So, meine Lieben – ich bin derzeit auf Familienbesuch daher Stück für Stück (und auch ein bisschen lang)
Präambel:
Wie ihr ja schon wisst, ist dieses Jahr eher bescheiden gelaufen – besonders während dieser sich ewig lang hinziehenden Stirnhöhlenentzündung lag ich depressiv Keckse essend auf der Couch und hatte die Mittelgebirge Classiques eigentlich ad acta gelegt.
Dadurch: +3 kg, nichts richtig auf Vordermann gebracht, mich ums Equipment kaum gekümmert.
Dann wurde ich wieder gesund – und siehe da: ein bisschen Power ist doch noch da! Und auf einmal war die Vorbereitungszeit sehr knapp
Die „Prerace-Woche“
Montag: Verlust des Geldbeutels inkl. sämtlicher Karten.
Dann: Handy beim Akkuwechsel (durch Profi) zerstört – keine Ahnung mehr, was meine Apple-ID war.
Abends: Einstellung des Cockpits mit dem Coach.
Mittwoch: Reparatur des Rads mit einem Freund.
Parallel dazu wurde das Fahrrad meiner Tochter geklaut (bei uns ist das Fahrrad DAS Fortbewegungsmittel – z. B. ohne Rad kein Fußballtraining).
Also: viel, viel Stress.
So saß ich dann samstags im Zug, ging im Kopf unentwegt Checklisten durch: Was habe ich vergessen? Habe ich die Schuhe eingepackt?!
Kurz vor Frankfurt fällt mir ein: Ich könnte mir ja schon mal den Weg vom Bahnhof zum Check-in auf den
Garmin laden… Dabei werde ich stutzig – ich bin auf dem Weg nach Weinheim an der Bergstraße – aber irgendwie liegt das gar nicht so, wie ich es erwartet hätte
Kurzer Check: Ich muss gar nicht nach Weinheim an der Bergstraße – sondern nach Neustadt an der Weinstraße.
Gott sei Dank ab FFM kein Problem – in letzter Minute gemerkt…
Beim Check-in ist alles gut – Rad ist okay, ich bekomme meine Cap, wir fünf Mädels sitzen zusammen auf der Wiese und quatschen.
Irgendwann kommt ein Dude vorbei, ob jemand ein Lightning-Kabel dabei hätte – klar, kein Problem.
Es sieht nach Gewitter aus – wir verkrümeln uns rein. Es gibt eine nette Ansprache und Abendessen. Die ersten Leute verschwinden schon.
Mir dämmert: Das blöde Kabel ist eine kritische Ressource – und ich hab keine Ahnung, wo der Dude ist.
Der Typ mir gegenüber: „Was ist los? Du siehst unglaublich gestresst aus.
Wir beschließen, ich gehe mal nach vorn und mache eine Durchsage mit dem Mikro (tja – jetzt kennt mich jeder).
Aber: Ich habe mein Kabel wieder

