Rennrad-News

Interview – vom Rennrad aufs E-Rennrad im Alter
„Die totale Erschöpfung ist weg“

Wie fühlt sich das an, wenn man nach 39 Jahren aktivem Rennrad-Sport auf das E-Rennrad umsteigt? Was sagt die Rennradgruppe dazu? Dieter, 79 Jahre aus der Nähe von Bad Kreuznach, hat uns diese Fragen und noch einige mehr beantwortet. Denn nach langer Rennradvereins-Geschichte mit vielen RTF und Marathon-Teilnahmen hat er jetzt schon die ersten E-Rennrad Gran Fondos hinter sich. Im Interview erzählt er, was der Wechsel gebracht hat.

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Dieter ist 79 Jahre alt und fährt Rennrad, seitdem er 40 Jahre alt ist. Er hatte sich damals mit einem KFZ-Betrieb selbständig gemacht und einen Ausgleich gebraucht, um sich „auszupowern“. Sein Fokus lag auf Touren am Wochenende und auch auf Rennrad-Marathons. Er war aktives Mitglied im lokalen Rennradverein und ist auch regelmäßig bei Radtouristikfahrten (kurz: RTF – hier zu unserem RTF-Glossar) an den Start gegangen. Mit Wohnort nahe Kreuznach haben ihn seine Touren regelmäßig bis nach Koblenz, Mainz, durch Rheinhessen und auch bis Worms gebracht, die Touren waren meist um die 100 bis 120 Kilometer lang.

Jetzt ist Dieter 78 und fährt immer noch gerne Rennrad, wir hatten ihm nach dem Launch die BMC Roadmachine Amp testweise zum Ausprobieren gegeben, um einen anderen Blickwinkel auf das Thema E-Rennrad zu bekommen. Anschließend haben wir mit ihm über seine Erfahrungen gesprochen.

Rennrad-News: Hallo Dieter, du bist jetzt 78 Jahre alt und du fährst immer noch Rennrad?
Dieter:

Ja klar, ich fahre immer noch.

Was für ein Rennrad hast du?
Ein Specialized Rennrad, teils Carbon, teils Alu.

# Dieter, 79 Jahre, ist schon viele RTF und Radmarathons im Verein gefahren - im Winter hatte er die Gelegenheit, auf ein E-Rennrad umzusteigen und berichtet uns, wie er den Umstieg erlebte.

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# Sein Sohn fährt eine BMC Roadmachine.
# Vater Dieter sattelte um auf die BMC Roadmachine AMP, die zum Test in der Redaktion war.

Und damit fährst du jetzt auch noch ganz normale Touren?
Ja, kleinere Touren, die Kraft ist aber nicht immer da. Und dann hatte ich vor Kurzem einige Verletzungen und eine Knie-Operation – die heilen jetzt aber langsam aus. Also kann ich am Wochenende, wenn ich jetzt die Zeit habe, auch schon wieder einmal etwas länger fahren, ich sage mal der Durchschnitt liegt so bei 3-4 Stunden.

Du fährst ja auch in einer Gruppe…
Ja, das ist die Gruppe aus dem Schwarzwald, ich fahre zu denen hin oder die kommen zu uns, das ist eine alte Freundschaft.

Okay, alles klar. Als du das erste Mal von E-Rennrädern gehört hast, was hast du da gedacht?
Das erste E-Rennrad, von dem ich gehört habe, das war von Specialized (hier zum Specialized Turbo Creo SL Test auf Rennrad-News). Aber das hat nicht in meinen finanziellen Rahmen gepasst.

Aber dein Interesse fürs E-Rennrad hat dieses Bike geweckt?
Ja, interessant fand ich es schon.

Was hat dich daran interessiert?
Weil mir eben das Bergfahren immer ein wenig schwerer gefallen ist.

Du bist 79, da darf Bergfahren auch etwas schwerer fallen. Das heißt, in der Ebene ist alles cool, bloß bergauf fehlt einfach die Kraft?

Ja, auch durch die Verletzung. Ich habe ja zwei Knie-OPs gehabt. Dazu kam ein Beinbruch. Ich habe länger gebraucht, bis die Kraft wieder einigermaßen da war. Sie ist eigentlich erst jetzt richtig zurückgekommen.

Fährt von deinen Bekannten auch jemand Rennrad?
Oh ja, mein Sohn, der fährt auch kleinere Rennen. Der ist dieses Jahr in Köln gefahren (Rund um Köln, Anmerkung der Redaktion). Er ist auch schon in Hamburg die Cyclassics gefahren. In Frankfurt (Eschborn-Frankfurt, Anmerkung der Redaktion) war er schon zweimal dabei.

Kennst du noch jemand, der auch E-Rennrad fährt, irgendwen?
Nein, mit E-Rennrad kenne ich keinen.

