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Zeig her, deine(n) Klassiker!

AW: Zeig her, deine(n) Klassiker!

Tja, Bozzi wird von Kommunisten ermeuchelt, weil er Faschist ist, Bottecchia wird von Polizisten ermordet, weil er Antifaschist ist. Südländisches Temperament halt....
 

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Re: Zeig her, deine(n) Klassiker!
AW: Zeig her, deine(n) Klassiker!

Nur mal ned übertreiben mit er Political Correctness, das arme Radl, oder auch der arme Rabe, kann ja nix dafür. Rabeneick steht jetzt ja nicht im Verdacht Rüstungsgüter produziert zu haben. Wenn einer was darüber weiss oder in Erfahrung bringen kann, dann ja wohl der Brückenstein. Mir ist jetzt nix bekannt von Enteignungen und Arisierungen namhafter Fahrradhersteller. Und Bielefeld war ja der Radlstandort damals, da müsste man mal in der Stadtgeschichte schnüffeln. Im Widerstand waren die Fabrikanten andererseit damals wohl auch nicht.
Du hast mit Deiner Einschätzung in Bezug auf Rabeneick Recht, so weit ich weiß, aber grundsätzlich kann/muss man heute schon davon ausgehen, dass deutsche metallverarbeitende Betriebe in der zweiten Hälfte des Krieges, besonders ab 1943, in irgend einer Form an der Kriegsrüstung beteiligt waren, sei es auch nur als Zulieferer irgendwelcher Stanz- oder Drehteile. Ausgenommen waren da eigentlich nur Betriebe, die sowieso schon kriegswichtige Güter wie z.B. Lastwagen, Elektromotoren, Schweißgeräte oder Werkzeuge produzierten. Für viele Betriebe war die Zuweisung von Rüstungs(zuliefer)aufträgen überlebenswichtig, denn Betriebe, die gar nix Kriegsverwertbares herstellten und auch nicht auf solche Erzeugnisse umgestellt werden konnten, wurden in der Regel geschlossen, und die Arbeiter mußten an die Front ...
Angeblich wurde ja die zivile Fahrradproduktion in Deutschland ebenfalls 1943 eingestellt, und alle dann noch hergestellten Fahrräder gingen an die Wehrmacht, die Luftwaffe und an Behörden (z.B. für Luftschutz-Melder) - so ganz scheint das aber auch nicht zu stimmen, so weit ich weiß, da gab es wohl Ausnahmen, zumindest für den devisenträchtigen Export.

Zu Rabeneick: Der Fachreferent unseres Vereins Historische Fahrräder e.V. für die Bielefelder Fahrradindustrie, Michael Mertins (MM), hat für unsere Vereinszeitschrift "Knochenschüttler" (Heft 30, 1/2004) ein Interview mit Martin Rabeneick (MR), dem Sohn des Firmengründers August Rabeneick geführt, aus dem ich hier mal drei Passagen zitieren möchte (wer es ganz lesen möchte, müßte Vereinsmitglied werden, um den "Knochenschüttler" zu bekommen :)).

