Video: TRP Vistar Powershift Test
TRP Vistar Powershift Infos und Preise
Vor beinahe einem Jahr war die TRP Vistar Powershift 1×16-Schaltung eines der Highlights der Eurobike. Doch die Schaltrevolution, die sie versprach, blieb zunächst Gravel Racern vorbehalten (von denen wir einen zu seinem Eindruck der Schaltung befragen konnten).
Ein Kettenblatt, ein Brems-Schalthebel, 16 sinnvolle Gänge unter dem Kommando, so kann man die Errungenschaft der neuen Rennrad-Schaltung am besten zusammenfassen. Möglich macht das die Classified Powershift-Nabe, die statt des Umwerfers am Hinterrad 2 Gänge bereitstellt und in jeder Situation unter Volllast schalten kann. Und TRP tat sich bereits vor einigen Jahren mit Classified zusammen, um eine eigene Rennrad-Gruppe zu entwickeln, mit der man auch die Nabe komfortabel direkt vom Brems-Schalthebel aus schalten kann. Das gab es zuvor nicht. Die Gruppe kommt heute auf den Markt und wir konnten sie an einem Rennrad und einem Gravel Bike bereits über 600 km testen. Doch zunächst die wichtigsten Fakten:
- Neue 1×16/1×15-Funkschaltung mit Single-Kettenblatt für Rennrad und Gravel
- Quantumshift-Funktion ermöglicht Durchschalten von 1×16 Gängen am rechten Brems-Schalthebel
- Classified Powershift Nabe ersetzt Umwerfer und schaltet auch unter Volllast
- Wirkungsgrad Nabe 99,8 % Direktgang, 99,2 % in Untersetzung von 0,7
- TRP Command App für individuelle Einstellungen
- 2 Schaltwerke für Gravel (für Kassetten bis max 40 Zähne und Road (bis max. 34 Zähne)
- Brems-Schalthebel steuern Nabe und Schaltwerk an, hydraulische Bremsen
- Kurbel TRP Gravel und Road, Classified Gravel und Road
- Gewicht 2.451 g (ohne Disc-Rotoren, Herstellerangabe
- https://trpcycling.com/
- Verfügbar sofort
Preis und Varianten
Die TRP Vistar Powershift gibt es in zwei Varianten, die sich jeweils durch ihr Schaltwerk und die Kurbeln unterscheiden: Gravel und Road. Für beide Gruppen hat man jeweils Optionen auf Kurbeln von Classified oder TRP. Unabhängig von der Variante soll der Preis für die Gruppe laut TRP bei 2.800 € liegen.
Der Preis für die TRP Vistar Powershift-Gruppe setzt sich zusammen aus 1.600 € für die TRP Vistar Komponenten und 1.200 € für das Classified System.
Hinzu kommt der Preis für Laufräder für die Classified Powershift Nabentechnik, die es neben Classified auch von Enve, Hunt, Parcours und FFWD ab rund 1.040 € gibt.
Was ist neu
Die Classified-Nabe ist nicht eigentlich neu. Sie feierte im Gegenteil schon vor fast 5 Jahren Premiere – und nicht zufällig an einem Race Gravel Bike. Denn sie versprach Aero-Benefits von 1 % durch das Single-Kettenblatt, gemessen im Windtunnel von Eindhoven bei 40 km/h. Zu diesem Marginal Gain gesellt sich aber noch ein größere Vorteil: mehr Platz für breite Reifen ohne die Nachteile eines 1-fach-Antriebs von entweder geringerer Bandbreite oder größeren Abstufungen.
Die Nabe stellt 2 unter Volllast schaltbare Gänge zu Verfügung: einen direkten und eine Untersetzung von 0,686, was ganz grob einem Unterschied von 16 Zähnen an einem 2-fach-Kompakt-Kettenblatt entspricht (je nach Kettenblattgröße auch weniger). Zudem verspricht Classified eine sehr hohe Effizienz. Sie soll 99,2 % in der Untersetzung und 99,8 % im 1:1-Gang liegen und damit auf dem Niveau einer DT Swiss 240-Nabe, sagen die Belgier. Mehr Infos hier im Classified White Paper.
