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Alte Sättel im neuen Gewand

Knobi

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Renner der Woche
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Ihr alle kennt das Problem:
Beim ollen Turbo ist das Leder zwischenzeitlich zu Staub zerbröckelt und auch der Flite hat schon derbe Schrammen. Mit Tränen in den Augen wandert das heißgeliebte Sitzmöbel also schließlich auf den Müll und geht den Weg alles Irdischen, ersetzt durch ein hochmodernes Modell mit 200 Gramm weniger auf der Waage.
Und obwohl ich tatsächlich ein Fan moderner Minimalsättel an Stahlrahmen-Klassikern bin, weil es meiner Meinung nach harmonischer aussieht, meine ich:
Halt! Wegwerfen muss nicht sein!

Mit etwas Arbeit, einem passenden Fetzen Leder oder Kunstleder vom Sattler Eures Vertrauens (oder ebay) und einer Dose Pattex kann das Spiel beginnen und am Ende steht unter Umständen sogar ein Sattel, dessen Bequemlichkeit ihresgleichen sucht und der sogar vom Gewicht her konkurrenzfähig ist.

Beginnen wir mal mit dem Flite eines guten Freundes, hier bereits gehäutet und grob übergeschliffen, um die eingedrückten Stellen von den Nähten einzuebnen.
Beim Häuten immer drauf achten, nicht "nach oben weg", sondern in möglichst spitzem Winkel "nach hinten" zu ziehen, das vermeidet allzu große Schäden am Polster.



Hier war das Polster schon ab Werk arg dünn und ging beim Verschleifen völlig in die Binsen, siehe andere Bilder.



40er Schleifpapier, wenig Druck und langsame Bewegungen!
So werden auch weggefatzte Polsterstellen wieder gleichmäßig.



Das gute, alte Pattex und ein Fetzen rotes Kunstleder.
Echtes Leder in der passenden Farbe war gerade nicht zu bekommen, jedenfalls nicht in kleinen Mengen und für k(l)eine Münze.
Plaste ist aber eigentlich sowieso angemessener: Leidet nicht bei Nässe und bekommt keine abgeschürften Stellen, weil durchgehend farbig. Wenn möglich, Polyurethan statt PVC nehmen, ist belastbarer.



Und da haben wir die Bescherung: Polster an zwei Stellen im Eimer.
Also ordentlich verschleifen und eine Lage 2 mm Neopren über das Ganze.



Aceton zum Saubermachen und ggf. auch zum Verdünnen des Klebers (bitte vorher ausprobieren!). Hebt außerdem die Stimmung, wenn man nicht auf ausreichende Belüftung achtet!
Billiger Pinsel, um das Pattex schnell und gleichmäßig zu verschmieren.



Kleber immer auf beide Teile auftragen und ca. 10 Minuten antrocknen lassen. Dann schnell und entschlossen zusammenpappen, hier habe ich an der schwierigen Nasenpartie angefangen und das Neopren erstmal dort ordentlich angeformt, dann kam der Rest. Anschließend Rand mit dem Cutter bündig abgeschnitten und verschliffen.
Hinten wird er durch das Neopren etwas runder.









Das neue Gewand in Feuerrot, plus etwas mehr Komfort dank Neopren.
Auch hierbei wieder an der Nase anfangen. Bezug und Sattel noch ohne Kleber aneinander gewöhnen, also die Decke mit dem Fön anwärmen und schonmal ordentlich um die Rundungen strecken. Dann wieder beide Teile mit Kleber einschmieren usw.
Dank der größeren Rundung gibt es hinten nicht ganz so viele Falten...







Ränder erst im nächsten Schritt mit Kleber beschmieren und wieder ablüften lassen. Dann schnell umlegen und furchtbar fest andrücken (Schraubenziehergriff o.Ä.).
Hier sieht man noch derbe Falten: Die werden anschließend mit einem scharfen Messer aufgetrennt bzw. so weit abgeschnitten, dass die Ränder genau nebeneinander liegen (hier noch nicht gemacht).



Und weiter geht's: Einen Streifen Kunstleder zuschneiden und den Rand umkleben. Auf die Laufrichtung des Gewebes achten, muss sich dieses Mal in Längsrichtung strecken lassen.



