AW: Muskelabbau bei langem Training
Hallo,
schön daß sich noch mehr Leute für die Stoffwechselsituation im Radsport interresieren. Allerdings ist es nicht einfach auf die verschiedenen Postings knapp und übersichtlich zu antworten.
Habe allerdings auch echt ein paar Probleme gehabt den Text aufzunehmen - kannst Du dem nicht bitte noch ein paar Info-Aufnahme erleichternde Absätze spendieren? Und die Tabelle irgenwie noch als Datei dran hängen? Wenns ein Word oder Excel File ist, kannst du sie mir auch schicken, ich mache dir ein PDF draus
Die Tabelle findest Du hier:
http://209.85.135.104/search?q=cache:Y58TlqxORaQJ:www.zeitschrift-sportmedizin.de/images/heft0500/a03_0500.pdf+physiologische+grundlagen+radsport&hl=de&ct=clnk&cd=2&gl=de
Erleichternde Absätze ? Hmm, generell wie ja auch schon gepostet wurde: Die Stoffwechselprozesse sind Ketten von 10, 20 oder 30 biochemischen Reaktionen deren Ablauf meist durch Enzyme erst ermöglicht und gesteuert wird. Meist bestehen Rückkopplungskketten, so daß stabile Gleichgewichte erreicht werden. Ein Stoffwechselendprodukt einer Kette kann z.B. ein Enzym 10 Reaktionen vorher hemmen oder aktivieren, so daß eine sensible Regulation vorliegt. Glucosestoffwechsel, Lipidstoffwechsel und Aminosäurestoffwechsel laufen nicht isoliert ab, sondern stehen in enger Wechselwirkung untereinander.Zwischen- oder Endprodukte der einen Stoffwechselkette aktivieren oder hemmen wiederum Enzyme der anderen und umgekehrt. Die Aktivierung/Deaktivierung der notwendigen Enzyme reagiert sensibel auf Stoffwechselprodukte, Ph-wert Änderungen oder hormonelle Einflüsse.
Also, Entstehung Hungerast ist ziemlich klar.
Also wir sind uns einig, es wurde mehr als 2 Stunden stramm geradelt und dabei reichlich Glyycogen aus Leber und Muskel abgebaut und in der Glycolyse (z.T. aerob, z.T. anaerob) verbrannt. (Dabei anfallendes Laktat wurde z.T. über den Corizyklus wieder zu Pyruvat und v.a. vom Herzmuskel verstoffwechselt). Die Glycogenspeicher gehen langsam zu Neige, der Blutglucosespiegel beginnt leicht zu sinken. Kommen keine Steigerungen sondern nur Abfälle im Blutglucosespiegel wird die Insulinsekretion gehemmt. Insulin ist aber das einzige Hormon, daß die Fette in ihren Depots hält. Das feine Gleichgewicht Glucagon / Insulin kommt in ein Ungleichgewicht mit Überwiegen "kataboler" Hormone wie Glucagon, Noaradrenalin, Adrenalin und Cortisol. Dadurch kommt es zu vermehrten Freisetzung von Fettsäuren (Triglyeriden) aus den Fettdepots (Lipolyse). Diese werden jetzt vermehrt zur Energiegewinnung herangezogen. Der Körper hat jetzt aber das Problem, daß das Gehirn, das Nebennierenmark, die Erythrocyten und der Citratcyclus Glucose zur Aufrechterhaltung ihres Stoffwechsels benötigen.
@ Jobo:
In Extremsituationen (Hungersnot, Fasten etc) werden zunehmend Proteine (=Muskel) abgebaut...aber auch nur deswegen weil durch diese Stoffwechsellage der Citratcyclus am "Laufen" gehalten wird und die mehr oder weniger unerschöpflichen Fettreserven verstoffwechselt werden können
Fast, eben nicht nur wegen des Citratcyclus, sondern auch wegen dem Erythrocytenstoffwechsel, dem Nebennierenmark und dem Gehirn, letzteres solange es noch keine Ketonkörper verstoffwechseln kann.
So, der Körper braucht also weiterhin Glucose, hat aber schon das meiste Glycogen abgebaut. Was tun ? Zur Energiegewinnung kann er über die ß-Oxidation Fettsäuren zur Herstellung von ATP heranziehen. Aber eines kann er nicht: Er kann aus Fett keine neue Glucose "bauen", da 1 Schritt der Glycolyse irreversibel ist. Deswegen muß er sich über die Gluconeogenese Glucose herstellen. Ausgangsstoff der Gluconeogenese ist
Pyruvat (Benztraubensäure), das so aussieht:
1.
http://de.wikipedia.org/wiki/Pyruvat
Woher bekommt der Körper das Pyruvat ? Aus Milchsäure, in geringen Mengen aus dem Glycerin des Abbaus der Triglyceride und aus
glucoplastischen Aminosäuren.
