2. Fall
Ich war alleine auf einer meiner flachen 50 km Trainingsrunden. Nach 20 km geht es durch eine Stadt. Über 400 m liegt die Route auf einer engen gewunden Einbahnstraße. Wenn man dort zwischen 30 und 40 km/h fährt, schwimmt man gut im Autoverkehr mit. Autos, die dort überholen, haben keinen Gewinn außer den 1,7 m die zwischen Deinem Hinterrad und Vorderrad liegen. Darum fahre ich diesen Abschnitt immer in der Fahrbahnmitte, damit Autofahrer erst gar nicht in Versuchung geraten, mich zu überholen und in den Kurven gegen den Fahrbahnrand mit den Gullys zu drücken.
Hinter mir war ein Golf, der knapp auffuhr, um zum Überholen anzusetzen. Ich nahm reichlich Seitenabstand und es hupte. Ich schüttelte den Kopf. Der Fahrer schaltete einen Gang zurück und ließ den Motor aufheulen. Ich fuhr unbeeindruckt weiter. Noch 200 m, und es geht in einer Kreuzung rechts weg, dann hat er mich nicht mehr vor sich, dachte ich mir. Es war Sonntag Nachmittag. Der Zeitpunkt zu dem jede Sekunde zählt zwischen Kaffeetrinken bei der Schwiegermutter und der Sportschau.
In der Kurve, es handelt sich um eine lichtzeichengeregelte Kreuzung mit Fußgängerüberweg, fuhr der schwarze Golf mit quietschenden
Reifen an mir vorbei und wurde dabei auf die Gegenfahrbahn getragen. Er hatte danach ca. 400 m freie Fahrt, bis er wieder
bremsen und im Sonntagnachmittag stop and go stecken musste. Das heißt, der Fahrer sah mich im Rückspiegel kommen, und ca. 40 sec. nach der Kurve links zum Mittelstreifen wechseln, um an ihm vorbeizufahren. Er gab kurz Gas und nutzte den Abstand zu seinem Vordermann um sein Fahrzeug schräg in die Fahrspur zu stellen. Das war nicht lustig, denn ich war dadurch gezwungen, auf die Gegenfahrbahn auszuweichen, und da kam mir einer entgegen! Beim Vorbeifahren muss ich mit der rechten flachen Hand bei gestrecktem Arm irgendwie an seinen linken Außenspiegel geraten sein, denn der flog plötzlich im Bogen weg und zerschellte auf dem Aspahlt.
Ich musste auch noch am nächsten Fahrzeug vorbei und konnte dann aber wieder nach rechts einscheren. Rechtzeitig bevor ich auf der Motorhaube des Entgegenkommenden landete.
Wenige Augenblicke später war der schwarze Golf an mir vorbei und schnitt mir den Weg, diesmal nach rechts zu einem Grünstreifen. Nach einer Crosseinlage kam ich zum Halten und Stehen, und hinter mir ein Motorrad.
Wir waren dann zu viert: Der Fahrer des schwarzen Golfes, seine Freundin als die Halterin des schwarzen Golfes, der Motorradfahrer und ich.
Der Motorradfahrer hatte sich sofort als Zeuge angeboten, was wohl erstens nicht selbstverständlich ist, zweitens noch seltener vorkommt, aber drittens sicher damit zu erklären ist, dass er auf einschlägige Vorerfahrungen zurückblicken musste. Ich selbst habe den I-er Führerschein seit 29 Jahren, aber nie ein Motorrad besessen, denn sonst könnte ich das hier vermutlich nicht schreiben, weil ich tot oder zumindest vom Hals ab gelähmt wäre?
Am nächsten Tag ging ich zur Polizei und ließ mich beraten, ob die Reihenfolge von Belang sei, wenn ich erst eine Gegenanzeige machte auf eine eventuelle Anzeige des Golf-Fahrers hin. Der POM sagte mir, dass das keinen Unterschied mache.
Ich beließ es dann ohne Anzeige, denn kleine Sünden straft der Herr ja sofort und der Fahrer durfte bestimmt nie wieder den Golf der Freundin benutzen...