kokomiko2
Low Budgetier
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Am Gedenktag der männlichen Toxizität ... äh, naja, so schlimm ist es ja nicht mehr, also Himmelfahrt, gewährte mir die Rückbringung eines Sofatransportfahrzeux die Möglichkeit, mal eine Windmühlen-Hotspot-Region zu streifen.
das Grosse Freie ! - da wird doch der Wind sicher leichtes Spiel haben. Aber weit verfehlt, diese Interpretation: hier gab es im Mittelalter eine Ansiedlung von Bauern, denen man Sonderrechte in Gerichtsbarkeit und anderen Abhängigkeiten zugestand und die sie sich über einige Jahrhunderte bewahren konnten, was allerdinx der Tatsache geschuldet war, dass sich die stärkeren Feudalkräfte gegeneinander ausspielen ließen. Immerhin hat sich der Begriff - es gab auch das "Kleine Freie" - bis heute gehalten, diese Karte aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts präsentiert ihn ja noch prominent.
Für unsere Mühlenrecherche spielt das allenfalls eine indirekte Rolle, hatte sich doch evtl ein Hang zur Unabhängigkeit und Selbständigkeit in der Gegend bewahrt. Denn in der napoleonischen Zeit gehörte sie zum als Musterländle konzipierten "Königreich von Westphalen" (man schreibt das gerne so, denn das heutige Westfalen war kaum tangiert), das Napoleons Bruder Jerome von Kassel aus in ungeahnte wirtschaftliche Prosperität boomen sollte. Dazu gehörte die Aufhebung vieler Restriktionen beim Ansiedeln von Gewerbe, auch Mühlenbau war streng reglementiert und @fuerdieenkel hatte dazu auch mal was geschrieben.
Nun also, zwischen 1807 und 1813, durfte jeder! Und das führte gerade hier zu einem ungeheueren Bauboom gerade von Bockwindmühlen. Die waren schneller und billiger zu errichten und hatten aber auch wegen der waxenden Konkurrenz nicht so eine große Kapazität, was ihrer Auslastung natürlich entgegenkam. In dieser Zeit entstanden ungefähr in dem Bereich, der als das Grosse Freie bezeichnet wurde (geht noch etwas weiter nach Süden), über 30 von ihnen. Gegenüber angrenzenden Regionen war dieser Typ damit stark überrepräsentiert, zumal er eigentlich schon technisch überholt war. Die Kappenwindmühle hatte länxt übernommen.
Jetzt eine kleine Tragik meiner Erzählung: beide besuchten Mühlen hatten mit dieser Entwicklung im 19. Jhrh. nix zu tun... Ich hoffe aber, im Laufe des Jahres darauf zurückkommen zu können, denn die Bockwindmühle im Freilichtmuseum Detmold stammt aus dieser Zeit. Verbindendes Element; sehn wir gleich. Viele meiner Informationen hier inkl. der gezeigten Karte stammen aus einem Buch über diese Mühle.
Zunäxt aber START! in Össelse und das bleibt ganz am Ende von einer (Bockwind-)Mühle:
Ein Straßenschild ohne jeglichen weiteren Hinweis. Dort hinten hat sie gestanden, in den 80ern abgebrannt, stand schon lange still, hmm, war wohl im Weg. Ein Anwohner konnte mir noch das Haus des Müllers bezeigen, eines derer rechts, und erinnerte sich gut an Kinderspiele in der Ruine.
Tja, ein bekanntes Muster. Habe mich manchmal schon gefragt, ob man mit einem beliebig aufgestellten "Bahnhofsstraße"nschild nachweisen kann, dass man früher Bahnanschluss hatte...
Leider hatte ich einen engen Zeitplan, deswegen habe ich das näxte Objekt (eigentlich das zweitangefahrene) etwas stiefmüttlich behandelt. Die Mühle von Machtsum ist rrrichtig alt, nämlich von 1638 ! Und verkörpert das Verbindende, von dem ich sprach: sie stand bis 1888 im 13km Luftlinie nordwestwärts gelegenen Müllingen (nahe an meinem Startort) und wurde hierhin transloziert, ein häufiger Vorgang bei Bockwindmühlen (die BWM im Freilichtmiseum kommt aus Großlopke, auf der Karte am unteren Rand rechts neben dem großen M von HILDESHEIM; beide nun gezeigten Mühlen befinden sich leider ganz knapp unter dem gezeigten Kartenausschnitt). Ein Bürgerverein hat sie Ende der 70er des vergangenen Jahrhunderts unter seine Fittiche genommen und zur "einzigen funktionstüchtigen Windmühle der Region" restauriert (?). CHAPEAU!