Der Rest des Abends war schön – besonders dann im Bett macht sich eine angenehme Entspannung breit:
Ab morgen nur noch Radfahren.
Start am nächsten Morgen:
Kurzer Smalltalk, ein unaufgeregter Start – die Sonne scheint, alles ist gut.
So fahren wir alle gut gelaunt los – wobei ich viele mit Platten sehe und mich frage, ob zwei
Schläuche vielleicht doch zu wenig sind.
Ich schiebe den Gedanken beiseite – hilft ja nix.
Ansonsten alles unauffällig. Die Strecke: phantastisch. Ich musste quasi nie anhalten.
Am Abend gehe ich essen und versuche, meinen Geräten etwas Strom zu verschaffen – reicht aber bei weitem nicht.
Ab da läuft das Handy nur noch im Flugmodus, und der
Garmin außerhalb der Abfahrten im Energiesparmodus.
Ich weiß nicht mehr genau, wann der endlose Regen angefangen hat - davor war es aber mega nice
Abends fahre ich nass mit William durch die Nacht. Wir unterhalten uns – er ist sehr verfroren, sodass er sich ein Bushäuschen sucht.
Ich beschließe: Erst ab 22 Uhr suche ich mir Unterschlupf – bis dahin hält das Wetter schon (trotz Wetterleuchten).
Naja – die Kapelle kennt ihr ja schon…
Also: Döner-Reste als Nachtsnack, Pide zum Frühstück – und weiter geht’s. 14 Grad, strömender Regen.
Alsbald treffe ich William wieder – zitternd. Das Bushäuschen war mit Sicherheit zugiger als meine Kapelle, und mein deutlich höherer Körperfettanteil ist bei dem Wetter sicher ein Vorteil…
Ich hab auch so meine Motivationstruggles – und beschließe: Der nächste Bäcker ist mein Ziel.
Dort sitzen schon drei tropfende Mitstreiter (
@MirkoS), die sich aufbauen.
Die drei Jungs brechen bald auf – ich gönne meinen Geräten noch etwas Strom und mir eine zweite heiße Schokolade, während die herzliche Bäckereiverkäuferin unsere Pfützen aufwischt.
Beim Aufbruch betritt der nächste Mitstreiter die Bäckerei – die Umstände verbinden.
Der Tag 2
Ich liebe den Schwarzwald – und Gott sei Dank kann ich mich wetterunabhängig an Landschaft erfreuen.
Aber so manche Abfahrt (Schauinsland – Nebel, 2 m Sicht) hat mich innerlich echt schlucken lassen.
Es kommt an dem Tag auch zur ersten Schiebepassage: den Brandenkopf kannte ich schon als herausfordernden Berg.
Als der
Garmin für den Anstieg nur 400 hm anzeigt, denke ich: Das kann nicht sein.
(Der Brandenkopf ist übrigens der Punkt, an dem auch Track 2* endet.)
Ich, schon reichlich müde, quäle mich den Berg hoch – im Kopf zählend:
„Noch zweimal den Ellerberg, das ist kein Problem.“
„100 hm, das wären nur noch 4 Serpentinen – easy.“
„Da du die 36er-Kassette verbockt hast, musst du jetzt nicht jammern.“
(…)
Whaaaaaaaat?! Der Track hört mitten im Berg auf! Es geht so steil weiter

Ich schaffe das nie. Wie kann man nur so gemein sein – Arschlöcher! (…)
Ich bin so emotional aufgeladen, dass ich am liebsten mein Rad in den Wald schmeißen möchte – beschließe dann aber: Okay, geh einfach mal ein Stück.
Style gibt’s bei Ultrarennen eh nicht.
Und tatsächlich – das Gehen ist gar nicht mal so verkehrt. Nicht so statisch wie auf dem Rad, für den Rücken eine Wohltat.
Meine Laune stabilisiert sich, und ich fahre weiter den Brandenkopf hoch.
Weiter – immer weiter…
Bei einem der Anstiege lerne ich ein Team kennen. Die beiden sind schon diverse Veranstaltungen zusammen gefahren (TCR, RAI…) – allerdings gibt’s einen deutlichen Leistungsunterschied. Der eine muss also immer am Berg warten – bei dem Wetter
Ich fahre einen Anstieg mit dem einen, den nächsten mit dem anderen – beide brauchen Geselligkeit bei langen Veranstaltungen.
Eine sehr nette Begegnung.
Wir diskutieren, wann der erste Checkpoint kommt – wir haben unterschiedliche Angaben notiert.
Ich bin überzeugt: Der Checkpoint kommt nach dem Stich auf den Gipfel des „blauen“ Bergs – ich hab mich ja vorbereitet

(ca. 30 km noch).
Jedenfalls fahre ich bester Laune den Berg hoch – mein erster Checkpoint! Du hast es geschafft – unglaublich

Ich biege auf den Stich zum Gipfel ab – das Begleitauto kommt mir entgegen, macht ein Foto, fährt weiter zu CP2.
Andere Fahrer kommen mir entgegen – ich fliege quasi den Berg hoch.
Oben: Baustelle – alles abgesperrt…
Ich muss sehr verloren ausgesehen haben – ein Bauarbeiter deutet mir, ich solle links dem Weg folgen, der wird bald zu Gravel, dann zum Gipfelturm. Aber: Kein Checkpoint.
Mir kommen die Tränen. Bin ich außerhalb der Cutoff-Zeiten?
Es dauert ewig, bis ich in der Nässe im Ridermanual herausfinde:
Cutoff ist kein Problem. CP1 kommt in ca. 20 km.
Puhhhh. Eine Welle der Erleichterung.
Ich fahre ab und erreiche bald CP1 – und werde mit Applaus empfangen.
Dort gibt’s heiße Kartoffelsuppe und einige Mitstreiter –Ich bin absolut glücklich.
To be continued…