Bei Telekom läuft seit einiger Zeit solch Sachen ab also es ist nicht das erstemal. Also ich bin mir da bei den Teams genauso unsicher wie bei den fahrern. Langsam wird mir es glaube ich auch egal wer was tut.
Im Jahr 1991 begann für das Sportsponsoring in Deutschland eine neue Zeitrechnung. Die Deutsche Telekom AG entdeckte den Radsport als Vehikel ihres Marketings, übernahm eine Profi-Equipe und nannte sie „Team Telekom“. Zehn bis fünfzehn Millionen Mark pro Jahr ließ man sich zunächst die Unternehmung kosten, heute macht der Konzern (für das mittlerweile unter „T-Mobile“ startende Team) etwa zwölf Millionen Euro jährlich locker - plus etwa dieselbe Summe für die Öffentlichkeitsarbeit.
Nach Meinung von Marketingexperten ein genialer Coup: Es wäre rund vierzigmal so teuer gewesen, eine vergleichbare Medienpräsenz auf normalem Wege zu erkaufen. Niemals vorher in Deutschland war durch Sportsponsoring ein ähnlicher Effekt erzielt worden. Das „Team Telekom“ stand plötzlich als Synonym für den gesamten Radsport in Deutschland. 1994 stand das Fortbestehen des „Team Telekom“ zur Diskussion - denn ohne Siege kein Sponsoring. Ein erster Platz von Olaf Ludwig beim Radklassiker „Rund um den Henninger Turm“ sicherte die Zukunft des Teams. Von da an ging es stetig bergauf bis zum Gipfel der Tour de France: mit Siegen von Bjarne Riis 1996 und Jan Ullrich 1997. Im Sommer des Telekom-Börsengangs befand sich Deutschland im Radsport-Rausch.
Kommunikationsmaschinerie arbeitet auf Hochtouren
Bjarne Riis auf dem Weg zum Sieg bei der Tour 1996
Es gab und gibt nur ein Problem: Der Radsport ist ein Dopingsport. Und just in die erfolgreichsten Jahre des „Team Telekom“ fällt auch der Siegeszug des lebensgefährlichen Blutdopingmittels Erythropoietin (Epo). Die Frage war: Kann ein Sponsor die Popularität des Radsports nutzen, ohne sich mit dem allgegenwärtigen Doping zu beschmutzen?
Tatsächlich konnte zunächst kein Gerücht die deutsche Radsportbegeisterung trüben. Doch dann kam die Skandal-Tour-de-France 1998. Mit dem Ausschluß des Teams „Festina“, für das nachweislich eine ganze Wagenladung Dopingmittel bestimmt gewesen war, und der Erkenntnis, daß es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelte, stand plötzlich der gesamte Radsport zur Diskussion. Für die Deutsche Telekom AG begannen unruhige Zeiten, ihre Kommunikationsmaschinerie arbeitete auf Hochtouren. So wurde auch diesmal die unleugbare Nähe des Radsports zum Doping überspielt. Mit geschickten Manövern wurden selbst positive Fälle im eigenen Team, Verdächtigungen, Indizien und massive mediale Angriffe umschifft; dazu kamen guter Wille, Glück und - zumindest für die Öffentlichkeit - ein neu entdecktes Verantwortungsgefühl für den Anti-Doping-Kampf.
Traininigskontrolle in der Rehabilitation
In Radkreisen nannten sie Riis "Monsieur 60 Prozent" - wegen seines hohen Hämatokritwertes
Die größte Herausforderung für den Sportsponsor Telekom war die positive Trainingskontrolle von Jan Ullrich 2001. Für das „Team Telekom“ und auch den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) war der Tour-Sieger das Aushängeschild schlechthin - und nun war klar, daß er Mißbrauch mit Amphetamin getrieben hatte. Er erklärte seine positive Probe mit einer Ecstasy-Pille vom großen unbekannten Bekannten in einer Diskothek. Insider wunderten sich damals nicht über den aufgeputschten Zustand von Ullrich, wohl aber über den Termin der Trainingskontrolle, die während einer Rehabilitationsphase stattfand.