Als du das Rad zum ersten Mal gesehen hast, was dachtest du da?
Es ist dasselbe Rad, wie mein Sohn hat. Und als ich den Test-Bericht gelesen habe, der hat mich schon begeistert. Ich habe es mir aber trotzdem nicht vorgestellt, dass es in echt so toll ist.

Und wie war dann die erste Fahrt?
Spitze. Ich kenne ja auch andere E-Räder, ich fahre ja mit dem E-Trekkingbike zur Arbeit und kann etwas vergleichen. Mit dem E-Rennrad, da kann ich mich auch auspowern und bin halt auch viel, viel schneller. Auch in der Ebene. Das Fahrrad ist auch in der Ebene schneller als mein Specialized.

Okay, das war der erste Eindruck. Dann bist du eine kleine Runde gefahren?
Ja, ich habe mich erst ein bisschen eingewöhnt, bis der Sattel richtig eingestellt war und alles gepasst hat. Aber das war innerhalb von einem Tag erledigt. Dann habe ich mich in das Fahrrad verliebt.

Ist dir irgendwas direkt aufgefallen? Positiv oder negativ?
Also negativ ist mir gar nichts aufgefallen. Das war gleich super. Von der Bremse über die Schaltung – alles, auch das Fahrverhalten. Also, ausgewogen, sage ich mal. Richtig toll.

# „In der Ebene viel, viel schneller“.
# Für den Weg zur Arbeit nutzte Dieter bereits ein E-Trekkingbike.
# Auf dem E-Rennrad fühlt er sich weniger geschoben und trotzdem schneller.

Wie lange bist du das Rad jetzt gefahren ungefähr? Und was hat dir am besten gefallen?
Ich glaube fast drei Monate. Der größte Vorteil ist halt am Berg. Ich habe keine Angst mehr vor dem Berg. Diese totale Erschöpfung am Berg, die macht, dass ich später auch schlecht weiter komme, die ist nicht mehr da. Das ist einfach weg. Es gibt hier ein zwei bekannte Steigungen, die ich eigentlich gerne fahre, die zu den üblichen Rennradrouten gehören, diese Odenheimer Strecke zum Beispiel, oder von Oberhausen an der Nahe nach Duchroth (eine Route mit schönem Panorama, Anmerkung der Redaktion) hoch, die bin ich schon seit Jahren nicht mehr gefahren, die bin ich früher vielleicht einmal im Jahr gefahren, wenn ich richtig fit war. Jetzt suche ich sogar den Berg.

Und wenn du es mit dem normalen Rennradfahren vergleichst?
Es ist etwas anders. Ich bin nachher nicht ganz so erschöpft. Das ist nett. Aber die Anstrengung vom Puls her ist schon vorhanden. Ich fahre mit Pulsaufzeichnung, und meine Pulsuhr warnt mich bei einem Puls von 160, das passiert meist, wenn ich große Berge hochfahre. Jetzt mit dem E-Rennrad sind es immer noch zwischen 145 und 155 Schläge. Also auch richtig fordernd. Ich bin auch verschwitzt und alles. Aber ich spüre nicht diese totale Erschöpfung.

Siehst du irgendeinen Nachteil?
Einen Nachteil, da habe ich keinen festgestellt. Also, ich müsste lügen. Ich finde keinen.

Wie lange fährst du so eine E-Rennradtour?
Ja, ich fahre halt immer ein wenig weiter oder ich getrau mich, eher wieder weiterzufahren, ich muss keine Angst mehr haben. Wenn vorher ein Berg drin gewesen ist, war ich nachher irgendwo erschöpfter. Ich komme jetzt auch nass geschwitzt heim. Aber ich habe nicht diese totale Erschöpfung. Meist sind es so mit dem E-Rennrad jetzt 3-4 Stunden. Der Durchschnitt bei Feierabendtouren sind jetzt, sagen wir 2,5 bis 3 Stunden und am Wochenende sind es 3 bis 4 Stunden.

Bist du mit dem E-Rennrad mehr Rennrad gefahren als mit dem Rennrad?
Ja, ich bin wieder mehr gefahren als zuvor. Das ist verrückt.

Also, öfter oder länger?
Öfter. Länger vielleicht auch noch, ja. Aber vor allem regelmäßiger. Wenn ich abends heimkomme, das ist zwischen 5 Uhr und halb 6 Uhr, und ich bin erschöpft, dann bin ich mit dem anderen Rad nicht mehr gefahren. Das E-Rennrad hat mich mehr motiviert.

