Ob eine Variation der Kurbellänge um 5 oder sogar 10 mm und der damit verbundenen Änderung des Hüftwinkels messbare Effekte auslöst, ist allerdings eine Frage, für die es durchaus Studien braucht. Was an wissenschaftlichen Material dazu existiert, zeigt nach meinem Kenntnisstand, dass man die Kurbellänge um mehrere Zentimeter(!!!) verändern muss, um überhaupt messbare Effekte auf die Leistung zu erzeugen. Das kann man z.B. in den Arbeiten von Jim Martin sehen (auf die ich weiter oben schon verlinkt hatte). Hier mal der Impact der Kurbellänge auf die Maximalleistung im Sprint; man beachte die untersuchten Kurbellängen.
Angesichts dieser Ergebnisse kann man mit Sicherheit sagen, dass eine Veränderung der Kurbellänge von z.B. 170 auf 165 mm keinen substanziellen Effekt auf die Maximalleistung hat. Die Veränderung ist schlicht zu gering.
J. Martin hat auch untersucht, wie sich die Beziehung Beinlänge zu Kurbellänge auf die Leistung auswirkt. Da zeigte sich, dass es einerseits Sportler gibt, die mit sehr unterschiedlichen Kurbellängen ihre Maximalleistung abrufen konnten (im Schaubild die oberen Punkte). Außerdem zeigte sich, dass im mittleren Bereich des Verhältnisses Beinlänge/Kurbellänge auch keine sehr großen Effekte auf die Leistung aus Veränderungen resultierten (Leg Length ist hier nicht Schrittlänge, sondern Beinlänge vom großen Trochanter-Knochen am oberen sichtbaren Ende des Oberschenkels aus gemessen)
Quelle der Schaubilder
https://www.ilovebicycling.com/wp-content/uploads/2017/08/Myths-and-Science-of-Cycling.pdf
Jim Martin ist Assistent Professor an der University of Utah, hat einen Teil seiner akademischen Ausbildung wie Stephen Seiler und Andrew Coggan bei Ed Coyle an der Universität von Texas absolviert und mit Coggan u.a. die bis heute einflussreichste Arbeit über Wattmessung im Straßenradsport geschrieben:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28121252/
Es gibt außerdem eine Untersuchung aus 2017, zum Impact kleinteiliger Veränderungen der Kurbellänge im Bereich von +-5 mm auf motorische und metabolische Parameter.
https://www.researchgate.net/public...pedalling_technique_during_submaximal_cycling
Dort konnten zwar erwartungsgemäß Veränderungen an motorischen Parametern ermittelt werden, aber keine signifikanten Auswirkungen auf metabolische wie Wirkungsgrad und Herzfrequenz. Die Autoren schreiben, dass die Arbeit die auch von anderen Forscheren vertretene Idee unterstütze, dass Änderungen der Kinetik nicht zwingend Auswirkungen auf metabolische Parameter haben müssen.
In der Arbeit wird auch noch auf den bis dahin vorhandenen Forschungsstand eingegangen, der zusammenfassend als widersprüchlich zu bezeichnen ist. Man kann zwar empfehlen, im Zweifel bei der Wahl der Kurbellänge eher auf die kürzere Länge zu setzen. So verkürzt sich bei kürzeren Kurbeln möglicherweise die Zeit, die benötigt wird, bis die Maximalleistung erreicht wird. Außerdem kann das Fahren mit zu langen Kurbeln das Knie stärker belasten, was u.U. langfristig Schmerzen am Knie zur Folge hat. Schließlich versprechen kürzere Kurbeln nicht zuletzt aerodynamische Vorteile. Die simple Gleichung kürzere Kurbel => veränderter Hüftwinkel => bessere Leistung geht aber nicht auf.