MdRzA: Zuerst bei Aufbruch Hausrotschwänz-z-ch-ch-ch-chengesang in dezent klammer frühlingssüßlicher Morgenluft, später an einer Bordsteinkante ein Schlangenbiss aus Übermut. In der Stadt dringt aus dem heruntergelassenen Fenster eines alten silbernen Chevrolets ein würziger Rauchschwall, der die Erinnerung an Opa Fritz' Zigarrenwolke aufleben lässt.
MdRnH: Frühling in kurz/kurz. Ein MTBiker, der mit durchdringend quietschenden Güterzugbremsen hinter mir zum Roteampelgespräch hält, Kirschbäume in voller Blüte und Magnolienblüten kurz vor deren Entfaltung sowie ein kleiner Steppke, der noch etwas wackelig die rechte Hand vom Lenker nimmt, diese hochkonzentriert und mit Stolz lässig zum Gruß hebt und "hallo" piepst.
Was gibt es sonst noch zu berichten?
Kollegin I. behauptete am Nachmittag, als ich mit ihr einen Abstecher zur Kaffeemaschine machte, dass ich es übertrieben hätte und zu sehr vorgeprescht sei. Ich sei zu offensiv an die Sache herangegangen. Dabei war sie doch gar nicht mit dabei, als ich Mittags mit Kollege B. und Kollege Martin dem türkischen Grillimbiss einen Besuch abgestattet hatte.
Ich gebe zu, dass ich angesichts der knappen Zeit ein wenig nervös war und die Sache irgendwie noch retten wollte. Und in einem Punkt waren Kollegin I. und ich uns ja letzte Woche noch einig gewesen. Wenn wir es schaffen wollten, dass Kollege B. am kommenden Mittwoch mit seinem Trekkingrad am Treffpunkt der Radsport-Anfängergruppe der Uni auftaucht, dann wäre das überzeugendste Argument, dass er für seine große Moselweinschleife-in-zwei-Etappen jetzt Training bräuchte.
Oft genug hatte ich früher schon zum Besten gegeben, dass jeder, der wahlweise nur etwas Kondition oder den nötigen Biss mitbringt, bei der ersten Fahrt der Anfänger auch ohne Rennrad mitfahren könne. Und Lars, der die Gruppe leitet, wird vermutlich auch dieses Jahr wieder bei der ersten Fahrt mit dem MTB auftauchen. Womöglich hat er auch wieder einen großen Bundeswehrrucksack auf dem Rücken, über dessen Inhalt spekuliert werden darf. Zwei große Säcke Kartoffeln? Grillkohle für den gesamten Sommer? Vielleicht auch seine Hanteln? Eines ist sicher: Hauptsache schwer. Kollege B. fasst das alles aber bisher anscheinend noch immer als Scherz auf.
Beim Mittagessen musste Martin - frisch aus dem Urlaub zurück - ersteinmal auf den aktuellen Stand gebracht werden. Dabei hat Kollege B. übrigens seine Distanzangabe korrigiert. Aus den bisher saloppen "etwas über 400" sind nach weiterem Stricken an der Route und genauerem Messen 480 geworden. Das ist eine große Zahl, die Kollege B. in starkes Zweifeln bringt, ob das mit den zwei Etappen zu schaffen ist. Und darauf zielte anscheinend auch Kollegin I.s Rechenbeispiel ab, in das Kollege Martin und ich hineingeplatzt waren, als wir zum Mittagessen abholen wollten. Es war ein Rechenbeispiel, bei dem es um Fahrstunden ging. Argumente für ein Rad, das leichter rollt und mehr Strecke erlaubt. Kollegin I. hatte also wieder am Projekt "Ein Gravelbike für Kollege B." gearbeitet.
Aber zurück zum Mittagessen. Diese 480 - so einschüchternd und so reizvoll zugleich - waren eine gute Vorlage. Also ging ich in die Vollen. Es gäbe keine Zweifel, dass Kollege B. Training brauche. Er solle mit seinem Trekkingrad auftauchen und den jungen Studierenden zeigen, was Sache ist. Ich würde mit ihm zusammen fahren. Natürlich mit meinem MTB. Und falls er bis Mittwoch irgendwo ein Bonanza-Rad auftreiben würde, dann würde ich auch mit diesem fahren. (Das mit dem Bonanza-Rad würde ich übrigens des Spaßes wegen wirklich gerne mal ausprobieren

)
Ich habe mit allem gerechnet. Aber vor allem mit einer klaren Ablehnung. Zu meiner Überraschung zeigt sich Kollege B. interessiert. "Wann?" "Mittwoch 17 Uhr." "Wo?" "Eismännchen." Hm. Kollege B. denkt. Die Sache mit dem Trekkingrad bereitet ihm noch Unbehangen. Kollege Martin springt ein. Er bietet Kollege B. an, dass er ihm sein Rennrad leiht. Stahlrahmen. Rahmenschaltung. Mehrfach betont Martin noch, dass aber der Gepäckträger nicht abgeschraubt werden dürfe. Eine eindringliche Warnung, die er anscheinend in die Runde ausspricht. Nicht dass der Herr Leone nach den Regeln der Velominati Veränderungen an dem guten Stück durchführt! Ein
Helm? Kollege Martin springt wieder ein. Zu jeder Frage findet sich eine Antwort.
Als ich Feierabend mache und gerade losfahren möchte, winkt mir Kollegin I. zum Abschied durch das Bürofenster zu. Kollege B. dreht sich daraufhin nach mir um. Ich rolle ans Fenster heran. Du kannst ja noch eine Nacht darüber schlafen, meine ich zu ihm. Nein, sagt er und klingt dabei entschlossen. Er sei dabei. Er wolle das jetzt mit dem Rennrad ausprobieren.