"MM: Ihr Vater, August Rabeneick, kam erst auf Umwegen zu einer eigenen Fahrradfertigung. Können Sie kurz die Umstände schildern, wie sich die Produktion der Rabeneick-Räder ergab ?
MR: Mein Vater führte ab Anfang der 20er Jahre eine kleine Fabrik für Polier- und Schleifscheiben in Bielefeld und handelte dazu mit galvanischen Produkten. Folglich gehörten verschiedene Fahrradfabriken zu seinen Abnehmern. Als Ende der 20er Jahre ein Fabrikant seinen Zahlungen nicht nachkommen konnte, bot dieser ihm als Kompensation eine Beteiligung an der Fahrradfabrik an (Anmerkung: Heinrich Wehmeyer, bekannt unter der Marke HAWE). Über diesen Umweg kamen wir Rabeneicks mehr ungewollt in die Fahrradbranche. Hauptgeschäft blieb aber für weitere Jahre die Produktion von Polier- und Schleifscheiben und der Handel mit Galvano-Produkten. Nur nebenbei wurden Fahrräder konfektioniert und verkauft. Den Konkurs des Partners Wehmeyer 1935 konnte mein Vater nicht verhindern. Er war sehr unzufrieden mit dieser Entwicklung, brach alle Zelte in Bielefeld ab und verlegte den Betrieb auf die andere Seite des Teutoburger Waldes nach Brackwede, wo er schon immer privat wohnte. Die Geschäfte u. a. in Rädern liefen dann sehr erfolgreich an. 1938 konnte der Bau des großen Werkes beginnen, um so richtig in die Fahrzeugproduktion einzusteigen. Ungefähr 15 Jahre später arbeiteten bereits mehr als 700 Arbeiter und Angestellte in den Werkshallen und Büros [...].
[...]
MM: Die Firma Rabeneick besaß eine große Fertigungstiefe bei Fahrrad-, Moped- und Motorradkomponenten. Hatte das bestimmte Gründe?
MR: Mein Vater legte einen hohen Qualitätsanspruch an die Fahrzeuge, die unser Werk verließen. Was andere zulieferten, war ihm oft nicht präzise genug gearbeitet. Außerdem wollte er von anderen Zulieferern unabhängig sein. Konsequenterweise richteten wir uns technisch so ein, alles bis auf Sättel, Reifen, Speichen, Scheinwerfer, Rücklichter und Dynamos selber herzustellen. Den Arbeitern und Arbeiterinnen stand ein recht moderner Maschinenpark mit Drehautomaten, Blechpressen, Stanzen usw. zur Verfügung. Alle Arten Lenker, Aufstiege, Gepäckträger, Kunststoffgriffe, Schutzbleche, Felgen, Naben und sogar Einschraublager und Kettenschaltungen wurden hier gefertigt. Das wäre heute undenkbar - damals ermöglichten das u. a. Stundenlöhne von nur 60 bis 70 Pfennig.
[...]
MM: Ist Ihnen eigentlich bekannt, wieviele Räder mit dem "R" am Lenkkopf das Werk verließen?
MR: Leider sind in den 70er Jahren nach der Übernahme des Werkes durch Fichtel & Sachs sehr viele Unterlagen vernichtet worden. Wir verlegten uns notwendiger Weise auf das Kupplungs-Recycling. Die Fahrradproduktion in Brackwede wurde 1964/65 eingestellt zu Gunsten der Hercules-Räder, die weiterhin in Nürnberg gebaut wurden. Unser Blick war ausschließlich auf die Zukunft gerichtet. So sind fast alle Zweiradunterlagen in die Abfallmulden gewandert. Die genaue Zahl der gefertigten Räder ist mir nicht bekannt - es dürften aber über 800.000 gewesen sein. Die monatliche Fertigung lag in schlechten Zeiten bei 3.500, in guten Zeiten bei 8.000 Stück. [...]"

Und dann sagt der Herr Rabeneick noch was zur Genese der Rabeneick-Campagnolos, und zum Rabeneick-Rennstall, aber das gehört ja jetzt nicht zum Thema, und dieser Beitrag ist eh' schon viel zu lang ... :dope:
 
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Wobei in Kregszeiten Metall Mangelware und kriegswichtig gewesen sein dürfte und ohne gute Beziehungen geht da dann nichts. Man mag aber auch nicht vergessen, dass wir im Nachhinein als aufgeklärte Spätgeborene einen anderen Blick haben als die Deutschen zu jener Zeit. Es rollte eine Propagandawelle die sicher nicht von jedem durchschaut wurde. Es brauchte schon einiges an Medienkompetenz UND an Nonopportunismus um sich dem entgegenzustellen.

Das soll keine Entschuldigung sein, aber nicht jeder der Fahrräder herstellt ist auch politisch bewusst und interessiert.
 
AW: Zeig her, deine(n) Klassiker!

Wobei in Kregszeiten Metall Mangelware und kriegswichtig gewesen sein dürfte und ohne gute Beziehungen geht da dann nichts. Man mag aber auch nicht vergessen, dass wir im Nachhinein als aufgeklärte Spätgeborene einen anderen Blick haben als die Deutschen zu jener Zeit. Es rollte eine Propagandawelle die sicher nicht von jedem durchschaut wurde. Es brauchte schon einiges an Medienkompetenz UND an Nonopportunismus um sich dem entgegenzustellen.

Das soll keine Entschuldigung sein, aber nicht jeder der Fahrräder herstellt ist auch politisch bewusst und interessiert.

Ich wollt auch nicht moralisieren, es war die pure Neugier, angestoßen vom Rabeneik (KDM Jan.) im Nachbarforum.

Gruß Reisberg
 
Vicenza meets Brackwede ...

