@SprintLooser:
Hier mein "Erlebnisbericht" aus unserem Vereinsforum:
Sonntags rollten wir um 6:15 Uhr zum Start. Bei 14° Grad Außentemperatur und ganztägigem Sonnenschein reichten Windweste und Armlinge als zusätzliche Bekleidung aus. Demütig gesellten wir uns in den hinteren Teil des knapp 4.400 Radler großen Starterfelds und warteten auf den Startschuss um 6:45 Uhr.
Dieser fiel pünktlich und rund 10 Minuten später rollten auch die Hinterbänkler bergab gen Oetz (ca. 40 Kilometer). Die Abfahrt war erwartungsgemäß locker und das Fahrerfeld sehr diszipliniert, nur vereinzelt schossen einige wie wild durch das Feld um Plätze gut zu machen. Wir hatten von Beginn an einen Bekannten dabei, der bereits mehrfach gestartet war und uns unterwegs ein paar Tips gab.
In Oetz angekommen ging es rauf zum Kühtai. Auf 17 km Anstieg waren 1.700 hm zu bewältigen, wofür wir 2:02 Stunden brauchten. Das Feld war dort noch dicht gedrängt und demenstprechend fiel es uns schwer, den eigenen Tritt an dem sehr unrhythmisch zu fahrenden Anstieg zu finden. Dennoch machten wir im Anstieg rund 700 Plätze gut (!). Nach der ersten, überfüllten Labestation ging es in die Abfahrt nach Innsbruck. Hier erreicht man durchaus dreistellige Geschwindigkeiten,ich hatte mir zuvor die Grenze 80 km/h gesetzt, weil überall mit Weidevieh zu rechnen war und die in die Straße eingelassenen Weidegitter eine für uns noch unberechenbare Gefahr (sind tatsächlich total harmlos) darstellten.
So verloren wir auch mangels guter Gruppe bis Innsbruck wieder knapp 400 Plätze. Wir hatten zwar eine Gruppe - allerdings direkt hinter uns. Kaum jemand wollte Führungsarbeit leisten und selbst aufgefahrene Gruppen zerfielen sofort.
Nun wartete der sanfte und kaum spürbare Anstieg zum Brenner (38 km / 700 hm). Ein angenehmer Rollerberg. Wieder holten wir 280 Plätze auf, wieder fehlte uns auf diesem Anstieg eine gute Gruppe, mit der deutlich mehr drin gewesen wäre. Auf dem Brenner wurde Verpflegung aufgenommen, die Labe war so voll, dass ich die Warmverpflegung erst auf späteren Fotos entdeckte.......
Die Abfahrt vom Brenner findet kaum statt, schon sieht man sich dem Aufstieg zum Jaufenpass ausgesetzt. Auf 21,6 km erwarten den Radler 1.130 hm, der Anstieg selbst verläuft zumeist im schattigen Wald, was bei knapp 30 Grad und voller Sonne ein echter Segen war. Der Anstieg ist ausgesprochen gleichmäßig zu fahren, wir überholten stetig und konnten wieder 400 Plätze rausfahren. An der Labe hieß es reichlich zu trinken und die Flaschen aufzufüllen.
DieAbfahrt bietet aufgrund sehr schlechter Straßenverhältnisse, enger Kehren, Felsvorsprüngen und schmaler Fahrbahn keine Gelegenheit zur Erholung, man kommt verkrampft im Tal an und an die Abfahrt schließt sich direkt der 31,4 km lange Anstieg zum Timmelsjoch an, die Höhendifferenz von 1.759 Metern lässt nichts Gutes erahnen.
Und dieser Berg hat es in sich. Insbesondere auf dem Weg zur Labe Schönau warten meist zweistellige Steigungsprozente, die Temperaturanzeige am
Garmin kratzte an der 40er-Marke und das Wasser strömte nur so aus dem Körper. Nach mehr als 180 Kilometern und der nicht-vorhandenen Ruhephase am Jaufen zehrt dieser Aufstieg am Körper. Mit selten mehr als 10 km/h schleppt man sich Meter um Meter den Berg rauf, gesprochen wird im Fahrerfeld längst nicht mehr, überall an den Seiten sitzen Radler im Schatten, der Blick leer, die Strapazen sichtbar. Auf halber Strecke zur Labe Schönau eine kleine Zwischenverpflegung. Wasser.
Der Puls sinkt nicht unter 170 Schläge, ich schütte mir Wasser über Arme, Beine und Kopf und setze mich 10 Minuten in den Schatten. Noch 17 Kilometer bis zur Passhöhe = knapp 2 Stunden Quälerei. Weiter geht's, die Pause tat gut. Wie in Trance kurbelt man weiter, hat kaum einen Blick für die unglaublich schöne Landschaft unterhalb der Passstraße. Dann wird es etwas flacher, die Labe Schönau taucht auf.
Vorsichtig ausklicken und absteigen - die Muskeln verhärten sich, nur keinen Krampf bekommen. Vor mir steht eine Italienerin und bittet um Salz in ihr Wasser. Dem schließe ich mich an und würge die Salzwassermischung runter. Im Nachhinein betrachtet die beste Idee des Tages, im weiteren Verlauf löst sich die Muskulatur wieder, das krampfartige Gefühl verschwindet. In den offenen Flaschen schwappt das RedBull-Cola-Gemisch hin und her, das Rad wird klebrig und nach Gummibärchen durftend erst am Mittwoch grundgerinigt.
Der weitere Anstieg ist von der Labe Schönau gut erkennbar, blickt man doch direkt auf den Rest des Bergmassivs in das sich die Serpentinen im Zick-Zack eingraben. Kehre um Kehre wuchtet man sich nach oben, blickt runter in die Tiefe, wieder eine Kehre, überall sitzen Fahrer, ruhen sich aus. Die Labe Seebertal lassen wir links liegen, nur noch 7,4 Kilometer. "Go hard or go home" hat jemand auf ein Transparent geschrieben. Ja, hart ist das wirklich. Keine Entlastung, kein Rollen, die Luft wird immer dünner, die Kräfte gehen zuende.
Und dann der Tunnel, Passhöhe, die Strecke wird flach, man fährt in den Tunnel ein, es ist dunkel, kalt, leicht modrig. Das Geräusch der Ketten und Freiläufe wird reflektiert, niemand spricht aber allen ist klar, wir haben es geschafft! Ausgangs des Tunnels warte ich auf meinen Mitfahrer, der ausgerechnet im Dunkeln mit einem Wadenkrampf halten muss. Kurz darauf geht es weiter. Die Auswertung zeigt, dass wir selbst am Timmelsjoch knapp 200 Plätze gutmachen konnten.
Abfahrt, Windweste an, denn es ist kalt. Mit 80 Sachen an den Kühen vorbei, die Kehren anbremsen, kurzer Gegenanstieg zur Mautstation und dann geht's nur noch bergab nach Sölden. Laufen lassen, entspannen, nicht nur die Beine sondern auch der Rücken schmerzt. Zieleinfahrt. Netto 10:10h und damit 10 Minuten überm eigenen Ziel, alles gut.
Eine Grenzerfahrung, ein Riesenerlebnis. Und warum auch immer, nächstes Jahr ist der Ötzi wieder gesetzt. Und ich freu mich jetzt schon drauf.