Wer die innovative belgische Technik fahren wollte, musste aber einen separaten Schalter am Lenker außerhalb der Brems-Schalthebel in Kauf nehmen. Jetzt nicht mehr.
Denn wirklich neu ist die TRP Vistar-Gruppe mit eigenen Brems-Schalthebeln, zwei Schaltwerken für Gravel und Road sowie hydraulischen Disc-Bremsen. Durch sie findet der die Ansteuerung der Classified Powershift-Nabe in einem Bremsschalthebel statt. Aber die Gruppe geht noch einen Schritt weiter. Schaltwerk und Schaltnabe arbeiten auf Wunsch auch koordiniert zusammen und schalten 16 sinnvolle Gänge (je nach Kassette auch nur 15) mit einem Tastendruck durch. Die Technik nennt sich Quantumshift.
Wie schaltet die TRP Vistar Powershift?
Quantumshift
Bei Quantumshift erfolgt der Gangwechsel in der Nabe – also der Ersatz für den Kettenblattwechsel – automatisch zu einem sinnvollen Zeitpunkt. Und zwar samt Ausgleichsschaltung an den Ritzeln. Als Beispiel: Bei einem 50er-Kettenblatt mit 11-40 schaltet die Nabe an ähnlicher Stelle in die Untersetzung, wo es auch beim GRX Di2-Antrieb Sinn macht. Zwei Ritzel schaltet das Schaltwerk automatisch zum Ausgleich. Auf dem Rückweg passiert das gleiche, nur an einer anderen Stelle, weil es hier Sinn macht, länger auf dem kleinen Kettenblatt zu bleiben.
Wann der virtuelle Kettenblattwechsel erfolgt, ist anders als bei Shimano Synchronized Shifting nicht einstellbar. Über die Wahl der Kassette in der TRP CMD App, legt die Software den Zeitpunkt fest.
Manuelles Schalten
Die Schaltlogik ist ansonsten wie bei Shimano Di2 Rennrad-Schaltungen. Ein Druck auf die vordere Taste am rechten Brems-Schalthebel schaltet in einen leichteren Gang. Die hintere, größere Taste schaltet in einen schwereren. Hält man die jeweilige Taste gedrückt, wird immer weiter geschaltet. Bei ausgeschaltetem Quantumshift fährt das Schaltwerk einfach die Kassette rauf und runter. Alle Gänge werden angesteuert, keine sind ausgenommen – ein weiterer Unterschied zu 2-fach-Systemen.
Am linken Brems-Schalthebel kann man ohne jede Rücksicht auf die Fahrsituation einfach zwischen Untersetzung und Direktgang wechseln. Die Nabe nimmt die Schaltenergie aus der Bewegung, der Gangwechsel erfolgt also nur bei sich drehendem Rad.
TRP Vistar Powershift Übersetzungsvergleich
Im direkten Vergleich mit anderen elektronischen Gravel Bike-Gruppen sind die größere Bandbreite bei gleichzeitiger Einfachheit und das Schalten unter Last die große Stärke der TRP Vistar Powershift Gruppe.
Zum Vergleich: SRAM XPLR 13-fach-Antrieb, den es vorerst nur an der SRAM Red XPLR gibt, entscheidet man sich mit der Wahl des Kettenblattes auch für einen Fokus auf leichtere Gänge oder schnellere Gänge – in den schnelleren Gängen ist er dafür etwas enger gestuft als bei der TRP-Grupe.
Bei der Shimano GRX Di2 2×12 fällt der Vorteil der Einfachheit weg, die Bandbreite rückt aber schon näher. Sie hat einen leichten Nachteil, wenn es um hohes Tempo mit niedriger Trittfrequenz geht und der sinnvolle Kettenblattwechsel erfolgt früher. Die Tabelle zeigt die 3 Schaltungen im Vergleich.
