Sehr hübsch. Komisch finde ich das Loch für die Stempelbremse im vorderen Schutzblech. Hätte ich daran nicht vermutet.
Bremsenreach gemessen: bei 590 (650A) ca. 70mm (habe gerade keinen 650B LRS zur Hand), d.h. bei 650B/584 ca. 73-75mm, was voll im Bereich der
Mafac Raids als auch einiger anderer MZBs ist.
Originalschutzbleche sind 60mm breit, also Racer & 2000 fallen weg.
Ich habe mir jetzt mal die im Ursprungsthread erwähnten Fotos des anderen Rades angeschaut, das der Fahrradshop Gerhardt in der Wilsnacker Str. wieder aufgepäppelt hat. Offenbar handelt es sich hier um ein Sport-Tourenrad - so hat jedenfalls Miele seine entsprechenden Modelle (Ende der 1930er und) Anfang der 1950er Jahre genannt, und die hatten in jener Zeit quasi obligatorisch eine Kabelstoßbremse (... ja, das ist der korrekte zeitgenössische Name ...) am Vorderrad, und eine Torpedo-Rücktrittnabe im Hinterrad.
Ich habe auch noch so ein Gerät herumstehen, in ziemlich angegammelten Zustand, aber bis auf den fehlenden Kettenschutz komplett (und in Metallic-Blau lackiert, das damals tatsächlich noch echte Fischschuppen als "Glitzermittel" enthielt ...) - definitiv kein Rad, das man aus irgend einem Blickwinkel als "sportlich" bezeichnen würde - dafür aber qualitativ enorm hochwertig (und entsprechend schwer ...
), zudem eine eigenartige Mischung aus besonders zierlichen und besonders "klotzigen" Elementen:
Bei Miele gab es 1951 (als Fichtel & Sachs gerade keine Dreigangnaben im Angebot hatte) die Option, entweder in Kombination mit der Rücktrittnabe eine Dreigang-Kettenschaltung, oder alternativ eine Zweigang-Nabe zu verbauen.
Die Lenker hatten an diesen Rädern die so genannte "Finnische Form", also relativ breit und flach geschweift - sinngemäß so ein bißchen das, was heute die Cruiser-Lenker darstellen.
Typisch für diese Radklasse scheint auch zu sein, dass die Rahmen und Gabeln breit genug für 2"-Vollballonreifen ausgelegt waren, aber die Räder laut den Katalogeinträgen (und den erhaltenen Originalrädern, die ich bisher gesehen habe) immer nur mit 1,75"-Ballonreifen ausgeliefert wurden - eigenartig. Vielleicht hängt das irgendwie doch damit zusammen, dass die Herstellung von Vollballonreifen (und anderen Reifengrößen als 26" (559 mm) und 28" (622 mm)) im Rahmen der deutschen Kriegswirtschaft 1937 aus Vereinheitlichungsgründen verboten worden war, und nach dem Krieg anscheinend auch nicht wieder in dem Umfang aufgenommen wurde wie zur "Boomzeit" in den 1930er Jahren.
Diese Resis waren offenbar stärker französisch "angehaucht", oder es handelte sich um aus Frankreich zugekaufte Rahmen (man sollte generell bei solchen Fahrradladen-"Hausmarken" immer erst mal davon ausgehen, dass die Rahmen aus entsprechenden Fahrradfabriken kamen, nach Wunsch lackiert und gelabelt, und dann in der Regel von den Fahrradläden als "Winterarbeit" zum fertigen Rad aufmontiert wurden - ein eigener Rahmenbau lohnte in den meisten Fällen für Gebrauchsräder nicht, oder jedenfalls nach der Stabilisierung der Wirtschaft und der Versorgungslage im ersten Drittel der 1950er Jahre nicht mehr), aber die Torpedo-Nabe war offenbar auch in Frankreich gar nicht so selten, und da ich tatsächlich noch nie ein Rad gesehen habe, bei dem original eine Gestänge- oder Kabelstoßbremse mit einer hinteren Felgenbremse kombiniert worden ist, würde ich auch hier eher von einer Rücktrittbremse ausgehen. Das "Gerhardt-Rad" ist ja auch offenkundig erst nachträglich (vielleicht um 1980 herum ?) auf Felgenbremsen umgerüstet worden.
Natürlich kann und soll
@chkamb diesen Rahmen so aufbauen, wie er das gerne haben möchte, aber eigentlich gehören da wohl keine Felgenbremsen, und generell keine höherwertigen Rennsport-Teile aus Aluminium dran, und ich habe ehrlich gesagt immer eine gewisse kleine Abneigung dagegen, Fahrräder nachträglich "sportlicher" oder hochwertiger (im Sinne der Radsport-Fraktion) zu machen, da das den Charakter des Ursprungsrades verfälscht und es in eine beliebige "Bastelbude" verwandelt.
Für den alltäglichen Gebrauch ist das natürlich schon o.k., bzw. sogar unbedingt empfehlenswert (... ich würde meine Gesundheit im Berliner Stadtverkehr auch nicht gerne einer
Reifen-Kabelstoßbremse und einer Torpedo-Rücktrittnabe anvertrauen ...
), aber im Grunde genommen hat das Ergebnis dann nicht mehr viel mit dem zeitgenössischen Originalzustand - und vor allem mit dem dahinter stehenden Konzept - zu tun.