Der Mühlenfuß ("Bock") ist vor langer Zeit ummauert worden, ein effektiver Schutz für das sonst der Witterung ausgestzte luftige Fundament. Mir war nicht recht klar, ob ich überhaupt ganz nah rankommen konnte, es führt kein richtiger Weg hin. Deswegen nur noch ein weiteres Foto von hinten:
Die zweite Mühle stellt eine Besonderheit dar, eine Sonderbauform der Bockwindmühle, entwickelt mal wieder in den Niederlanden: die Paltrockmühle Asel. Sie wurde als normale BWM 1850 in Schliestedt, Kreis Wolfenbüttel - 60km !!! strictly east - errichtet und wanderte 1894 an ihren heutigen Standort nahe Asel/Harsum, dort umgebaut, was eine größere Kapazität bewirkte. Der Name leitet sich nicht vom Faktenrock ab, sondern wahrscheinlich vomn der Bekleidung Pfälzer Einwanderer in die Niederlande (die womöglich dort auf dem Wege nach Amerika hängengeblieben sind - diese Geschichte gibts auch in der Hähe von Emden).
Hier die Annäherung von Norden
Aus der Nähe sieht man den "Trick": Das ganze Mühlengebäude steht auf einem Rollkranz und ermöglicht den Einbau einer durchgehenden Königswelle wie in der Kappenwindmühle. Das untere "Stockwerk" ist damit nicht verschenkt und wahrscheinlich werden An- und Ablieferung auch iwie einfacher zu handhaben sein. Entgegen der Behauptung der Machtsumer (einzige funktionstüchtige...) deutet vieles darauf hin, dass hier noch gemahlen werden kann - aber ist ja ein anderer Typ (eine von nur vier in Niedersachsen)
Hier noch mal etwas besser zu sehen der "Pfälzer Rock" und sonstiges Geasel:
Eine "automatische" In-denWind-Dreherei wie neulich am Stroiter Galerieholländer gezeigt ist hier natürlich nicht möglich, daher diese Einrichtung am "Steert":
Dass ich zu eilig unterwex war, habe ich dann zHaus festgestellt: Hohenhameln wär locker drin gewesen, Ilten bei Sehnde ... Aber es bleibt auch noch einiges im Westen meines Startortes. Da allerdinx regiert schon die Kappenwindmühle.
Zum Schluss noch mal etwas Mittelalterliches, das ich vor Jahren schon mal im "Unterwex ..."-Faden gezeigt habe:
da wäre ich achtlos dran vorbeigefahren, wäre ich letztlich nicht in Gegenrichtung unterwex gewesen - weiß ja jeder!? Alles sieht komplett anders aus!
Dazu gibts einen wiki-Artikel, sehr spannendes Geschehen damals - und wahrscheinlich entschieden von der Dame linx im Vordergrund.
das Grosse Freie ! - da wird doch der Wind sicher leichtes Spiel haben. Aber weit verfehlt, diese Interpretation: hier gab es im Mittelalter eine Ansiedlung von Bauern, denen man Sonderrechte in Gerichtsbarkeit und anderen Abhängigkeiten zugestand und die sie sich über einige Jahrhunderte bewahren konnten, was allerdinx der Tatsache geschuldet war, dass sich die stärkeren Feudalkräfte gegeneinander ausspielen ließen. Immerhin hat sich der Begriff - es gab auch das "Kleine Freie" - bis heute gehalten, diese Karte aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts präsentiert ihn ja noch prominent.
Für unsere Mühlenrecherche spielt das allenfalls eine indirekte Rolle, hatte sich doch evtl ein Hang zur Unabhängigkeit und Selbständigkeit in der Gegend bewahrt. Denn in der napoleonischen Zeit gehörte sie zum als Musterländle konzipierten "Königreich von Westphalen" (man schreibt das gerne so, denn das heutige Westfalen war kaum tangiert), das Napoleons Bruder Jerome von Kassel aus in ungeahnte wirtschaftliche Prosperität boomen sollte. Dazu gehörte die Aufhebung vieler Restriktionen beim Ansiedeln von Gewerbe, auch Mühlenbau war streng reglementiert und @fuerdieenkel hatte dazu auch mal was geschrieben.