Metric | TRP Vistar Powershift | SRAM XPLR 13-fach | Shimano GRX Di2 2×12 |
---|---|---|---|
Bandbreite | 530 % | 460 % | 507 % |
Gänge (bei einem Kettenblattwechsel) | 16 | 13 | 16 |
Kettenblattwechsel | Ritzel 29 Richtung leicht | entfällt | Ritzel 24 Richtung leicht |
Gangsprünge | 8 % bis 18 % | 8 % bis 21 % | 7 % bis 17 % |
Tempo bei 90 U/Min und 42er Reifen | 11 km/h bis 55 km/h | 12 km/h bis 55 km/h | 10,5 km/h bis 53 km/h |
Ritzelrechner | Schaltung im Ritzelrechner | Schaltung im Ritzelrechner | Schaltung im Ritzelrechner |
Laden und Energieversorgung
Die TRP Vistar Powershift benötigt an drei Stellen Energiequellen: an der Kontrolleinheit im Lenkerende, an der Steckachse der Classified-Nabe und natürlich am Schaltwerk.
Der Akku für das Schaltwerk fällt sehr kompakt aus, so klein, dass problemlos ein zweiter Akku ins Pannen-Kit passt. Die Laufzeit gibt TRP mit mindestens 40 Stunden und maximal 60 Stunden an, was etwa auf SRAM Niveau liegt. Leer fahren konnten wir den Akku aufgrund des Radwechsels im Test nicht. Die Ladeschale ist ebenfalls ähnlich kompakt wie bei SRAM. Der Akku in der Steckachse der Classified Nabe wird per Micro USB Kabel geladen. Er soll aber erheblich länger halten, nämlich 3 Monate.
In der Bar End Unit kommen Batterien des Typs LR44 zum Einsatz. Hier dürfte die Laufzeit wie bei allen anderen Herstellern eher im Jahresbereich liegen.
Der Ladestand aller Teile ist jeweils auch über die App einzusehen, und nur dort.
TRP Command App
Wie bei anderen elektronischen Schaltungen ist die passende App für die komfortable Nutzung der TRP Vistar Powershift eigentlich unabkömmlich. Über sie laufen Software-Updates, sie beinhaltet die Ladestands-Anzeige. Die Bedienung ist selbsterklärend. Pairing und Updates liefen im Test reibungslos.
Auch beim Einstellen der Schaltung ist die App ein großer Vorteil. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schaltsystemen kann über sie nämlich die Position des Schaltwerks zu jedem Ritzel einzeln feingetunt werden. Grundsätzlich geht die Feineinstellung aber auch ohne App über die Bar Ende Unit.
Auch mit dem GPS-Gerät lässt sich die TRP Vistar-Schaltung verbinden und die Ganganzeige kann über das Display erfolgen. Nötig ist das allerdings bei der Quantumshift-Funktion nicht, da man ja in den Beinen merkt, wann man schalten muss und dann einfach schalten kann.
TRP Vistar Powershift Komponenten im Detail
Da über die Classified-Nabe innerhalb der letzten 5 Jahre und in diesem Artikel schon alles mehrfach gesagt wurde, beschränke ich mich hier auf die Komponenten, die neu mit der Gruppe hinzugekommen sind.
TRP Vistar Brems-Schalthebel
Die TRP Vistar Brems-Schalthebel erinnern stark an Shimano Di2-Pendants. Anordnung und Gestalt der Schalttaster im Bremshebel sind kaum von dem japanischen Pendant zu unterscheiden.
An den Hoods greifen sich die TRP Vistar-Modelle aber etwas anders. Sie fallen am Übergang zum Lenker gefühlt breiter aus und bieten auch nach vorne eine breitere Ablagefläche. Der Bremshebel ist auch für das Bremsen mit zwei Fingern gut geformt und aus dem Unterlenker gut zu erreichen. Hinter einer Gummikappe verbirgt sich die Hebelweitenverstellung.
Das Gewicht mit Bremssätteln soll bei 463 g pro Shifter liegen – rund 100 g mehr als bei einer SRAM Red. Im Fahrbetrieb zeigten sich die Shifter ausgesprochen leise, auch auf groben Gravel-Pisten gab es kein Gerappel zwischen Hebel und Griffkörper.
Bar End Unit
Die Schaltzentrale der Gruppe sitzt im Lenkerende. Sie stellt die Funkverbindung zu Schaltwerk und Nabe her und sorgt dafür, dass sie abgestimmt schalten. Auch die App fürs Smartphone verbindet sich zuerst mit der Head Unit.