... wäre aber nichtsdestotrotz hochinteressant... ;)
Gruß, uglyripper
Na ja, an sich ist es ganz einfach, die Sache ist nämlich so abgelaufen, wie der kleine Moritz sich das vielleicht vorstellt: Der August und der Tullio waren beide Qualitätsfanatiker und konnten miteinander, und deshalb ging da was ... :D
Hier das entsprechende Zitat aus dem Interview von Michael Mertins mit Martin Rabeneick:

"MM: In unseren Sammlerkreisen ist das Rabeneick-Campagnolo ein Begriff. Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit "Campa"?
MR: Mein Vater und Tullio Campagnolo hatten sich irgendwo bei den Radsportveranstaltungen der fünfziger Jahre kennen und schätzen gelernt. Beide waren etwa der gleiche Jahrgang und hatten ähnliche Vorstellungen von einem Qualitätsrad bzw. Qualitätsteil. 1956 bekamen wir das Recht, den Markennamen "Campagnolo" für unser Top-Rennsportmodell zu verwenden. Einer unserer Mitarbeiter, er hieß Jakubowski, war wegen seiner italienischen Mutter prädestiniert, die Italiengeschäfte logistisch abzuwickeln. Mit dem Lieferwagen schaffte er die edlen Teile direkt vom Werk in Vicenza nach Brackwede.
Überhaupt waren in diesen Jahren italienische Fahrradkomponenten angesagt. Wir verwendeten zum Beispiel Ziermuffen von Agrati. Das waren diese hauchdünnen durchbrochenen Teile zur optischen Aufwertung der Rahmenverbindungen. Aber auch Lenker von Ambrosio und dünnwandige Libellula-Rohre wurden bei den Sportmodellen verarbeitet.
Um das Modell "Campagnolo" auch äußerlich von anderen abzuheben, experimentierten wir mit Lasurfarben auf verchromten Rahmenteilen. Obwohl die Chrompartien durch eine Säurebehandlung für den Lasurlack vorbehandelt waren, hielt dieser nicht so lange, wie wir es uns erhofft hatten. Ihre Vereinsmitglieder, die Besitzer eines solchen Rades sind, werden dieses Manko kennen."

So einfach ist die Welt ... :)
 
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Seeehr,

schön Bridge, solche Geschichten liest man mehr als gerne... :love:

verschmöckerte Grüße

Martin
 
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Nur mal ned übertreiben mit er Political Correctness, das arme Radl, oder auch der arme Rabe, kann ja nix dafür. Rabenick steht jetzt ja nicht im Verdacht Rüstungsgüter produziert zu haben. Wenn einer was darüber weiss oder in Erfahrung bringen kann, dann ja wohl der Brückenstein. Mir ist jetzt nix bekannt von Enteignungen und Arisierungen namhafter Fahrradhersteller. Und Bielfeld war ja der Radlstandort damals, da müsste man mal in der Stadtgeschichte schnüffeln. Im Widerstand waren die Fabrikanten andererseit damals wohl auch nicht.
Opel-Räder gingen ja in den 30ern in NSU auf, Opel blieb aber gleichzeitig bestehen.
Irgendwie schiessen wir da über das Ziel hinaus. Ich denke mal, Fahrräder galten als eher weniger kriegswichtig, da brauchte man eher was mit nem dicken Diesel, Panzerplatten und einer Wumme oben drauf. Dazu kommt, dass ein durchschnittlticher Radl-Hersteller typischerweise ein kleiner Mittelständischer Betrieb war, mit ein paar hundert Angestellten, wenn es hoch kam, und damit kaum als Schlüsselindustrie galt, die das Regime hofierte.
Es mag durchaus sein, dass der eine oder andere Firmeninhaber eng mit den Autoritäten gekuschelt hat, oder sich der Symbolik der jeweiligen Machthaber bedient hat, um sein Zeug besser zu vermarkten, (Die Bremsen vom Learco sind auch von "Ballila", der Begriff ist ja auch eher negativ geprägt) aber ich leite daraus keine Verpflichtung ab, diese Produkte heute noch zu boykottieren. Da müßte ich eher bei schwäbischen Automobilbauern oder div. Stahlproduzenten anfangen.

