AW: Gabelbruch bei Peugeot PRO10
Darf ich bei der Gelegenheit mal eine - tatsächlich sehr unbedarfte - Frage stellen?
Warum gerade Peugeot ?
Ist das Zufall, dass hier so viele Liebhaber der Marke vertreten sind, oder haben die alten Peugeots wirklich so etwas Magisches an sich?
[...]
Jedoch waren in meiner Jugendzeit Peugeots (und Motobecane) imagemässig die unterste Kategorie - und meist mit grauenvollen Komponenten ausgestattet. [...]
Bitte erklärt mir mal die Zusammenhänge.
Ich sehe ja durchaus selber, dass Peugeot auch mal DEUTLICH bessere Räder gebaut hat, mit schönen Muffen und gravierter Gabel usw.
Ich würde mich gar nicht unbedingt zu den Liebhabern dieser Marke zählen (seinerzeit - in der ersten Hälfte der 1980er Jahre - habe ich sie vor allem wegen der proprietären französischen Gewinde sogar abgelehnt), finde aber, dass sie bis mindestens Mitte der 1980er Jahre durchweg in allen Preisklassen mindestens "saubere" und "ehrliche" Fahrräder angeboten haben, die man wirklich nicht als Müll bezeichnen kann. Das wird vor allem im Vergleich zur zeitgenössischen Konkurrenz klar. Motobécane hat immer eher auf optische Effekte gesetzt - z. B. nur eingeprägte Pseudo-Lenkkopf-Muffen oder aus PVC gespritzte Pseudo-Leder-Lenkerummantelungen, während die Qualität auch in den frühen 1980er Jahren bei den meisten Modellen nicht doll war. Zudem hatten sie eigenartige Rahmengeometrien mit meistens recht steil stehendem Lenkkopf, die die Räder häßlich machten und sich wohl (wie ich auch heute immer mal wieder höre bzw. lese) auch nicht gut fahren. Bei Peugeot stimmten hingegen die Geometrien in der Regel, so dass die Räder gut fahrbar waren, die Fahrräder waren insgesamt durchdacht konstruiert und boten immer eine gewisse verläßliche Qualität. Ich würde mal vorsichtig sagen wollen, dass Peugeots von Leuten konstruiert wurden, die wirklich Ahnung von bzw. Interesse an Fahrrädern hatten - das war in den 1970er und 1980er Jahren durchaus nicht die Regel, was deutlich wird, wenn man sich die billigen deutschen Kaufhaus-(Renn-)Sporträder dieser Zeit anschaut, bei denen die Rahmengeometrien offenbar häufig völlig beliebig gewählt wurden, und die Differenzierung zwischen unterschiedlichen Fahrradtypen nur über die Ausstattung und die Benennung erfolgte ... Auch bei den Rahmengrößen war die Auswahl meistens sehr beschränkt - deutsche Räder wurden sogar oft nur in einer "Einheits-Größe" angeboten, und große Fahrer hatten große Schwierigkeiten, Fahrräder mit großen Rahmen zu bekommen - bei Peugeot gab es die serienmäßig im Katalog.
Noch deutlicher wird die "Güte" der Peugeot-Räder (... und ja: es ist mir bewußt, dass wir hier in einem Thread diskutieren, in dem es um eine gebrochene Peugeot-Gabel geht ...

) im Vergleich zu den seinerzeit massenhaft vorkommenden deutschen Billigrädern aus westdeutscher (Bielefelder Raum) Produktion. Deutsche Billig-(Renn-)Sporträder hatten schlecht gelötete Rahmen, aus deren Muffenverbindungen oft schon nach kurzer Zeit die "Rosttränen" liefen (natürlich auch, weil am Lack gespart wurde) - Peugeots waren in der Regel immer sauber verlötet und gut lackiert; deutsche Billig-Sporträder hatten häßliche punktgeschweißte Pletscher-Platten (die oft schon beim scharfen Angucken abbrachen ...

) und oft nur plattgequetschte Strebenabschlüsse - Peugeot hatte immer ordentliche gelötete Querstege, und eine Ständerplatte nur zusätzlich dazu; deutsche Billig-Sporträder hatten aluplattierte Stahlschutzbleche - Peugeot hatte Edelstahlbleche; deutsche Billig-Sporträder hatten wackelige, schlecht verchromte Drahtgepäckträger mit Federklappe und geringer Ladekapazität, die an den Befestigungspunkten oft abbrachen - Peugeot hatte stabile gut verchromte Gepäckträger mit integriertem Spanngummi, die solide mit dem Rahmen verbunden waren usw. usf. Dazu kamen intelligente Detaillösungen (wie die Innenklemmung des vorderen Schutzblechs) und z. B. die für die Zeit relativ guten MAFAC-
Bremsen.
Wer außerdem die Verarbeitungsqualität französischer Autos der 1960er bis 1980er Jahre kennt, weiß auch, dass ein solches gleichmäßig hohes Qualitätsniveau über die gesamte Produktpalette hinweg bei technischen Produkten aus Frankreich eher die Ausnahme als die Regel war ...

Zudem fand ich das sehr spezifische Produktsortiment von Peugeot, also die Kombination von Fahrrädern, Autos und hochwertigen Pfeffermühlen-Mahlwerken schon immer in gewisser Weise sehr apart ...
Dazu kommt, dass Peugeot bis (mindestens) 1986 eine "echte" Marke war, also der tatsächliche und ursprüngliche Hersteller der Räder unter diesem Namen, während in Deutschland im Billigsegment die Phantasie-Namen und die reinen "Aufkleber-Marken" dominierten, hinter denen längst nicht mehr die renommierten Unternehmen standen, die diesen Marken ursprünglich ihren Wert und ihre Bedeutung gegeben hatten - das war überwiegend Fake und Kundentäuschung (von Ausnahmen wie Hercules abgesehen, die ja aber eher im mittleren Preissegment unterwegs waren), während Peugeot real und reell war.
Und auch das Design der Peugeot-Fahrräder hat mir bis zu den psychedelischen Farb-Exzessen der End-80er und frühen 90er Jahre meistens gut gefallen - tendenziell immer geschmackvoll, eher klassisch als modisch, trotzdem zeitgemäß - da hatten sie schon ein gutes Händchen, meine ich.
Dass Peugeot auch wirklich hochwertige Räder hergestellt hat, wußte ich lange Zeit gar nicht; es wundert mich zudem natürlich nicht, dass der Ruf bzw. die Wertschätzung dieser Maschinen unter dem "Billigimage" der vielen, vielen preiswerten Peugeots mit (scheinbar) identischem Aussehen leiden und vielleicht immer schon gelitten haben ...