Bremsen
Die hydraulischen TRP Vistar-Bremsen sind ein echtes Highlight der Gruppe. Die einteiligen Bremssättel sehen zwar vergleichsweise langweilig grau lackiert aus, überzeugen aber funktional rundum.
Die Beläge werden von zwei Kolben an die Rotoren gepresst. Im eingefahrenen Zustand ist der Abstand dabei so groß, dass die Bremse zu keiner Zeit schleifte. Beläge lassen sich auch von oben in den Bremssattel einbauen. Als Bremsmedium dient Mineralöl.
Das Entlüften funktionierte einfach und rasch nach einem ähnlichen Prinzip wie bei Shimano mittels Trichter auf dem Bremshebel und Stöpsel zum Verschließen.
Wahlweise sind zwei verschiedene organische Belagstypen mit unterschiedlicher Mischung zu haben, erkennbar an rotem oder blauem Belagsträger. An unseren beiden Testbikes konnten wir beide Farben ausprobieren. Dabei gefielen „die Blauen“ mit knallhartem Druckpunkt und viel Biss und sehr guten Nassbremseigenschaften – mein klarer Favorit für den Ganzjahres-Gravel-Einsatz, trotz gelegentlichem Quietschen. Aber auch mit „den Roten“ wirkte der Druckpunkt fest. Sie sind in Sachen Bissigkeit etwas einstiegsfreundlicher und legten auch bei Nässe kein Quietschen an den Tag. Tipp: Da die Belagsform identisch mit den Shimano Road-Belägen ist, eignen sie sich auch als geräuscharmer Ersatz für die Shimano-Stopper.
Schaltwerke
Die TRP Vistar Powershift-Gruppe kann mit zwei verschiedenen Schaltwerken kombiniert werden. Zur Wahl stehen:
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- Gravel Schaltwerk: für Kassetten bis 40 Zähne, mit Dämpfung, Gewicht: 361 g inklusive Akku
- Road Schaltwerk: für Kassetten bis 34 Zähne
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Neben der höheren Käfigspannung gegen das Kettenschlagen besitzt das Gravel-Schaltwerk auch größere Schaltrollen von 14 Zähnen unten und 12 Zähnen oben. Beim Road-Schaltwerk sind es 11 Zähne. Kugellager in den Rollen sollen für reibungsarmen Betrieb sorgen. Ein Carbon-Käfig hält das Gewicht gering.
Kassetten
Weil man auf die Classified-Kassetten für den speziellen Freilaufkörper angewiesen ist, spielen sie natürlich eine große Rolle. Insgesamt vier 12-fach-Ritzelpakete stehen zur Auswahl. Sie werden aus einem Block gefräst. Ihr Gewicht fällt deshalb recht gering aus, allerdings sorgte die Bauweise im Fahrtest auch für lauteren Kettenlauf in bestimmten Fahrsituationen. Die Kassetten sollen speziell auf KMC-Ketten abgestimmt sein. Die Abstufungen im Überblick:
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- Straße 11-30 11/12/13/14/15/16/18/20/22/24/27/30 (199 g)
- Straße 11-32 11/12/13/14/15/16/18/20/22/25/28/32 (214 g)
- Gravel 11-36 11/12/13/15/17/19/21/24/27/30/33/36 (263 g)
- Gravel 11-40 11/12/13/15/17/19/21/24/28/32/36/40 (263 g)
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Kurbeln
Bei den Kurbeln hat man die Wahl zwischen Classified und TRP. Beide sind mit 30-mm-Wellen ausgelegt und haben Carbon-Kurbel-Arme. Bei beiden gibt es eine Gravel- und Road-Variante mit unterschiedlichem Q-Faktor (Road 146 mm) und Kettenlinie. Die TRP-Kurbel ist dabei mit rund 630 g für das Road-Modell minimal leichter als die Classified Variante. Classified wartet dafür mit geschlossenen Aero-Kettenblättern auf (182 g bei 50 Zähnen).