Zitat Jobo:
Mehr oder weniger ALLE Aminosäuren werden zu Glucose-, Citratcyclusmetaboliten oder Acetyl-CoA umgewandelt.
Glutamin und Alanin überwiegen aber prozentual im Blut
Eben nicht alle, sondern nur die
glucoplastischen: Glycin, Alanin, Serin, Threonin, Valin, Aspartat, Glutamat, Arginin, Cystein, Methionin, Histidin, Prolin.
Nun beginnt also der Körper aus o.g. glucoplastischen Aminosäuren Pyruvat herzustellen, siehe hier:
http://biochemie.web.med.uni-muenchen.de/biotutor_2004/AS_abbau.htm
Wie aus dem Diagramm ersichtlich entsthet bei der Pyruvatherstellung jedoch giftiger Ammoniak, welcher u.a. im über den Harnstoffzyklus der Leber zu Harnstoff verstoffwechselt wird. (Ansteigen der Harnstoffwerte bei Ausdauersportlern als wichtigster Indikator für eine katabole Stoffwechsellage).
So, das
Pyruvat wurde also als Aussgangstoff für die Gluconeogenese aus den Proteinen der Skelettmuskulatur gewonnen: Jetzt kann die Herstellung von Glucose aus Pyruvat beginnen, was etwa so aussieht:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/2/25/Gluconeogenese_Schema_2.jpg
Wie ist das Ganze jetzt aber reguliert ?
Wir sehen in der Abbildung daß u.a. die 2 Enzyme
Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase und
Pyruvatcarboxylase an der Gluconeogenese beteiligt sind. Diese beiden Enzyme werden durch
Acetyl-Co-A aktiviert. Was war jetzt gleich wieder Acetyl-Co-A ? der alte Bekannte aus dem Fettstoffwechsel: Bei der Verstoffwechslung der Fettsäuren in der ß-Oxidation muß zuvor die abzubauende Fettsäure an Coenzym-A gebunden werden. Der lange Fettkettenschwanz der durch Coenzym-A aktiviert wurde, heißt zunächst Acyl-CoA. Dies wird dann an der Mitochondrienmembran zu vielen kleinen Stückchen aktivierter Essigsäure =
Acetyl-Co-A abgebaut. Genaueres hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/%CE%92-Oxidation
Dieses Acetyl-Co-A kann jetzt endlich im Citratcyklus unter Herstellung von ATP verstoffwechselt werden. Genaueres hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Zitratzyklus#Ablauf
Jetzt gibt es aber ein Problem: Es fällt mehr Acetyl-CoA an, als im Citratcyclus verarbeitet werden kann: Das "überschüssige" Acetyl-CoA aktiviert zum einen wie oben beschrieben die Gluconeogenese ( über die Aktivierung von
Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase und
Pyruvatcarboxylase ), zum Anderen kommt die die Ketonkörpersynthese in Gang:Aus 2 "überschüssigen" Acetyl-Co-A entstehen ß-Hydroxybutyrat (BHB) und Aceton:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/87/Ketok%C3%B6rpersynthese.png
Zitat Jobo:
In wie weit jetzt aber ß-Hydroxybyturat (=Ketonkörper) den Abbau der Proteine beeinflusst ist mir jetzt nicht so ganz klar
da das alles ja fast gleichzeitg abläuft, denke ich triggert die Acetyl-Co-A über über die Aktivierung von
Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase und
Pyruvatcarboxylase die Proteolyse. Die gleichzeitige Erhöhung von BHB dürfte ein aussagekräftiger Marker sein.
Fazit: Bei sehr lange dauernder Belastung (> 150 - 200 KM) kommt es bei hoher Intensität sehr wohl zu einer signifikanten katabolen Stoffwechselsituation, was an sich an steigenden Werten für freie Fettsäuren, Cortisol, Harnstoff und Ketonkörpern im Blut nachweisen läßt. Bei den zur Energiegewinnung herangezogenen Proteinen handelt es sich überwiegend um Proteine der Skelettmuskulatur. Glucoseaufnahme während der Fahrt kann dem entgegenwirken, jedoch kann die aufgenommene Glucosemenge nicht den tatsächlichen Bedarf decken, da hierfür die Resorption nicht ausreicht.
(Mir raucht jetzt der Kopf)
Cu Mark