AW: Ötztaler Radmarathon 2011
Dann schreibe ich jetzt auch mal, wie es bei mir war, beim Ötztaler 2011:
Mein Ziel war eine Zeit mit einer 11 vorne, nachdem ich im Vorjahr nach längerer Ötztaler-Pause nicht wusste, ob ich das überhaupt noch drauf habe, und nur auf Ankommen gefahren war, mit einer Zeit von knapp unter 13 Stunden.
Am Samstag hatte ich mich noch riesig auf die Strecke gefreut, die Aussichten auf ein gutes Wetter taten ihr übriges, ich konnte es kaum noch erwarten, dass es endlich losging. Doch meine Vorfreude ging in Nervosität über, und ich konnte in der Nacht kaum schlafen. Maximal 3 bis 3,5 Stunden schätze ich kamen zusammen. Immerhin hatte ich am Tag noch etwas Ruhe gehabt, und auf dem Bett liegend im Lorenzi-Buch gelesen. Damit machte ich mir Mut.
Der Start war für mich dann völlig anders, als beim Ötztaler gewohnt. Die Freude, dabei zu sein, aus meinen ersten 4 Starts fehlte, warum auch immer. Ich hatte auf den ersten Kilometern wirklich den Gedanken, es einfach abzubrechen, mir eine Ausrede einfallen zu lassen, und wieder zurück zu fahren. Aber natürlich machte ich das nicht, sondern fuhr weiter, allerdings mit einem kurzen Stopp, bei dem ich mir noch eine Helmmütze aus meinem Rucksack aufsetzte, nur mit Stirnband schien mir das Gehirn einzufrieren. Am Fuße des Kühtai sah es urplötzlich wieder völlig anders aus, mein Spaß an der Sache kehrte zurück. Ich zog zum ersten Mal gleich neben dem Kreisverkehr Jacke, Helmmütze und lange Handschuhe aus. Kurze Hosen trug ich sowieso, auch zum ersten Mal beim Ötztaler. Dann ging es in den Berg hinein, und ich hatte Riesenspaß. Es lief gut, ich fand meinen Rhythmus und fuhr locker nach oben. Selbst die steilen Stücke des Kühtai, die mir früher immer etwas Mühe gemacht hatten, empfand ich als gar nicht erwähnenswert. Mein Trainingsumfang von 3600 Kilometer seit Januar war sicher nicht optimal, aber immerhin der Beste, den ich je im Leben erreicht hatte. An der Labe hielt ich mich nur kurz auf, meine Trinkflaschen waren noch fast voll, ich griff nur nach einem Riegel, und weiter gings.
Aber dann kam es wie es kommen musste, die Kühtai-Abfahrt, mein persönlicher Feind! Und wieder bereute ich es, dabei zu sein. Kopfschmerzen quälten mich, vielleicht war es der fehlende Schlaf. Ich fragte mich pausenlos, was ich hier überhaupt tue. Zum Aufgeben war es jetzt zu spät, denn den halben Berg war ich schon runter, und zurückfahren deshalb keine Option mehr. Und in den Bus steigen – Never! Also fuhr ich schlecht gelaunt weiter, mir war kalt, die Abfahrt schien nicht enden zu wollen, ich hasste mich und die Welt!
In Innsbruck änderte sich wieder alles. Ich fand in eine Gruppe, es wurde wärmer, und Radrennenfahren machte wieder Spaß. Bis zur Brenner-Labe war es eine für meine Verhältnisse flotte, und angenehme Fahrt. Ich freute mich, dass ich gut in der Zeit lag, und ich freute mich auch schon auf den Jaufen!