Das Sportgericht des BDR wiederum sah das Vergehen des Sportlieblings der Nation nicht als Doping im engeren Sinne an, sondern lediglich als „Verstoß gegen das Doping-Kontrollreglement“. Es sprach mit sechs Monaten die kürzeste Sperre aus, die möglich war. Die Deutsche Telekom AG, die immer wieder ihre Entschlossenheit verkündet hatte, überführten Dopingsündern sofort zu kündigen, nutzte die positive Probe, um Ullrichs Vertrag zu lösen und ihm umgehend ein Angebot zu geringeren Bezügen zu machen. Offiziell hieß es, der Vertrag ruhe. Nach einem Ausflug zum „Team Coast“, das später zu „Bianchi“ wurde, kehrte Ullrich im Oktober 2003 aus „sportlichen Gründen“ zum „Team Telekom“ zurück. Offizielle Version der Telekom: Ullrich sei überhaupt kein Dopingsünder, er habe die verbotene Substanz nicht in der Absicht genommen, seine Leistung zu steigern. Die Firma
Adidas hingegen handelte konsequent und beendete die Zusammenarbeit mit Ullrich nach dessen positiver Dopingprobe auf Dauer.
„Monsieur 60 Prozent“
Ein erfolgreiches Team: Riis und Ullrich
Es war eine schwierige Zeit für Telekom, doch sie wurde gemeistert, auch mit Hilfe des Medienpartners ARD. Wie sehr man seinerzeit bei dem öffentlich-rechtlichen Sender der Auffassung des Sponsors in Dopingfragen vertraute, wird durch ein Zitat des ARD-Sportkoordinators, Tour-de-France-Reporters und damaligen Moderators von offiziellen Präsentationen des „Team Telekom“, Hagen Boßdorf, aus der „Berliner Zeitung“ vom 9. Juli 2002 deutlich: „Sagt die Telekom, es gibt keinen Dopingfall, dann gibt es auch keinen Dopingfall für die ARD“, gab Boßdorf zwei Tage vor Ullrichs öffentlichem Geständnis zum besten.
Mit dem Dänen Bjarne Riis war der Erfolg gekommen. Der Tour-Sieger 1996 in Telekom-Diensten wurde zwar nie positiv getestet. Doch in Anspielung auf seinen Hämatokritwert (Konzentration der Feststoffe im Blut), der durch das synthetische Hormon Epo gesteigert werden kann und in diesem Fall über den erlaubten 50 Prozent gelegen haben soll, erhielt er in Radkreisen den Spitznamen „Monsieur 60 Prozent“.
Doping unter dem Deckmantel der Forschung
Beliebtes Blutdopingmittel: Erythropoietin, kurz EPO
In Unterlagen des umstrittenen italienischen Sportmediziners Professor Francesco Conconi wird für Riis am 10. Juli 1995 ein Wert von 56,3 Prozent festgehalten. Zu dieser Zeit fuhr Riis für das „Team Gewiss Ballan“ die Tour de France. Gegen Conconi wurde in Italien jahrelang ermittelt. Die zuständige Staatsanwaltschaft hatte keinen Zweifel, daß unter dem Deckmantel der Forschung ein Dopingprogramm nach Art der DDR betrieben worden war. Im vorigen Jahr endete das Verfahren mit einem Freispruch wegen Verjährung. Der Kommentar der Richterin Franca Oliva: „Conconi war schuldig“.
Ein anderer italienischer Arzt, der Riis und auch Ullrich betreut hat, ist Luigi Cecchini aus Lucca in der Toskana. 1998 ermittelten italienische Staatsanwälte gegen ihn, weil er Rezepte für Radprofis über Medikamente ausgestellt hatte, die auf der Dopingliste stehen. Die Ermittlungen wurden eingestellt, als der Prozeß von Bologna nach Lucca verlagert wurde. 1994 bereits wurde er im Report des italienischen Dopingaufklärers Alessandro Donati des Epo-Einsatzes beschuldigt.