Die Kettenblätter docken über die Cinch Mount-Bauweise an, die etwa auch an Easton- oder RaceFace-Kurbeln zu finden ist. Die verfügbaren Kettenblattgrößen reichen von 46 bis 52 Zähne für den Road-Einsatz. Bei Gravel hat man die Auswahl von 44 bis 48 Zähne bei TRP und bei Classified gibt es entweder 46 Zähne oder 48 Zähne.
Minimal eingeschränkter ist man bei der Längenauswahl. Mit 170 mm, 172,5 mm und 175 mm stehen bei TRP drei Längen zur Auswahl – 165 mm sollen ab Juli zur Verfügung stehen, 160 mm sind nicht geplant.
Da die Kettenblätter und Ritzel für KMC-Ketten ausgelegt sind, dürften auch andere Kurbeln mit entsprechender Kettenlinie (Road: 45 mm und Gravel 49,7 mm) kompatibel sein.
Die Kurbeln im Überblick:
Classified Aero
- Kurbelarm: Carbon
- Gewicht: 650g
- Kettenblätter: 46T, 48T, 50T, 52T Road | 46T, 48T Gravel
- Q-factor: Road 146 mm, Gravel 154mm
- Kettenlinie: Road 45.0mm (50T, 52T), Gravel 49.7mm (46T, 48T)
- Für Achse: 30 mm
TRP Road
- Kurbelarm: Carbon Längen: 165, 170, 172.5, 17 5mm
- Kettenblätter: 50T/52T
- Kettenlinie: 45mm
- Q-Factor: 146mm
- Benötigtes Tretlager : 30 mm Achse
- Gewicht: 632.9g (172.5, 52T)
TRP Gravel
- Kurbel: Carbon
- Längen: 165, 170, 172.5, 175mm
- Kettenblätter: 50T, 52T
- Kettenlinie: 49,7 mm
- Q-Factor: 151 mm
- Benötigtes Tretlager : 30 mm Achse
- Gewicht: 620 g (172.5, 48T)
TRP Vistar Powershift Test
Für unseren TRP Vistar Powershift Test konnten wir ein Factor Ostro Gravel und ein Argon18 Sum Pro Aero-Rennrad mit den zwei verschiedenen Gruppen über einen längeren Zeitraum fahren – wie immer werden die Räder nach dem Test retourniert. Insgesamt 600 km wurden mit den Bikes zurückgelegt.
Fangen wir mit dem Erstaunlichsten an: Das Schalten der Classified Powershift-Nabe ist unter Volllast möglich, so war es oft zu lesen. Ich konnte es aber nicht glauben, weil andere Getriebehersteller schon ähnliche Behauptungen aufstellten, aber nie 100-prozentig einlösten (man denke: Pinion).
Also bin ich gleich mit dem Factor Ostro VAM Gravel Bike zum steilsten Stich der Gegend (20 % auf 100 m) gefahren, 700 Watt auf die Kette und dicken Gang an der Nabe rein. No problemo. Jedenfalls für die Technik. Ich konnte danach kaum noch die Kurbel drehen. Deshalb gleich wieder zurück in den kleineren Gang, aufs virtuelle kleine Blatt. Wieder: nicht die Spur einer Verzögerung, schlichte Funktion in Sekundenbruchteilen, ohne Krachen im Getriebe. Mit einem echten Umwerfer wäre das undenkbar, Kettenabwurfgefahr oder komplettes Schaltversagen wären wahrscheinlich.
Und auf diese einzigartige Funktion sattelt die TRP Vistar Powershift noch das einfache Durchschalten der 16 sinnvollen Gänge (Gravel: 15) auf, eben die Quantumshift-Funktion. Eigentlich macht erst der 100-prozentig zuverlässige virtuelle Kettenblattwechsel der Nabe das möglich. Und über Quantumshift sind gar nicht viele Worte zum zu verlieren. Es ist fast schon zu simpel: Für einen leichteren Gang vorne am Shifter drücken, schwerer wird es hinten. Und das funktioniert in jeder Situation, immer, knackig, aber noch sanft genug. Wenn an Schaltwerk und Nabe gleichzeitig geschaltet werden muss, um den optimalen Anschlussgang zu finden, fällt die Verzögerung geringer aus als bei der Kettenschaltung. Man tritt auch nur kurz ins Leere, wenn die Nabe in den kleineren Gang wechselt – so kurz, dass es kaum als Nachteil gelten kann.