Am einem Kreisverkehr, an dem italienische Polizisten den Verkehr regelten, fuhr ein Deutscher mit dem Wagen rein, und wollte Richtung Jaufen fahren. Die Polizisten hinderten ihn lautstark und schickten ihn weg. Der Fahrer zog daraufhin mit seinem Kleinwagen zornig zurück in den Kreisverkehr, in dem ich gerade um ihn herum fahren und abbiegen wollte. Ein Polizist schrie noch laut, aber er hatte mich mit dem Kotflügel erwischt. Ich stürzte relativ sanft zur Seite, mir war nichts passiert, außer dem Schreck, und die Polizisten gleich bei mir. Sie halfen mir auf die Beine, ich setzte mich gleich wieder aufs Rad, lächelte, und die beiden Polizisten applaudierten mir. Danach setzten sie sich mit grimmiger Miene in Bewegung zum Autofahrer, der kleinlaut im Auto sitzen blieb, eine junge Frau mit offenem Mund neben sich. Ich fuhr weiter, dachte darüber nach, dass dies doch eine gute Gelegenheit war, auszusteigen, mit einer interessanten Story obendrein. Aber daran dachte ich nicht im Ernst, ich freute mich ja auf den Jaufen, ich war in Fahrt!
Doch am Jaufenpass lief es gar nicht so, wie ich erwartete. Ich hatte das Gefühl, mich zu quälen, und nicht vorwärts zu kommen. Pausenlos wurde ich überholt, nur wenige Fahrer konnte ich selbst hinter mich bringen. Mein Ziel mit der 11 vorne begrub ich hier, ich dachte mir, ok, dann fahre ich halt auf Ankommen, wie im Vorjahr.
Beim Studium meiner Zwischenzeiten konnte ich später feststellen, dass ich mich getäuscht hatte. Ich war am Jaufen für meine Verhältnisse sogar ziemlich flott unterwegs, komische Sache. Die Jaufenabfahrt mag ich eigentlich. Letztes Jahr hatte ich die richtig genossen. Dieses Mal hatte ich zu viele Kurven einen Spinner vor mir, der noch vorsichtiger fuhr als ich selbst, dafür aber ständig die ganze Straßenseite brauchte. Er nervte mich einige Zeit, bis ich ihn endlich überholen konnte.
Dann kam die Hitze in St. Leonhard. Obwohl ich Hitze eigentlich mag, und auch wenig empfindlich bin, hatte ich damit zu kämpfen und freute mich, als es am Timmelsjoch endlich wieder kühler wurde. Auf die Zeit schaute ich aber schon lange nicht mehr. Ich fuhr gleichmäßig nach oben, hätte nichts dagegen gehabt, wenn es einige Kehren weniger gewesen wären, und sehnte den Tunnel herbei. Der kam dann auch, und mit ihm das Gefühl, dass es doch gar nicht so schlimm war, und ich eigentlich noch Reserven gehabt hätte. Die Euphorie vom Vorjahr, als ich im Tunnel überglücklich war, es geschafft zu haben fehlte völlig. Ich hatte ja nie gezweifelt, ins Ziel zu kommen. Aber ich dachte vor dem Rennen, ich wäre gut in Form, und würde meine Zeit entscheidend verbessern. Dass dies nicht der Fall war, ernüchterte mich. Oder war es der zu kurze Schlaf in der Nacht? Ich bin mir nicht sicher!
Die Gegensteigung war für einige Fahrer und Fahrerinnen in meinem Zeitfenster offenbar noch mal heftig, die standen fast, und ich fuhr ohne Probleme vorbei. Auf der Abfahrt war ich dann lange ganz alleine, obwohl ich ein langsamer Abfahrer bin. Eine Herde Kühe überquerte die Straße, und ich musste das Tempo drosseln. Eine Lücke wollte ich nutzen, aber eine Kuh machte Anstalten, die Straße zu überqueren. Dann schaute die Kuh aber, sah mich an, so war es wirklich, ich schwöre es. Die Kuh sah mich, und blieb stehen. Ich fand das grandios, bedankte mich laut bei ihr, und die Kuh nickte. Das klingt unglaublich, aber es war so, keine Einbildung, vielleicht Zufall, aber ich habe es erlebt!
Die restliche Abfahrt brachte ich noch zu Ende, im Ziel hatte ich dann 12 Stunden 14, und war damit knapper an der 11, als ich unterwegs dachte. Schade, die paar Minuten hätte ich irgendwo rausholen können. Aber Schwamm drüber, bleibt für nächstes Mal eben noch ein Ziel.