Nun also, zwischen 1807 und 1813, durfte jeder! Und das führte gerade hier zu einem ungeheueren Bauboom gerade von Bockwindmühlen. Die waren schneller und billiger zu errichten und hatten aber auch wegen der waxenden Konkurrenz nicht so eine große Kapazität, was ihrer Auslastung natürlich entgegenkam. In dieser Zeit entstanden ungefähr in dem Bereich, der als das Grosse Freie bezeichnet wurde (geht noch etwas weiter nach Süden), über 30 von ihnen. Gegenüber angrenzenden Regionen war dieser Typ damit stark überrepräsentiert, zumal er eigentlich schon technisch überholt war. Die Kappenwindmühle hatte länxt übernommen.
Jetzt eine kleine Tragik meiner Erzählung: beide besuchten Mühlen hatten mit dieser Entwicklung im 19. Jhrh. nix zu tun... Ich hoffe aber, im Laufe des Jahres darauf zurückkommen zu können, denn die Bockwindmühle im Freilichtmuseum Detmold stammt aus dieser Zeit. Verbindendes Element; sehn wir gleich. Viele meiner Informationen hier inkl. der gezeigten Karte stammen aus einem Buch über diese Mühle.
Zunäxt aber START! in Össelse und das bleibt ganz am Ende von einer (Bockwind-)Mühle:
Tja, ein bekanntes Muster. Habe mich manchmal schon gefragt, ob man mit einem beliebig aufgestellten "Bahnhofsstraße"nschild nachweisen kann, dass man früher Bahnanschluss hatte...
Leider hatte ich einen engen Zeitplan, deswegen habe ich das näxte Objekt (eigentlich das zweitangefahrene) etwas stiefmüttlich behandelt. Die Mühle von Machtsum ist rrrichtig alt, nämlich von 1638 ! Und verkörpert das Verbindende, von dem ich sprach: sie stand bis 1888 im 13km Luftlinie nordwestwärts gelegenen Müllingen (nahe an meinem Startort) und wurde hierhin transloziert, ein häufiger Vorgang bei Bockwindmühlen (die BWM im Freilichtmiseum kommt aus Großlopke, auf der Karte am unteren Rand rechts neben dem großen M von HILDESHEIM; beide nun gezeigten Mühlen befinden sich leider ganz knapp unter dem gezeigten Kartenausschnitt). Ein Bürgerverein hat sie Ende der 70er des vergangenen Jahrhunderts unter seine Fittiche genommen und zur "einzigen funktionstüchtigen Windmühle der Region" restauriert (?). CHAPEAU!
Die zweite Mühle stellt eine Besonderheit dar, eine Sonderbauform der Bockwindmühle, entwickelt mal wieder in den Niederlanden: die Paltrockmühle Asel. Sie wurde als normale BWM 1850 in Schliestedt, Kreis Wolfenbüttel - 60km !!! strictly east - errichtet und wanderte 1894 an ihren heutigen Standort nahe Asel/Harsum, dort umgebaut, was eine größere Kapazität bewirkte. Der Name leitet sich nicht vom Faktenrock ab, sondern wahrscheinlich vomn der Bekleidung Pfälzer Einwanderer in die Niederlande (die womöglich dort auf dem Wege nach Amerika hängengeblieben sind - diese Geschichte gibts auch in der Hähe von Emden).
Hier die Annäherung von Norden
Hier noch mal etwas besser zu sehen der "Pfälzer Rock" und sonstiges Geasel:
Dass ich zu eilig unterwex war, habe ich dann zHaus festgestellt: Hohenhameln wär locker drin gewesen, Ilten bei Sehnde ... Aber es bleibt auch noch einiges im Westen meines Startortes. Da allerdinx regiert schon die Kappenwindmühle.
Zum Schluss noch mal etwas Mittelalterliches, das ich vor Jahren schon mal im "Unterwex ..."-Faden gezeigt habe:
Dazu gibts einen wiki-Artikel, sehr spannendes Geschehen damals - und wahrscheinlich entschieden von der Dame linx im Vordergrund.
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