Guten Morgen,
hier mein kurzer Wettkampfbericht aus Herne..
Der gestrige Silvesterlauf in Herne war .. interessant. Sehr gut organisiert und besucht auch von nicht Sportlern (damit meine ich nicht die Leute die nicht unter 40min laufen können...@Stahlrost

), sondern Leute, die nur mal nen Glühwein trinken wollen. Streckentechnisch eine Katastrophe, ich würde es als Vollblut-Crosslauf klassifizieren, bin aber sehr zufrieden.
Nachdem ich mich warmgelaufen hatte, und eine böse Vorahnung hatte, wo die Strecke langgehen würde, hab ich mich einfach mal von vorne in die dritte Reihe gestellt und dort noch schnell abgehustet. 0°C, leichter Nieselregen, ausgemergelte Gestalten in kurz/kurz und eine Flut an Piepsern der GPS-Uhren wühlten wieder das altbekannte Gefühl in mir wach: "Was machst du hier eigentlich an Silvester? Bist du bescheuert? Es regnet.. es ist arschkalt. Geh.. Geh einfach und trink irgendwo einen Cappucino".
Aber mental fängt 2015 ja da an, wo 2014 aufgehört hat, also kneifen war nicht. Musste an die anderen tapferen, ausgemergelten Gestalten hier aus dem Forum denken (außer Stahlrost, auch tapfer, aber 38kg zuviel *hust*Ironie*) und habe mich dann mental fokussiert.
1. Versuch: "Laufen macht doch .. Spaß."
2. Versuch: "Es könnte auch schlimmer vom Wetter sein. Äh.. Eisregen!"
3. Versuch: "Du wolltest die Laufschuhe eh mal waschen."
4. Versuch: "Langsam stirbt die linke Hand nicht mehr ab."
5. Versuch: "Das wird wehtun.."
Nachdem die Brille dann beschlagen war, fiel bereits der Startschuss. Der erste lockere Kilometer waren auf eine sanft ansteigenden asphaltierten Straße (was man später zu schätzen wusste!), wo ich mich bei um die 4min/km in die 5. Gruppe festbiss und somit nur von gefühlt 283 extremst ausgemergelten Läufern durchgereicht wurde. Aber ich wusste ja, die Steigungen kamen noch, und dann auch meine Zeit! (irgendwo im Hinterkopf hab ich damals diese Lüge noch geglaubt und die Weihnachtsplätzchen alle ausgeblendet.. ist das sowas wie ein Stockholm-Syndrom?)
Plötzlich bogen wir links ab in den Wald, und vor lauter aufspritzendem Matsch sah ich weder den Boden noch die Waden der Läufer vor mir in kurz/kurz

. Immerhin konnte ich die Mütze abnehmen, irgendwie wurde mir warm. Ahh, ja, die Steigung. Mein Vorteil. Tatsächlich überholten mich nur noch knapp 15 Läufer, wohingegen ich 2 Plätze gewann. Im Delirium irgendwann oben angestolpert (von sehen konnte bei meiner beschlagenen, mit Matsch und Nieselregen belegten Brille keine Rede mehr sein), kam die erste Runde im Gysenbergwald. 2 Plätze gewann ich, als die vor mir laufenden Zombies ausrutschen und in einer Kurve kurz die Matschqualität mit der Nase testeten. Gutes Gefühl. Ich lief sicher wie ein Eichhörnchen. Hust.
2. Runde. Die Zuschauer (ja oben gab es so ca. 10!) brüllten infernalisch: "Micha!!! Hop hop hop! Du packst das". Freute mich wahnsinnig! Bis ich merkte, dass die nicht mich meinten, sondern den Zebraläufer vor mir. Egal, zählt für mich auch. Der Weg war jetzt endgültig so aufgeweicht, dass man die Schuhe nicht mehr gebraucht hätte. Kurven zu laufen war auch nur mit Einsatz der anwesenden Bäume und aller Hände möglich, aber Zebrazombie war noch tapfer an meiner Seite. Inzwischen hatten wir den Gipfel des Laufs und meiner Unlust erreicht. Ein Blick auf den
Garmin könnte jetzt nicht schaden, oder?
"3,8k, 27min." - "WTF?"
Trog mich meine geschulte Lauferintuition so? Schmerzte mein Körper tatsächlich nach der kurzen Strecke so? Hrm. Beim Hochrechnen der Zeit, was gefühlt 5 Minuten dauerte und einer Sauerstoffschuld anzurechnen war, wurde mir klar, dass da was nicht stimmte, oder die Weihnachtsplätzchen doch gehaltvoller waren. Ach, ich hätte @Tridumas Rezept nicht gestern ausprobieren sollen und alle Kugeln gedankenlos zum Frühstück verspeisen sollen. Seufz.
Zebrazombie kurz fing vor mir an zu rutschen, weshalb ich meine Aufmerksamkeit kurz auf die Strecke lenken musste. Dummerweise war die Brille unbenutzbar, also nahm ich sie einfach ab. (Achtung Micha, Fehler: fürs nächste Mal - 6 Dioptrin auf beiden Augen helfen bei einem Crosslauf nicht. - Kurzsichtig im doppelten Sinne). Zebrazombie eierte weiter vor sich hin und ich begriff was los war. Der Weg war tatsächlich vereist. Klar. Fehlte ja auch noch... uaaaaaaaaaaaaaaaaah! Aber mit der Eleganz eines mit Nüssen beladenen Eichhörnchens im Winterschlaf umschiffte ich auch diese Rutschpartie und knickte nur zweimal um - gottseidank hatte ich die harte Athletik meine Körpers in unzähligen Core-Einheiten geschliffen! - NICHT.
Inzwischen waren wir bei 35min angelangt und es ging wieder bergab. 1,7k nur bergab. Eine wahre Wohltat. Mein Kadaver wuchte sich genüsslich durch den Schlamm, und wurde abrupt von einem Doberman auf dem Weg aufgehalten, der mich nicht sah. Egal, nachdem wir beide zur gleichen Seite ausgewichen waren, konnte ich zu Zebrazombie wieder aufholen. Sein Atem wurde zunehmend rassliger, während seine am Rand stehenden Jünger ihm "nur noch 600m" zuberüllten. Verwundert richtete ich meine entzündeten, matschverkrusteten Äuglein auf meinen
Garmin: "6,7k". Hrm. 600m. Hrm. Wem sollte ich glauben? Tatsächlich kamen wir dem Ziel wieder nahe. Hrm.
Egal. Schlechter kann es nicht werden. Lauf! Zebrazombie an der nächsten Steigung überholt, wohl sehr zu seinem Unmut, kurz die Brille abgenommen, um zu ahnen wo der Zielsprint sein könnte, und das letzte Körnchen aktiviert. Wupps, Zieleinlauf.
"Nicht stehen bleiben......" "Ahhhh die Schmerzen gehen bestimmt weg." "Bist du behindefrt, nie wieder diesen Lauf." "Wofür machst du das eigentlich?!". 30 Sekunden später umgab mich der vertraute Duft von aufgewärmten Eistee, isotonischer Plörre und ein tolles Kuchenbuffet. Hier war natürlich jeder negative Gedanke vergessen, und mit 43:21min war ich für diesen crossigen Silvesterlauf auch wieder mit mir zufrieden.
Also.. ich kann den Herner Silvesterlauf nur empfehlen. Topfeben, gut organisiert, kaum Blutreste am Boden, und absolut Bestzeiten tauglich bei griffigem Untergrund.
Herne, Silvester 2015. Ich machs wieder.