Mitte markieren, Verlauf anzeichnen, beide Teile mit Kleber einschmieren und ablüften lassen.



Zielen, auflegen und feste andrücken.



Überstand abschneiden.



So, jetzt sind die Falten und Schnitte vergessen!



 
AW: Alte Sättel im neuen Gewand

Und noch einer: Oller Turbo Special.
Decke runter, das kennt man ja. Dieses Mal aber auch das Polster entfernt und die Kante seitlich etwas abgeschnitten; jetzt wird die Schale dünnergeschliffen wie einst beim Meister Smolik. Die Löcher sind da, um die Schalenstärke im Blick zu behalten.





Ritscheratsche ritscheratsche...
Je gröber und schärfer das Werkzeug, desto schneller und leichter geht es! Das hier ist übrigens eine Karosseriefeile.



Die Schale gleichmäßig um die Hälfte dünner schleifen bis auf ca. 1,5 mm Stärke. An den Sitzknochen und im Dammbereich genügt sogar 1 mm, jedenfalls bei Fahrern bis ca. 80 Kilo.
Immer wieder kontrollieren, dass es nirgends zu dünn wird - kaputt ist kaputt und eine durchgeschliffene Stelle wäre das Ende des Sattels. Nach Raspel oder Feile folgt 40er Schleifleinen, am besten von einem Bandschleifer (hält länger). Wer ein solches Gerät hat und mutig ist, kann auch direkt mit Bandschleifer oder Powerfeile dran gehen, dabei wird der Sattel aber heiß und kann schmelzen.



Ende der Schleiferei, zum Schluss nochmal mit feiner Feile oder 120er Papier drübergehen.

Ach ja, Sinn der ganzen Übung:
Polster reibt und drückt sich zusammen, während eine dünne Schale gleichmäßig flext/federt. Das ist gerade auf langen Strecken deutlich angenehmer, siehe Brooks Kernledersättel - im Grunde genommen kopiert man deren Eigenschaften so mit einem Plastiksattel.
Und keine Bange: Ich fahre so ein Ding seit 1990 ohne jedes Problem mit ca. 75 Kilo. Einfach nur angenehm, nie wieder wunde Stellen oder Druckstellen gehabt.



In diesem Fall habe ich mich für ein Neopren-Notpolster entschieden, nötig ist das aber nicht. Die Hinterkante hätte ohne Polster etwas zu dünn und eckig gewirkt, finde ich.



Jetzt kommt wieder die Pattex-Schmiererei...
Sattel und Neopren gleichmäßig einpampen und 10 Minuten liegen lassen.





Der Sattel mit der bereits verschliffenen Notpolsterung. Alles schön verrunden und vor allem an den seitlichen Rändern nicht zu dick werden lassen.







Hier fehlen ein paar Schritte, aber die hatten wir oben ja schon.
Und so sieht der Turbo anschließend aus:



Natürlich müssen die Blechschilder wieder dran!
Leider hatte das rechte bereits ab Werk schiefe Nasen, das konnte ich auch mit größeren Löchern in der Schale nicht völlig ausgleichen. Schade.





Die Nase hatte ziemliche Falten und ich habe das mit einem weiteren Streifen Kunstleder kaschiert, die Kante verschwindet unter den Blechschild.



Rechts und links sieht man natürlich, wo der Streifen endet. Ein paar winzige Tropfen Sekundenkleber in den Rand laufen lassen und fest andrücken, dann wird das beinahe glatt - hoffentlich hält's.



Hinten ging es dieses Mal eigentlich mit den Falten, die ganz üblen sind hier schon aufgeschnitten und plattgedrückt. Das linke Schild passt zum Glück richtig.



Schlanker, bequemer und auch etwas leichter, von 370 auf 290 Gramm.
Bei einem anderen Exemplar habe ich die Spitze schräg abgeschnitten, dadurch sieht es wie eine Speedneedle aus (ist aber viel älter!). Mit dünnem Leder und ohne Notpolster sind 250 g machbar, mit Titangestell vom Flite unter 200. Den Special finde ich einfach schön, nur ab Werk halt deutlich zu fett!