Nach kürzester Zeit gibt es kein Nachdenken mehr. Einfach nur schalten, schalten, schalten, wie es gerade passt. Im Grunde wie bei einem 1-fach-Antrieb, aber mit mehr Gängen.
Aber zahlt sich das in der Praxis auch wirklich aus – abgesehen von den besseren Gangreserven in den großen und kleinen Gängen? Auf Gravel lautet die Antwort klar und deutlich: ja. Hier gibt es häufig Situationen, in denen ein Gangwechsel – auch über mehrere Gänge – schnell und relativ unvorhersehbar unter Last erfolgen muss. Zudem sind traditionelle Gravel-Gruppen grundsätzlich gröber abgestuft. Mit dem Factor Ostro Gravel war das Kadenz angepasste Roulieren auf flachen Feldwegen ebenso ein Vergnügen wie das Klettern.
Zum Vergleich: Ein für Gravel großes 50er-Kettenblatt ergibt ein virtuelles 34er-Kettenblatt in der Nabe. Anders als bei reinen 2-fach-Kettenschaltung ist hier mit dem Gravel-Schaltwerk aber auch die Kombi mit der 11-40-Kassette ganz offiziell vorgesehen. Daraus ergibt sich ein breiteres Spektrum.
Zudem läuft die Bedienung mit den TRP Vistar Brems-Schalthebeln genau wie bei einer Shimano Di2. So kann – für bisherige Di2-Nutzer – sehr intuitiv Gebrauch von der Funktion gemacht werden. Aber auch wenn man von anderen Gruppen kommt, ist das Schalten ein Kinderspiel. Übrigens verriet mir am Ende des Tests ein Gravel-Rennfahrer, dass das geräuschlose Schalten aufs große Blatt im Sprint sozusagen eine Art Geheimwaffe ist.
Wahrscheinlich nicht mehr lange, denn die Gruppe könnte nach ihrem offiziellen Debüt größere Verbreitung im Gravel-Einsatz finden. Vor allem kompetitive Graveller mögen 1-fach Set-ups, eben wegen ihrer Einfachheit. So haben sie eine Defektquelle weniger.
Für Zuverlässigkeit scheint jedenfalls gesorgt. Auf den 600 km mit der Gruppe auf Gravel und Straße gab es keinerlei Probleme. Nachfragen am Rande von Rennen bei Athleten gaben das gleiche Feedback, keine Probleme (auch bei Nutzung von Classified mit Shimano- oder SRAM Antrieben).
Auch am Argon18 Sum Pro Testrad kann die TRP Vistar Powershift überzeugen. Mit dem 52er-Single-Kettenblatt stellt die Classified-Nabe ein virtuelles 36er-Kettenblatt zur Verfügung. Zusammen mit der 30er-Kassette ergibt sich eine sportliche, aber noch gute Übersetzung für die hügelige Gegend am Redaktionssitz.
Hervorragend gefiel mir das Verhalten im Direkt-Gang, wo das Argon18 schnurrte wie ein Kätzchen. Was am Rennrad mehr auffiel als am Gravel Bike, war eine erhöhte Geräuschentwicklung bei schrägem Lauf der Kette in der Kombination großes Blatt zu den drei größten Ritzeln. Zumindest das zweitgrößte Ritzel wird dabei auch im Quantumshift angesteuert. Generell wirkte der Antriebsstrang geräuschvoller – vor allem im direkten Vergleich zu dem in dieser Hinsicht vorbildlich leisen SRAM XPLR 13-fach-Antrieb. Auch die Nabe selbst klingt in der Untersetzung kerniger als ein klassischer Kettenantrieb, was ebenfalls besonders deutlich zu vernehmen ist in den Gängen mit hohem Drehmoment, ergo auf den großen Ritzeln. Laut TRP liegt das unter anderem an der Kassetten-Freilauf-Konstruktion – die Ritzelpakete sitzen auf einer Art Hohlkörper. Im Gravel-Einsatz übertönt das Knirschen der Reifen das Geräusch locker. Liebhaber des ganz geräuschlosen Gleitens auf der Straße sind mit einem klassischen Umwerfer-Antrieb von Shimano immer noch am besten bedient. Auf dem Schotter dürften auch empfindlichere Ohren glücklich werden.