Keine Berührungsängste
Jan Ullrich bekam Ecstasy vom "großen Unbekannten" in der Disco
Schon 1999 hatte die Telekom mit einem Dopingfall fertig werden müssen: Christian Henn wurde ein überhöhter Testosteronwert nachgewiesen, den er mit der Einnahme eines homöopathischen Hausmittels seiner italienischen Schwiegermutter erklärte. Es habe seine Zeugungsfähigkeit beflügeln sollen. Nach diesem Vorfall, der eine Sperre und das Ende seines Vertrages zur Folge hatte, beendete er seine Karriere. Heute ist Henn Teammanager beim „Team Gerolsteiner“, das gerade durch die Dopingaffäre um Danilo Hondo in der Diskussion steht. 1994 lieferte Erik Zabel eine positive Probe ab: Nach einem Einspruch seinerseits behielten die Geldstrafe von 3000 Schweizer Franken und die Rückstufung um 50 Punkte in der Wertung des Weltradsportverbandes ihre Gültigkeit, eine Sperre auf Bewährung wurde aufgehoben.
Berührungsängste kannte das „Team Telekom“ nie: Walter Godefroot, der Sportliche Leiter der ersten Stunde, brachte keine weiße Weste mit. 1967 hatte der belgische Radprofi beim Klassiker „Paris-Tours“ eine Dopingkontrolle verweigert und wurde in der Wertung zurückgestuft. 1974 passierte dasselbe beim Radrennen“ Fleche Wallone“, und im selben Jahr wurde er wegen der Einnahme des Aufputschmittels Ritalin bei der Flandernrundfahrt disqualifiziert. Etliche Telekom-Radprofis wurden vor oder nach ihrem Gastspiel im deutschen Vorzeigeteam auffällig: der Schweizer Urs Freuler 1990 und 1991, Carsten Wolf 1995, Andreas Kappes 1997 (2000 führte ein Nandrolon-Nachweis nicht zu Konsequenzen), Uwe Ampler 1999, die Italiener Alberto Elli und Roberto Sgambelluri 2001 sowie Dirk Müller 2002.
Ullrich ist eben einmalig
Der Arzt Conconi verschrieb Dopingmittel - und behandelte Riis
Kritiker fragen sich schon lange, wie es bei dieser Ausgangslage möglich ist, daß das „Team Telekom“ seine betreuenden Mediziner aus der Sportmedizinischen Abteilung der Universitätsklinik Freiburg rekrutieren kann. Als aktive Dopingbekämpfer können sich Mediziner im Rad-Umfeld wohl kaum profilieren. Und so zeigen sich immer wieder merkwürdige Zusammenhänge: Dr. Lothar Heinrich etwa erklärte den Besitz von Koffein und Cortison, die bei der Razzia anläßlich des Giro d'Italia 2001 bei ihm gefunden worden waren, mit Eigengebrauch beziehungsweise mit einem Attest für Ullrich. Für ihn war damals ein Asthmaspray bestimmt gewesen, dessen Wirkstoff auf der Dopingliste steht. Team-Pressesprecher Olaf Ludwig hielt entgegen, daß über Ullrichs Pinienpollen-Allergie doch schon vor Jahren in der Presse zu lesen gewesen war.
Ullrich ist eben einmalig: Nach Auskunft von Fachleuten ist in der Literatur kein weiterer Fall einer allergischen Reaktion auf Pinienpollen bekannt. Nach Angabe von Heinrich litt im Jahr 2001 etwa ein Drittel seiner Radprofis an Asthma und durfte so Medikamente nehmen, die auf der Dopingliste stehen. Mehrere von ihnen wiesen überhöhte Hämatokritwerte auf, für die sie ein besonderes Attest vorlegen konnten. Genauere Angaben darüber machen die Telekom-Ärzte unter Berufung auf die Schweigepflicht nicht. Transparenz ist nicht gewünscht. BDR- und Olympia-Arzt Dr. Georg Huber, ein weiterer Freiburger Mediziner, der nicht direkt mit der Telekom in Verbindung steht, sagte Ende 2003 in einem Interview in der Tageszeitung „Die Welt“:„...Es ist nicht erforscht, ob Epo oder Anabolika Spätfolgen hinterlassen.“
Enorme Verdickung und Verklumpung des Blutes
Christian Henn: Gedopt, weil er seine Zeugungsfähigkeit beflügeln wollte?