ps: War die Woche in Bielefeld/Gütersloh und hab mir extra ein Hotel im Stadtteil Brackwede ausgesucht (weshalb mich meine Kunden für irre erklärt haben). Das alte Rabeneick-Werk habe ich aber nicht aufgesucht (war zu kalt...), da scheint jetzt lt. Wikipedia ZF-Sachs drin zu fertigen. Aber es gibt ein Stadtarchiv und eine landesgeschichtliche Bibliothek in Bielefeld, und in Brackwede selber das "Heimathaus" -> http://www.brackwede.de/theme10.htm mit Heimatarchiv
 
AW: Zeig her, deine(n) Klassiker!

ps: War die Woche in Bielefeld/Gütersloh und hab mir extra ein Hotel im Stadtteil Brackwede ausgesucht (weshalb mich meine Kunden für irre erklärt haben). Das alte Rabeneick-Werk habe ich aber nicht aufgesucht (war zu kalt...), da scheint jetzt lt. Wikipedia ZF-Sachs drin zu fertigen. Aber es gibt ein Stadtarchiv und eine landesgeschichtliche Bibliothek in Bielefeld, und in Brackwede selber das "Heimathaus" -> http://www.brackwede.de/theme10.htm mit Heimatarchiv

Gibs zu, du bist Teil einer globalen Verschwörung, behauptetst Du doch in Bielefeld gewesen zu sein obwohl wir doch als gebildete Internetuser alle wissen dass es Bielefeld gar nicht gibt.:aetsch:
Die Bielefeldverschwörung
 
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Irgendwie schiessen wir da über das Ziel hinaus. Ich denke mal, Fahrräder galten als eher weniger kriegswichtig, da brauchte man eher was mit nem dicken Diesel, Panzerplatten und einer Wumme oben drauf. Dazu kommt, dass ein durchschnittlticher Radl-Hersteller typischerweise ein kleiner Mittelständischer Betrieb war, mit ein paar hundert Angestellten, wenn es hoch kam, und damit kaum als Schlüsselindustrie galt, die das Regime hofierte.
Fahrräder galten tatsächlich als weniger kriegswichtig, obwohl ihre Bedeutung als "Massentransportmittel" im Verlauf des Krieges wegen des zunehmenden Treibstoffmangels und der zunehmenden Zerstörungen der sonstigen Infrastruktureinrichtungen eher zu- als abnahm. Aber darum geht es auch gar nicht - es geht eher darum, klar zu stellen, dass es in einem totalitären System, das einen langfristig vorbereiteten Angriffskrieg führte (bei dem es die Stärke der Angegriffenen unterschätzt hatte), in der zweiten Hälfte des Krieges, als sich die Niederlagen häuften und der Krieg in Form der alliierten Bombardements zurück nach Deutschland kam, keine "Nischen" geben konnte, in denen jemand unschuldig und weltvergessen vor sich hin produzierte, ohne irgend etwas mit dem laufenden Weltenbrand zu tun zu haben. Vor allem ab 1943, als die deutsche Kriegswirtschaft vom Staat wegen der zu geringen Effizienz der Rüstungsproduktion "an die Kandare genommen" wurde, muss man sagen, dass jeder Unternehmer in der einen oder anderen Form am Krieg beteiligt war, teils freiwillig, teils unter Zwang, teils direkt in der Rüstungsproduktion, teils in der Zulieferindustrie (die in einem hoch arbeitsteiligen Produktionsregime natürlich auch immens wichtig war - wenn da ein kleines Preß-, Stanz- oder Drehteilchen für einen Bombenzünder, für einen Flugzeugkompaß oder für die Einspritzpumpe des von Dir erwähnten "dicken Diesels" nicht geliefert werden konnte, beeinträchtigte das auch ganz direkt die Herstellung der entsprechenden Kriegsgeräte), teils in der Stützung der seinerzeit so genannten "Heimatfront", die ganz zu recht als "kriegsentscheidend" betrachtet wurde (siehe auch die "Dolchstoß"-Legende des Ersten Weltkriegs, demzufolge "die Heimat" "der Front" in den Rücken gefallen sei und so die Niederlage verursacht habe). Das Wort vom "totalen Krieg" fiel erst 1944, beschreibt aber die Zielvorstellung der Nationalsozialisten ab 1943 schon recht genau.