Hehe, der kommt selbstverständlich nicht auf ein modernes Rad!



Die Nase finde ich ein wenig zu klobig - aber spitz abgeschnitten bleibt man manchmal mit der Hose dran hängen, wenn man vom Wiegetritt zurück in den Sattel geht. Das wollte ich dieses Mal vermeiden.
Sieht komisch aus mit dem Gestell "bis auf Anschlag nach hinten"?
Klar, aber der Turbo hat tatsächlich einen viel kürzeren und weiter hinten liegenden Verstellbereich als moderne Sättel. Das Stahlgestell hält so was problemlos aus.



Jetzt ist es schon fast perfekt...
Im Hintergrund sieht man übrigens den anderen Special mit abgeschnittener Spitze.

 
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hi. sehr schöne arbeit!!!lob!!!

aber nen guten flite kannste bei mir für nen 10er bekommen, der ist nicht meine klasse und kann demnach weg. wenn es der jahrgang ist den du meinst!!! jedenfalls ist er rot selle san marco flite und sehr wenig benutzt ohne abschürfungen!!!
grüße
 
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Da kann man nur eines sagen.....Bravo!!!:daumen:

Sind die beiden deine ersten, selbstbezogenen Sättel? Super gemacht.
Und durch das Neopren sind die Teile sicher noch etwas bequemer.
 
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Zeitaufwand, nun ja - mit oder ohne Materialsuche?
Auf einen geschenkten Rest rotes Kunstleder musste ich fast drei Wochen warten, nach dem dottergelben habe ich sogar fast ein halbes Jahr gesucht...

Der Flite dürfte etwas über eine Stunde gedauert haben, vielleicht auch eineinhalb. Ohne Neopren und kaputte Stellen geht es schneller; war die Basis ab Werk nur einfarbig, spart man sich mit etwas Glück sogar die ganze Schleiferei.

Richtig flott ging es bei diesem hier:





Der SLR hat nämlich unter seinem hauchdünnen Leder ein äußerst empfindliches Polster, das garantiert in tausend Fetzen reißt. Ich hab also die alte, abgerittene Decke einfach draufgelassen und mit dem neuen Leder (hier ist es echtes) überklebt, das dauerte vielleicht eine halbe Stunde.


Hier war es etwas komplizierter, weil das drollige Lochleder von einem anderen Sattel stammte, ich daher verdammt genau zielen musste und der SKN mit der Kerbe im Hinterteil ziemlichen Ärger macht. Dort lässt sich das Leder nicht ausreichend strecken und ich musste einen passend geschnittenen Streifen von unten gegenkleben (ab Werk ist dieser passend angenäht).




Ganz nebenbei, hier hatte das orangene Radl auch noch einen SKN und ich bin mir nicht sicher, ob das nicht besser ausgesehen hat - der Turbo wird aber deutlich bequemer sein:




Und hier ist mein anderer Special, den ich schon vor 20 Jahren (!) so umgestrickt hatte und der seitdem problemlos hält:



Die Goldräder gehören übrigens nicht zu diesem Rad und waren nur für eine Probefahrt zum Setzen und Nachzentrieren drin.
Und ich weiß, dass ich verboten weit hinten sitze! Aber ich hab dummerweise echte Affenarme, eine Laune der Natur.
 
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Da hat sich aber jemand wirklich Mühe gegeben. Tolle Ergebnisse!

Ich bin übrigens auf der Suche nach einem weißen oder roten Retro-Sattel. Wäre es machbar, ein Bild vom roten Selle zu bekommen, der hier angepriesen wurde?
 
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na toll knobi, jetzt wo ich fertig bin mit meinem, postest du so ne tolle anleitung ;)
 
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na toll knobi, jetzt wo ich fertig bin mit meinem, postest du so ne tolle anleitung ;)

Du hast es doch auch ohne mich spitzenmäßig hinbekommen, wenn nicht sogar besser!
Ich wollte halt aus den ganzen Bildchen mal eine Anleitung machen, die nicht nur im Album versauert.
 
