Ich folge radtandlers Einschätzung dieses Rahmens/Rades hinsichtlich Produktionszeit und der möglichen Hersteller weitgehend. Mein erster Gedanke beim Betrachten der Bilder war übrigens "Mifa Meisterschaftsmodell", aber doch gibt es in einigen Details wie dem Schnitt der hinteren Ausfallenden und der Form der Sattelmuffe Unterschiede, die mich nach dem zweiten Blick verunsichern. Passen würden insbesondere die "Schlüsselloch"-Muffen, ein Steuerkopfschild mit zwei übereinander liegenden Nietlöchern. Ich kenne einfach zu wenig Mifa-Exemplare insbesondere der jüngeren Jahrgänge, um das sicher beurteilen zu können. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann die
hier bereitgestellten Mifa-Kataloge (bis zu den 1920er Jahren scrollen) durchschmökern.

Machnow 1929 "Stern"-Halbrenner by
Christoph "Velocifer" Ulbrich, on Flickr
Aber auch mit dem hier unten gezeigten Stern-Halbrenner gibt es einige Übereinstimmungen, wobei diese Kurbel/das Kettenrad (Typ B.S.A./Williams) wie radltandler schon hervorgehoben hat, bei vielen Herstellern Verwendung fand, z.B. auch bei Mifa, Haenel und auch als Reparatur-Getriebe angeboten wurde! Demnach eignet sich dieses Teil kaum zur Bestimmung des Herstellers.
Anhand dieses konkreten Beispiels lassen sich aber auch ein paar generelle Dinge feststellen. Aufgrund der Bauweise mit starrem Hinterbau, also ohne Kröpfung der Sattelstreben und deren fester Anführung an die Sattelmuffe -und eben nicht geschraubt- sowie der Verwendung von Ausfallenden ("Ausfaller") im eigentlichen Sinn lässt sich ein Baujahr nach 1910/1911 einerseits sowie der Zweck als Straßen-Rennrad andererseits ableiten. Diese beiden Merkmale in Kombination wurden wohl erstmalig vereint von Eugene-Pierre Bastide (Paris) wegweisend für den neuen Typus des Straßen-Rennrads umgesetzt. Es scheint auch ein Patent zu geben, das ich bisher leider noch nicht zu sehen bekommen konnte. Gut beschrieben ist der Einfluss von Bastides Entwicklung auf den englischen Markt hier:
http://classiclightweights.co.uk/designs/bastide-hs.html Meiner Kenntnis nach folgten deutsche Hersteller dieser neuen Bauart erst ab den frühen 1920er Jahren. Die entscheidenden Vorteile derart gebauter Rennräder waren die erhöhte Steifigkeit und die Möglichkeit des schnelleren Radwechsels. Während ersteres auch für Bahnräder von Bedeutung war, gilt das für die Ausfallenden gerade nicht. Bahnrahmen wurden weiterhin und werden es ja auch heute noch mit nach hinten offenen Achsaufnahmen gebaut, um zu gewährleisten, dass bei starkem Antritt das Rad nicht aus selbiger herausgezogen werden kann.
Wie schon erwähnt ist das Fehlen von Bohrungen für die Bremsaufnahme kein Indiz für ein Bahnrad, da die Rücktrittbremse meist als ausreichend betrachtet wurde (oder alternativ das Gegentreten bei starrem Gang) und sich die sogenannten Stiftbremsen erst in den 1930er Jahren etablierten. Bis dahin wurden Felgenbremsen oft mit Schellen an den Gabelscheiden fixiert.
Zwecks genauer Bestimmung bist du mit einem Rad dieses Alters im Forum altesrad.net sicherlich am besten beraten. Ein Foto der Gabel in Seitenansicht und eine Detailaufnahme des Gabelkopfs werden bestimmt hilfreich sein.
Viel Erfolg! Christoph