Es mag durchaus sein, dass der eine oder andere Firmeninhaber eng mit den Autoritäten gekuschelt hat, oder sich der Symbolik der jeweiligen Machthaber bedient hat, um sein Zeug besser zu vermarkten ...
Es ist nun inzwischen wissenschaftlich sehr breit und tiefgehend nachgewiesen, dass breite Kreise der deutschen Industrie schon sehr früh den Aufstieg der Nationalsozialisten finanziell gefördert und dadurch überhaupt erst ermöglicht haben; es ist ebenso zweifelsfrei erwiesen, dass große Teile der deutschen Industrie nach den schweren Jahren der Weltwirtschaftskrise von der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Nationalsozialisten sehr profitiert haben, durch die Zerschlagung der Gewerkschaften, die Ausschaltung ausländischer Konkurrenten, durch die Enteignung und Vertreibung jüdischer Unternehmer, durch die kriegsvorbereitende Aufrüstung (die begann sofort nach der Machtergreifung 1933), durch geförderte Rüstungsforschung etc. pp. - da wurde klotzig Geld verdient, die Wirtschaft florierte, und das Einverständnis der Unternehmer (wie der meisten anderen Deutschen auch) mit dem NS-Regime und seiner Politik war durchschnittlich sehr hoch. Viele Industrielle traten 1933 in die NSDAP ein, weil sie zu Recht davon ausgingen, dass es dem Geschäft nützen würde - stellvertretend seien hier mal nur Wilhelm von Opel oder Willy Sachs (Fichtel & Sachs) genannt (Willy Sachs war später auch in der SS).
Mit der Symbolik des NS-Systems haben im Dritten Reich fast alle "gespielt", wie Du schreibst - ein "markiger Ton" und die Verwendung martialischer Symbole sind in den Anzeigen der Kriegszeit unübersehbar. Man kann also schon sagen, dass die deutsche Industrie - und zwar die großen wie die kleinen Unternehmer und Unternehmen - oft bis zum Kriegsende den Nationalsozialismus mit seinen Konsequenzen bejaht und unterstützt hat, sei es aus Überzeugung, sei es aus wirtschaftlichen Motiven.
Zwar gab es natürlich auch immer Ausnahmen, insofern kann "alle" in diesem Zusammenhang nicht gerechterweise auch zugleich "jeder" bedeuten, aber für eine Verharmlosung gibt es andererseits wirklich auch keinen Grund.
Ich schreibe das so deutlich, weil nun wiederum eben das Leugnen, das Verharmlosen, die behauptete Unkenntnis und natürlich die prinzipielle Nichtbeteiligung am NS-System und der Kriegswirtschaft zwischen 1945 und mindestens 1980 in der deutschen Industrie sozusagen den Standard darstellten, wie man an den Firmenfestschriften dieser Zeit sehen kann: Man war an allem unschuldig und unbeteiligt, hat nur so systemfern vor sich hin produziert, wußte nichts von Kriegsvorbereitungen und Judenverfolgungen, hat die 1930er Jahre als "ganz normale" Zeit erlebt, in der es aufwärts ging - und plötzlich kamen da die bösen allierten Bomber und zerstörten einem die Anlagen, unglaublich !! Wie viele andere Deutsche sah sich die Industrie nach den Zerstörungen durch Luftangriffe ab 1942/43 ausschließlich als Opfer böser Mächte, als unschuldig verfolgt an. Diejenigen westdeutschen Rüstungsbetriebe, deren Produktionsprogramm zwischen 1939 und 1945 allzu eindeutig aus Kriegsgütern bestanden, ließen die entsprechende Epoche in ihren Festschriften oft gleich ganz aus, oder reduzierten sie auf dünne wirtschaftliche und technische Zahlen - wenn man heute eine größere Anzahl von zeitgenössischen Firmen-Selbstdarstellungen durchschaut, fragt man sich wirklich oft, ob der Zweite Weltkrieg tatsächlich stattgefunden hat, und wenn ja, wer ihn auf deutscher Seite geführt bzw. unterstützt hat (ganz zu schweigen von der Frage, was eventuell die Alliierten dazu gebracht haben könnte, dann plötzlich Bomben auf dieses unschuldige Land zu werfen ...). Ähnlich läuft es übrigens bis heute in Italien und anderen europäischen Ländern; auch in der DDR wurde die Mitschuld verdrängt bzw. "ausgelagert": da waren es halt die bösen Kapitalisten/Imperialisten, die das faschistische Regime installiert und den Krieg gewollt hatten, während die Arbeiterklasse selbstverständlich unschuldig und friedliebend gewesen war.

