Anbei habe ich mal versucht, die Schubkräfte und die Momente gegenüberzustellen, möglichst übersichtlich, so dass man die Unterschiede zwischen 160er Scheibe, 200er Scheibe und Felgenbremse gut erkennt, basierend auf meinen Berechnungen weiter oben (#126).
Links die Schubkräfte und drunter die Schubspannungen (Tau), rechts die Momente und Zug-/Druckspannungen (
Sigma), wobei ich die Spannungen nicht für den Bereich des Steuerrohrs berechnet habe, sondern nur im Bereich der Lasteinleitung für einen Gabelholm.
Man erkennt folgendes:
- Die Schubspannungen sind bei der Scheibenbremse unterhalb der Lasteinleitung vier bis fünf mal so groß wie bei der Felgenbremse.
- Die Spannungen aus Biegung sind alle in einer ähnlichen Größenordnung.
- Die Schubspannung der 160er Scheibe ist fast 25% größer (!) als bei der 200er Scheibe.
Jetzt sind die betrachteten großen Schubspannungen unter der Bremse, der Bruch aber i.d.R. oberhalb der Bremse. Da es sich wohl um Ermüdungsbrüche handelt und die Schubspannungen der signifikante Unterschied sind, wirds also wohl an den Parametern liegen. Ich vermute, dass im Bereich der Lasteinleitung der Gabelholm ziemlich ausgesteift ist, d.h. es gibt einen Steifigkeitssprung an der Stelle, das ist immer kritisch. Weiterhin gibt es starke Lastwechsel (
Bremsen/Nichtbremsen). Ist in meinen Augen schlüssig.
Warum größere Scheiben nicht zugelassen werden, obwohl die Kräfte ja scheinbar kleiner sind, hat Femur ja ganz gut beschrieben, dem würde ich mich anschließen, weil es sich mit meinen Erfahrungen mit dem MTB deckt (ich habe eins mit 160er Scheiben und eins mit 200er).
Aus dem MTB-Bereich weiß ich, dass man sich mit einer 200er Scheibe auf Asphalt hart gebremst leicht überschlagen kann. Der Grip limitiert da gar nichts. Beim Rennrad mit 160er Scheibe hatte ich nie das Gefühl, dass ich da kurz davor bin. Vermutlich auch durch den anderen Schwerpunkt? Aber die gefühlte Verzögerungsleistung ist auf dem Rennrad mit 160er Scheibe auf jeden Fall deutlich geringer. Und das obwohl das MTB deutlich schwerer ist (das Rad, Fahrer mit Protektoren, Rucksack etc.). Das führt mich zu der Vermutung, dass der Unterschied zwischen 160er und 200er Scheibe, vielleicht noch andere Bremssättel (2 Kolben vs. 4 Kolben), in der Praxis doch erheblich ist.
Was ich sagen will ist, dass auch bei einem Reiserad oder Rennrad, das bei vorhandenen Ösen oder per Bastelei als Reiserad umgebaut wird, vielleicht noch schwerer Fahrer, mit Gepäck deutlich über 100 kg Systemgewicht, und sehr tiefer, hintenliegender Schwerpunkt, breitere
Reifen mit mehr Grip, bei einer Notvollbremsung mit einer 200er Scheibe und PM-Montage vermutlich Kräfte an der Gabel auftreten, die alsolut nichts mehr mit dem zu tun haben, was ein 70 kg Bergrennradfahrer im Normalbetrieb mit 160er Scheibe und Flatmount einleitet.
Das wird sehr selten vorkommen, kann aber dazu führen, dass Hersteller auf Nummer sicher gehen und auch mal vorhandene Freigaben weiter einschränken.
Dass noch Normalkräfte mit ins Spiel kommen, wenn man die Schrägstellung der Gabel berücksichtigt, ist richtig. Diese sind aber unkritisch.
Wie man die Last einleitet (Postmount, Flatmount etc.), ist unerheblich. Natürlich spielt das im Detail eine Rolle, aber egal, wie man die Last spazieren fährt, sie muss ins Gabelrohr. Und ein bischen hin oder her spielt da keine Rolle.
Natürlich kann man jede Gabel so dimensionieren, dass sie hält. Man muss aber auch sagen, dass sich Materialermüdung nur schwer rechnen lässt. Viel sinniger sind hier Dauerschwingversuche, die jeder Hersteller eigentlich machen sollte. Keine Ahnung, ob die das generell machen, wissen tue ich es nur von
Syntace.