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Ach so, mit Dünnerschleifen usw. und der eher komplizierten Turbo-Schale (wegen der großen Nase und den Ecken hinten) ist man etwa einen halben Tag beschäftigt, da gibt's auch schnell mal einen Fehler beim Aufkleben der Decke und das ganze geht von vorne los.
Lohnt sich selbstverständlich nicht und ist nur was für komplett Verrückte!
 
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klar ist das was für verrückte wie uns, und ne portion handwerkliches geschick gehört da schon zu.
dein hellblauer slr sieht von unten schon etwas sauberer aus, als meiner. ich wollte bevor ich es nochmal mache, erstmal sehen, ob und wie lange der kleber hält. mit den kannten ist es wirklich mühsam, da muss man schon etwas geduld mitbringen.
aber was solls, wer kann schon solche sättel, wie wir jetzt haben sein eigen nennen.
 
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Nach der Inspiration durch Smolik habe ich auch einen Geierschnabel bearbeitet, Anfang der 90er. Bei dem war ich allerdings etwas zu zaghaft; ohne Polster ist dieser nicht wirklich flexibel geworden (nicht dünn genug geschliffen), wenigstens die Form ist mir gut gelungen.

Für mein Leichtbau-Vitus habe ich es noch mal an einem Geierschnabel versucht, diesmal einer mit Alugestell. Nach den Erfahrungen mit dem ersten blieb dieses Mal das Polster erhalten, die Plastikdecke auch noch etwas dünner. Und hier passt jetzt alles, wenn auch die Form beim ersten besser gelungen ist. Ein Fliegengewicht ist es auch noch geworden: 151gr.



@knobi: Schön sind sie geworden, Deine Sättel.
 
AW: Alte Sättel im neuen Gewand

suchst du sowas hier???
würde diesen auch sehr gerne tauschen gegen einen rolls, turbo oder concor, auch im wesentlich schlechterem zustand.

ansonsten bleibt der preis natürlich wie angepriesen auch wenn ich schon diverse anfragen habe!!!

:D
 

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suchst du sowas hier???
würde diesen auch sehr gerne tauschen gegen einen rolls, turbo oder concor, auch im wesentlich schlechterem zustand.

Klar, so was suche ich immer! Besten Dank.
Einen Rolls habe ich dummerweise kürzlich verschenkt. :ka:
 
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Da möchte ich doch glatt mal Fotos vom gesamten Rad sehen! Einfach spitze, so ein Vitus.
Gab es den Concor tatsächlich ab Werk mit Alugestell, oder hast Du selbst eins gebaut? Das habe ich schon bei Smolik nicht ganz begriffen.
 
AW: Alte Sättel im neuen Gewand

Da möchte ich doch glatt mal Fotos vom gesamten Rad sehen! Einfach spitze, so ein Vitus.
Gab es den Concor tatsächlich ab Werk mit Alugestell, oder hast Du selbst eins gebaut? Das habe ich schon bei Smolik nicht ganz begriffen.

Habe ich damals auch nicht so recht geglaubt und auch auf Selbstbau getippt, seit es die Bucht gibt, weiß ich es besser und habe auch schon den einen oder anderen "Superleggera" rausgefischt.

Bilder vom Vitus? Immer wieder gerne, hier in meinem Album:

http://fotos.rennrad-news.de/s/1935

Und hier ein Concor mit Alugestell:

attachment.php

attachment.php

attachment.php


Außer, dass der Aludraht 8mm Durchmesser hat und man die Sattelstütze tunlichst darauf vorbereiten sollte (Kerbwirkung) gibt es keine Unterschiede.
 

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Total irre.
Ich staune, gerade, auch über die Räder in Deinem Album!
 
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Danke für die Blumen:)

Beim Vitus - da gibt's nebenan irgendwo nen Thread - kann ich wohl doch noch die 7 Kilo-Marke knacken, ich habe Elgar (oder Elger?)-Pedalen aufgetrieben, die gegenüber den Campas wohl noch mal >= 150gr. sparen.

Sehen natürlich komisch und nicht sehr klassisch aus, passen aber zeitlich.
 
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Danke für die gute Anleitung.
Werde mich im Winter u.a. mal mit 2 Flite-Sätteln beschäftigen, die es gebrauchen können.
Zumal der eine einer von den ganz alten ist.
 
Elger von 1984?

Abgefahren.
 

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