... aber ich leite daraus keine Verpflichtung ab, diese Produkte heute noch zu boykottieren. Da müßte ich eher bei schwäbischen Automobilbauern oder div. Stahlproduzenten anfangen.
Das verlangt ja auch niemand von Dir, und es wäre wohl auch in der Praxis schwierig durchzuhalten ... Außerdem bringt es natürlich nichts, denn Geschichte läßt sich nicht rückwärtswirkend ändern. Aber dass es einen andererseits bei Produkten aus der Zeit von 1933-1945 eventuell schon mal etwas gruseln kann, auch, wenn sie vordergründig "harmlos" wirken, ist hingegen sicher kein Ausdruck von Hysterie - wir haben doch in den vergangenen Jahren zu genau erfahren, wie die Dinge wirklich lagen, und in welchem Kontext alles, was aus dieser Zeit stammt, zu sehen ist. Es ist auf jeden Fall gut, sich der Zeitumstände bewußt zu sein, und sich immer klar zu machen, dass es in einem totalitären System nichts Unbelastetes geben kann, und es ist nötig, gerade weil große Teile der Kriegsgeneration das Unrecht jener Jahre und ihren jeweiligen persönlichen Anteil daran jahrzehntelang überwiegend beschwiegen wissen wollten. Vor nicht allzu langer Zeit konnten ja sogar gebildete Menschen noch im gepflegten Partygespräch äußern, dass das, was der Hitler da mit den Juden gemacht habe (er allein, versteht sich - Helfer hatte er da ja keine ...), natürlich schrecklich gewesen sei, aber dass man ihm doch auch zu Gute halten müsse, dass er den Leuten Arbeit gebracht und die Autobahnen gebaut habe (das habe ich noch in den mittleren 1980er Jahren erzählt bekommen, von Leuten, die sicherlich eher keine Nazis waren).
Das alles würde mich aber auch nicht daran hindern, ein 1942er Rabeneick zum Klassiker des Monats oder des Jahres zu wählen - ich finde, man darf nichts verharmlosen, sollte aber Gegenstände auch wiederum nicht moralisch aufladen - wir werden unsere Geschichte weder durch Beschweigen, noch durch Dämonisierung bewältigen, sondern nur durch Klarheit und Wahrheit.
 
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Dies ist nicht nur ein Deutsches Problem, die Rolle der Industrie in der NS Zeit. Die ganze ersten Seiten der Google Hits für SHV (Steenkolen Handelsvereniging) der Familie Fentener van Vlissingen erwähnt z.B. gar nichts über die Rolle dieser Firma, höchstens deren düstere Rolle in der Unterstützung des Apartheidsregimes. Wenigstens kann man in Deutschland sagen dass es mehr Informationen gibt über die Rolle der Industrie in den Kriegsvorbereitungen/produktion.
 
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Das war wohl ein gesamtgesellschaftliches Versagen, bedenkt man dass z.B. Zwangsarbeiter auch schon in vielen Familien/Bauernhöfen arbeiten mussten, kann man sich sicher vorstellen, dass nicht nur die "Großen" Dreck am Stecken haben.

Na wie dem auch sei, ich poste mal nur als Erfrischung noch ein Bild von einem Mitte-Achtziger - Viertel oder Halbklassiker:
 
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Das war wohl ein gesamtgesellschaftliches Versagen, bedenkt man dass z.B. Zwangsarbeiter auch schon in vielen Familien/Bauernhöfen arbeiten mussten, kann man sich sicher vorstellen, dass nicht nur die "Großen" Dreck am Stecken haben.
Auf jeden Fall, ja - wobei man aber auch sagen muss, dass die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen seinerzeit relativ beschränkt waren, und die Informationen, die man so als "Normalmensch" zur Verfügung hatte, ebenfalls (was natürlich keine Ausrede für moralisch zweifelhaftes Verhalten sein soll).
Abgesehen davon bin ich mir durchaus nicht so sicher, ob ich seinerzeit als junger Mensch nicht doch auch verführbar gewesen wäre, und mich z.B. nicht von der Technikbegeisterung, die die Nazis sehr forciert haben, hätte anstecken lassen ... :cool:

Na wie dem auch sei, ich poste mal nur als Erfrischung noch ein Bild von einem Mitte-Achtziger - Viertel oder Halbklassiker:
Gefällt mir, bis auf das radial gespeichte Vorderrad ... ;) Das Rad müßte aber eigentlich etwas älter sein als 1985, wenn ich das richtig sehe, denn Motobécane ging ja 1984 in Konkurs, und meines Wissens hießen die Räder ab dann immer nur noch "MBK".
Geht das mit der Kettenspannung so noch, oder macht sich der Durchhang beim Fahren bemerkbar ?
 
