Es ist ja immer interessant, dass an solchen Themen stets binnen Kurzem ganze Menschen- und Weltbilder, bis hin zu Staats- und Gesellschaftstheorien entwickelt weden können. Das Problem ist immer das frei flottierende Wechseln zwischen pragmatischen Einwürfen und abstrakteren Erwägungen, durch das am Ende immer weniger klar ist:
"Diskutieren wir das Spannungsfeld individueller und sozialer Freiheitsrechte und die Sinnhaftigkeit staatlich-obrigkeitlicher Regulationsmaßnahmen, diskutieren wir die wirtschafts, -arbeitsmarkts- oder fiskalpolitischen Aspekte in ihren Auswirkungen auf solidarfinanzierte Sicherungssysteme, geht es um "Genuss" versus "Suchtkrankheit", oder diskutieren wir Tischsitten und subjektive Störfaktoren im Zusammenleben."
Ich persönlich habe 15 Jahre stark geraucht und bin als inzwischen "trockener Nikotiniker" mitunter etwas hin- und hergerissen:
Blockvorlesungen wurden zu meiner Zeit an der Uni noch zu Rauchpausen unterbrochen, die Gänge und Foyers waren oft regelrecht vernebelt, die meisten Universitätsprofessorinnen und -professoren pflegten bei der Abnahme mündlicher Prüfungen zu qualmen.
Im Beruf habe ich es noch erlebt, dass im Geschäftsleben in Sitzungen ganz selbstverständlich nebenher geraucht wurde. Die "dienstbaren Geister" hatten bei Besprechungen nicht nur Kaffeetassen, sondern auch Aschenbecher hinzustellen, in jedem Direktionskasino wurden vor dem Essen vom Barwagen starke alkohollastige Aperitifs angeboten, und hinterher wurden Tabletts mit mehreren Sorten Zigaretten und Zigarren samt Firmenstreichhölzern angereicht. Nur die Pfeifenraucher waren Selbstversorger und mussten darauf achten, dass es bei der sogenannten "kurzen Pfeife" blieb, da die "Normalpfeife" in Gesellschaft als etwas unschicklich galt. - Alte Fotos sogar von Sitzungen des Bundeskabinetts zeigen die "Rauchwarentabletts", Autorenfotos auf Buchpublikationen pflegten den Autor auch mal gern mit Rauchware zu zeigen, was wohl dem Zeitempfinden nach eine Art "Intellektualitäts-" oder "Wohlstands-Insignie" darstellte. Man denke auch an die älteren Krimis, Serien und Spielfilme.
Noch in den Jahren meiner Ausbildung konnte es vorkommen, dass ein "Gastgeber" einem auch rasch zwischendurch von seinen Tabakerzeugnissen anbot, bis hin zur "Prisn" im bayerischen Volksstamm.
Einerseits fasziniert mich diese frühere Sorglosigkeit noch immer. Es ging in diesen Zusammenhängen irgendwie entspannter und weniger dogmatisch-prinzipiell zu. Wir Raucher waren nette Leute, und die Nichtraucher, denen in dieser Hinsicht freilich manchmal ganz schön was zugemutet wurde, auch. In diesem Klima habe ich "wie von selbst" mit dem Rauchen begonnen. Über Nichtraucher(schutz) hat sich in alledem keiner Gedanken gemacht, das war gar kein Thema.
Andererseits: Hätte sich das gesellschaftliche Klima nicht gedreht (bzw. wäre es nicht gewaltsam "gedreht worden"

) , wäre auf der Bahn das Raucherabteil nicht abgeschafft worden, hätte man nicht das Rauchverbot in weiten Teilen der Gastronomie durchgesetzt, und so die Gelegenheiten minimiert, hätte ich wahrscheinlich nicht aufgehört, als ich zugleich den Sport neu entdeckte. Heute bin ich über die eigene Befreiung vom Glimmstengel froh. Wenn ich einem rauchenden Zeitgenossen begegne und grinsend sage: "Ich habe glücklicherweise vor zwei Jahren aufgehört, aber ich riech's draußen manchmal wieder ganz gern." dann ernte ich extremes Erstaunen, dass ich keinen Gesundheitsgefahren-Grundsatz-Vortrag halte.
In verqualmten Räumen kann ich es heute selbst nicht mehr gut aushalten. Das ist schon seltsam alles.
Nur: Es belastet mich überhaupt nicht.