Bist du auch schon Touren zusammen mit anderen Fahrern gefahren oder gar nicht?
Ja, mit Thomas (der Sohn) waren wir mal in Brockenau, aber das war nur eine Spritztour, so eine halbe bis dreiviertel Stunde. Er ist sowieso immer an Rennradtechnik interessiert, der guckt immer. Er findet das E-Rennrad nicht schlecht. Er fährt in der Oternheimer Gruppe. Und da sind auch welche dabei, die E-Bikes haben. Die sind sogar noch in ein bisschen jünger als ich. Auch bei der Saison-Abschlussfahrt, die er mitgemacht hat, waren vier oder fünf dabei mit E-Rennrad.

Hat er es auch ausprobiert?
Nein, nein, hat er nicht.

Haben dich andere Leute auf das E-Rennrad angesprochen oder eigentlich nicht, weil man es ja nicht sieht?
Nein, man sieht es nicht. Einmal waren wir zusammen in Brockenau und da haben wir noch Leute getroffen. Da ist einer dabei, der hat eine Autowerkstatt, der ist immer in der Schweiz Pässe gefahren, der hat die gesammelt. Er hat vor vier Jahren ungefähr Herzprobleme gekriegt. Und seitdem fährt er kein Fahrrad mehr. Ihm ist immer auch unterwegs schwindlig geworden, ich treffe ihn öfter in Brockenau. Er hat Ahnung von Fahrrädern. Er hat aber nur festgestellt, dass der Thomas das gleiche Rad hat wie ich. Er hat es nicht gesehen. Dort sind noch mehr Fahrradfahrer gewesen, die beide Räder angesehen haben, also Thomas seins wie meins. Aber mich hat keiner gefragt, ob es ein E-Bike ist. Nur der Thomas hat es einem gesagt.

# Mit dem Mahle X-20 Hinterrad-Motor ist die BMC Roadmachine AMP kaum als E-Rennrad zu erkennen.
# „Das ist das Beste“, sagt Dieter über die elektronische Schaltung.
# Zu den Scheibenbremsen haben wir ihn nicht befragt.
# „Das E-Rennrad hat mich mehr motiviert.“

Was würdest du jemandem sagen, wenn der das E-Rennradfahren albern oder blöd findet?
Da musst du fahren, und dann kannst du dir erst eine Meinung bilden.

Soll es irgendwann E-Rennradrennen geben?
Das weiß ich jetzt nicht. Aber schlecht wäre das bestimmt auch nicht. Ja, klar, da gehen dann wieder ein paar hin, die machen einen stärkeren Motor rein oder dass er länger anschiebt oder so. Aber ich brauche jetzt das Rennen nicht unbedingt. Es könnte auf jeden Fall interessant sein.

Würdest du anderen Rennradfahrern mit ähnlicher Lage wie deiner raten, E-Rennradfahren zu probieren?
Ja, man sollte es probieren. Es macht Spaß und du hast nicht den Eindruck, dass du jetzt zu viel Unterstützung hast, wie wenn ich jetzt mit meinem E-Trekkingbike fahre, da fühle ich mich nicht gut.

Weil es schiebt oder wie?
Ja, das schiebt so und das ist bei dem Rennrad nicht so. Und natürlich dieser Flair. Wenn ich über 25 fahre, ist der Motor ja sowieso weg und ich fahre mit dem Rennrad in der Ebene viel schneller, also die Schnitte sind höher.

In welcher Unterstützungsstufe bist du immer gefahren?
Normal, also am Berg fahre ich entweder die höchste Stufe oder die mittlere. Im Stadtverkehr fahre ich auch auf der höchsten Stufe, weil ich an Ampeln und so einfach schneller anfahren kann. Das ist auch ein unheimlicher Vorteil: Wenn die Ampel schnell rot wird, da musst du ja normal zurückschalten, aber wenn es mal nicht rechtzeitig klappt, dann kann ich halt noch viel besser anfahren.

Und du bist jetzt auch das erste Mal eine elektronische Schaltung gefahren, wie fandest du die?
Das ist das Beste. Super. Wenn ich im Berg so eine Kurve im Weinberg rumfahren muss, dann kann ich nochmal ganz leicht zurückschalten, das geht viel, viel besser als mit dem anderen. Das ist also schon toll, ja. Also sagenhaft. Sie hat auch super funktioniert. Ich hätte das gar nicht gedacht.

Ist es mit dem Akku irgendwann mal eng geworden?
Nein, ich bin sogar mutiger geworden. Ich bin sogar noch einmal einen Anstieg hochgefahren, obwohl die Anzeige schon ziemlich aufgebraucht war.

Danke für das Gespräch.

# „Ich getrau mich, eher wieder weiter zu fahren.“

Habt ihr Erfahrungen mit dem Umstieg aufs E-Rennrad? Schreibt sie in die Kommentare!

Interview: Thomas Paatz / Fotos: Moritz Zimmermann

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