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Dies ist nicht nur ein Deutsches Problem, die Rolle der Industrie in der NS Zeit. ... Wenigstens kann man in Deutschland sagen dass es mehr Informationen gibt über die Rolle der Industrie in den Kriegsvorbereitungen/produktion.
Auf jeden Fall, ja - da ist in den letzten Jahrzehnten enorm viel passiert, es ist viel geforscht und publiziert worden, und die jüngere Generation hat auch von ihren Großeltern mehr erfahren können (während sich die 68er noch am Schweigen der Väter abgearbeitet haben). Im europäischen Vergleich ist der deutsche Umgang mit der NS-Zeit und dem Krieg sicherlich nicht so schlecht zu beurteilen - andere Länder wie Frankreich oder Österreich haben erst vor wenigen Jahren angefangen, darüber nachzudenken, dass es vielleicht bei ihnen seinerzeit doch nicht nur Opfer (der Deutschen) und Widerständler (gegen die Besatzung) gegeben haben könnte ...
 
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Gefällt mir, bis auf das radial gespeichte Vorderrad ... ;) Das Rad müßte aber eigentlich etwas älter sein als 1985, wenn ich das richtig sehe, denn Motobécane ging ja 1984 in Konkurs, und meines Wissens hießen die Räder ab dann immer nur noch "MBK".
Geht das mit der Kettenspannung so noch, oder macht sich der Durchhang beim Fahren bemerkbar ?

Ist gut möglich, dass es noch vom Anfang der 80iger stammt, der Rahmen steht in ähnlicher Form beim Grand Jubilee noch im 84er Katalog, ist zwar auch Inexternal aber nicht der gleiche Aufkleber und denke mal nur verchromt, das Mirage von 84 ist da schon oder noch anders: http://equusbicycle.com/bike/motobecane/images/motobecane0004.jpg


Ich denke das mit der Kettenspannung wird überbewertet, gerade bei der großen Übersetzung 16/46 ist extremes Skidden sowieso schlecht möglich. Ich warte bis die Kette noch ein wenig ausgenudelt ist und dann kommt kurzerhand ein 18er Ritzel drauf. Unterschiede im Ansprechverhalten fallen mir zwischen meinem etwas hängenden "Vertikalfixie" und dem "Horizontalfixie" nicht auf, das hat Kettenbedingt sowieso immer etwas Spiel.
 
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Im europäischen Vergleich ist der deutsche Umgang mit der NS-Zeit und dem Krieg sicherlich nicht so schlecht zu beurteilen - andere Länder wie Frankreich oder Österreich haben erst vor wenigen Jahren angefangen, darüber nachzudenken, dass es vielleicht bei ihnen seinerzeit doch nicht nur Opfer (der Deutschen) und Widerständler (gegen die Besatzung) gegeben haben könnte ...

Da ist noch viel Neuland. Viele alte Bücher/altes Wissen ist von den internen Spannungen im Land sehr beëinflusst, in Belgien z.B. das Bild von Wallonien als Widerstandsnest und Flandern als Helfer. Oder in den Niederlanden das Bild das es in Limburg fast keinen Widerstand gab. (War einerseitz schlecht sichtbar für die Niederländische Förscher weil teil vom Belgischen Widerstand, anderseitz nicht im Bewaffneten Widerstand sondern in der Pilotenlinie.).
Nur in der letzten Zeit ist ernsthaft recherchiert uber z.B. Hirschfeld, vor dem Krieg, wàhrend dem Krieg und nach dem Krieg einer der wichtigsten Wirtschafftsbeambten in den Niederlanden.
 
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Hallo, ich bin hin und her gerissen.
Die Diskussion hat ein hohes Niveau - und muß und darf geführt werden. Aber hier? Es hat sich halt wohl ergeben, wenn man über Räder aus der Zeit spricht.
Trotzdem, das ist ein Thread, in dem man anderer Leute Schätze sehen und sich dran freuen kann. Weltanschauliche, historische und politische Debatten sind etwas ganz anderes und haben einen anderen Ort nötig.
Das getraue ich mich, der ich alles andere als unpolitisch bin, anzumerken.
 
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