Unser Argon 18 Sum Pro Testrad in Größe L kam mit Powertap P1 Pedalen und Flaschenhaltern an der Waage auf ein Gewicht von 8,5 kg – sicherlich kein Rekordwert für ein Rennrad mit sub 900-g-Carbonrahmen. Dabei sollte man für einen fairen Gewichtsvergleich die Pedalen mit 400 g für das Paar abziehen. Auch der Laufradsatz mit der breiten Vittoria All-Road-Bereifung (30 mm) und den hohen Felgen drückt ordentlich auf die Waage (circa 3.800 g). Zieht man noch einmal rund 220 g für das „Übergewicht“ des Reifenpaares mit erhöhtem Pannenschutz gegenüber durchschnittlichen 28-mm-Clincher-Reifen mit Schlauch ab, bliebe die Waage immer noch bei 7,9 kg stehen. Einen leichten Gewichtsaufschlag muss man also für die unkomplizierte Schaltungstechnik akzeptieren.

Einen hervorragenden Eindruck hinterließen die TRP Vistar-Bremsen: Sie bieten einen sehr definierten, festen Druckpunk und lassen sich gut dosieren, tendieren nicht ganz so zur fast übertriebenen Bissigkeit wie Shimano Road-Bremsen. Dabei zeigten sie sich sehr standfest auch bei langen, harten Bremsungen. Noch besser: Selbst wenn die Rotoren heiß wurden, trat kein Schleifen auf, wie es Rennrad-Disc-Bremsen anderer Hersteller schon mal aufweisen. Auch die Ergonomie stimmt .
Etwas überraschend war, dass während einer Abfahrt auf einer schlechten Straße die Kette einmal vom Single-Kettenblatt des Rennrades sprang (während das beim Gravel Bike trotz ruppigster Wege nie vorkam). Wer mit dem Allroad-Einsatz-Gedanken spielt, wofür die Gruppe geradezu prädestiniert ist, sollte entweder zum Gravel-Schaltwerk mit 36er-Kassette greifen oder mit Road-Schaltwerk einen Chainguide montieren. Findet der Umwerfer-Montageplatz doch noch Verwendung am Rennrad.
Am Gravel Bike ist wiederum die Chance, Modelle mit 2-fach-Schaltung zu fahren, die gar nicht für Umwerfer vorgesehen sind, ein Plus. Erwähnte ich es schon?
TRP Vistar Powershift Test Fazit
Mit 16 narrensicher durchschaltbaren Gängen hat die TRP Vistar Powershift ein klares Alleinstellungsmerkmal. Der Schaltvorgang ist absolut zuverlässig unter jeden Umständen und auch unter Volllast geschmeidig. Zudem schaltet Quantumshift schneller als mit manuellem Kettenblattwechsel. Wer schalten ohne Nachdenken will oder Robustheit im Betrieb UND größtmögliche Bandbreite braucht, sollte sich mit der TRP Vistar Powershift befassen. Auch die Bremspower und Charakteristik sind auf Top-Niveau. Der Preis dagegen liegt unter den meisten Top-Gruppen der Konkurrenz. Nicht ganz leicht macht den Umstieg die Zwangskombi mit eigenen Kassetten, Schrägstrich Laufrädern. Ein kleiner Abstrich ist auch das höhere Laufgeräusch des Antriebs, das aber im Gravel-Einsatz hinter den Vorteilen zurücktritt.
Pro / Contra
Stärken
- Einfachstes Schalten von 16 Gängen
- Schalten unter Volllast
- Hervorragende Bremsen
- Single-Kettenblatt Gravel Bikes 2-fach fahrbar
- Mehr Reifenfreiheit als 2-fach bei gleicher Bandbreite und engen Gangsprüngen
Schwächen
- Etwas schwerer
- In Untersetzung geräuschvoller als 2-fach
- Nur proprietäre Kassetten/ Laufräder nutzbar
Wo seht ihr die TRP Vistar Powershift im Konzert der großen Schaltungshersteller?
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