Solche Äußerungen scheinen leichtfertig angesichts der vielen jungen Radprofis, die in den vergangenen Jahren ihr Leben ließen. Bis heute bleibt ungeklärt, warum zwischen Januar 2003 und Juni 2004 neun Radrennfahrer durch einen plötzlichen Herzstillstand in Phasen ohne große Belastung ums Leben gekommen sind. Mit Marco Pantani, der nach einer langen Dopingkarriere offenbar zuviel Kokain konsumiert hatte, waren es sogar zehn. Schon Ende der achtziger bis Mitte der neunziger Jahre starben zahlreiche aktive Radprofis. Verschiedene Quellen nennen bis zu 21 Fälle. Einig sind sich alle Branchenkenner in der Ursachenforschung: Epo war neu auf dem Markt, und in der Handhabung war man offensichtlich noch nicht erfahren genug. Die enorme Verdickung und Verklumpung des Blutes dürfte zum Herzversagen dieser jungen und gesunden Sportler geführt haben.
Zeit für eine Anti-Doping-Strategie bei der Telekom AG? Die werbewirksamen Maßnahmen begannen 1998 nach dem Tour-Desaster. Dazu gründete die Deutsche Telekom die „Initiative für sauberen Hochleistungssport“, die von ihr mit 1,35 Millionen Mark drei Jahre lang allein getragen wurde. „Wir sind unter Druck geraten und mußten nach vorne gehen“, bekannte der damalige Kommunikationsdirektor Jürgen Kindervater. In erster Linie wurde das Geld für den „Arbeitskreis Dopingfreier Sport“ eingesetzt, dem der Freiburger Sportmediziner Professor Aloys Berg vorstand.
An Glanz verloren
Teammanager Godefroot wurde als Aktiver mit Aufputschmitteln erwischt
Es wurden eine Anti-Doping-Hotline eingerichtet und auch Geld für den indirekten Nachweis von Epo genutzt. Diese Forschung wurde hauptsächlich von den medizinischen Team-Telekom-Partnern von der Universitätsklinik Freiburg ausgeführt. Der indirekte Epo-Nachweis ist noch immer nicht gerichtsfest. Andererseits ist davon auszugehen, daß alle Seiten in jenen Jahren bestens über den Stand der Forschung informiert waren. Auf Fragen nach konkreten Ergebnissen, die naturgemäß sowohl Dopingfahndern als auch Dopern nützlich sein können, reagieren die Beteiligten mit auffälliger Zurückhaltung. Fragen zu diesen Forschungen, den Ergebnissen und der Anti-Doping-Arbeit beantwortete Berg jüngst mit der lakonischen Feststellung, daß „die gestellten Fragen sicherlich interessant“ seien, „wahrscheinlich auch die Antworten“. Weiter schreibt er, „ich bin weder autorisiert noch in irgendeiner Weise verpflichtet, ihnen Auskunft zu gebe“.
Ende 2001 wurde dieses Anti-Doping-Engagement der Telekom beendet und eine Unterstützung der neuen Nationalen Anti Doping Agentur (Nada) beschlossen. Das Radsport-Team hat an Glanz verloren. „T-Mobile“ rangiert aktuell hinter der zweiten großen deutschen Radsport-Mannschaft „Team Gerolsteiner“. Ullrich kämpft jährlich gegen einen übermächtigen Lance Armstrong und andere gewichtige Probleme. Der FC Bayern München und die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sind die Hauptthemen des Telekom-Sponsorings geworden. Beides läßt sich der Konzern in den nächsten Jahren knapp eine Viertelmilliarde Euro kosten. Gegen Doping macht sich die Telekom mit jährlich 50.000 Euro für die Nada stark.
Text: F.A.Z., 12.04.2005,