventur ist angesagt:
ich hatte einen Reserveschlauch und drei Flicken eingepackt.
Bis jetzt war ich acht mal an der Epischen dabei und hatte mit
Michelin Classic zu 10,95€ und Co noch nie eine Panne und diesmal deren zwei.
Ich klebe einen Flicken in die Innenwand des Reifens und einen zweiten auf den
Schlauch. Ab etwa vier bar will der
Schlauch wieder aus seinem Gefängnis klettern und beult den
Reifen sichtbar seitlich aus.
Wie auf Eiern umschiffe ich jedes mir gewahr werdende Schlagloch. Der Wind wird unerträglich laut und trommelt sein monotones Lied. Ich wünschte mir Ohrstopsel.
Teilweise mit dem kleinen Blatt auf der Geraden schaffe ich mich ins Ziel.
Na also, geht auch ohne Training denke ich.
Aber entspannt sieht anders aus.
Es bleiben Erinnerung - das zählt...