Stadler und der Journalismus
Eigentlich wollte ich ja hier einige Zitate anbringen - in der Richtung "Interview", "autorisiert", "nicht autorisiert", "Vorsicht bei den Medien".
Ich zitiere nicht, will aber als Mann vom Fach ein paar Dinge ins rechte Licht rücken:
1. Wer weiß, dass er sich gegenüber Journalisten äußert, muss damit rechnen, zitiert zu werden. Das bedarf eben keiner Autorisierung. Vor allem so genannte relative Personen der Zeitgeschichte, zu denen auch Stadler gehört, sollten sich also grundsätzlich überlegen, was sie sagen. Wollten wir Journalisten uns jedes Zitat autorisieren lassen, wären wir handlungsunfähig. Das entbindet den Schreiber freilich nicht von seiner Verantwortung sowohl gegenüber dem Leser als auch gegenüber dem Zitierten. Manches rutscht so raus und man zitiert es halt nicht und basta! Wer dazu näheres wissen will, der sollte sich mal den Ehrenkodex des Deutschen Presserates zu Gemüte führen - eine Art Standeskodex für den Journalisten.
2. Beim Interview verhält sich die Sache anders. Dort gebietet journalistische Sorgfaltspflicht in aller Regel eine Autorisierung. Das heißt, der Interviewte erhält eine Art Vorabdruck um zu bestätigen: Ja, das habe ich genau so gesagt. Nur in wenigen Ausnahmefällen kann/darf/sollte der Journalist davon Abstand nehmen. Die Kollegen von der FAZ allerdings - so sagen es meine Erfahrungen - lassen Interviews grundsätzlich autorisieren. Solche Aussagen wie "hier das Interview, aber unautorisiert", sind imho Schwachsinn. Stadler (oder sein Sprecher/Manager) hat also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch mal lesen dürfen, was da gedruckt erschien.
3. Fazit: Einem schlampigen Journalismus (den es öfter gibt, als mancher Leser glaubt) die Schuld für diesen Ausfall in die Schuhe zu schieben, halte ich für illegitim.
Im übrigen darf nicht vergessen werden, dass eine Wahl zum Sportler des Jahres immer eine subjektive Wahl ist. Da sie in der Mehrheit von Sportjournalisten vorgenommen wird, geht es hier tatsächlich um die Medienrelevanz. Da kann es leicht passieren, dass ein Olympiasiebenter in einer (für andere) unwichtigen Disziplin plötzlich weiter vorn steht, als ein Weltmeister. Und vergleichen lassen sich die Leistungen ja wirklich nicht.
Ganz abgesehen davon gehe ich davon aus, dass jeder faire Sportsmann die Leistungen anderer Sportler zumindest respektiert.
Diesen Respekt vermisse ich bei Stadler. Was er an den Tag legte, war ein unreifes Neid-Gegreine. Deswegen bleibt er ein Klasse-Athlet - die Konsequenzen seiner Sprüche allerdings muss er freilich selbst tragen.
Grüße
Kentucky