Anmerkung zu der Unter-Diskussion ausgehend von Erzherzogs Bemerkung. Es dürfte ziemlich schwer sein, im "Selbstversuch" die Frage: Könnte ich mit einer höheren/niedrigeren TF schneller fahren? eine brauchbare Antwot zu erhalten. Das scheitert bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit an so einfachen Dingen wie der Wahl der "richtigen" Ritzel und Kettenblätter.
Die Frage wird aber von dem von Osso zitierten Artikel beantwortet. Dort sind einige Studien zusammengefaßt worden und es sind vor allem folgende Parameter im Durchschnitt von Probandengruppen ermittelt worden (die Zahlen mit +/- davor sind jeweils die Standardabweichung s, d.h. man schätzt die Verteilung der Werte um den Mittelwert µ so, daß ca. 2/3 der Werte innerhalb des Intervalls [µ - s, µ + s] liegen):
Tf
eff - effizienteste Trittfrequenz, z.B. 80 +/- 8 rpm
FCPR - freely chosen pedal rate, also praktisch "Wohlfühlfrequenz", z.B. 75 +/- 12 rpm
Tf
opt - zu dieser Größe, offenbar soll das "optimale TF" bedeuten, habe ich jetzt auf die Schnelle keine entsprechung gefunden.
Die wichtigsten Befunde in den ausgewerteten Studien beziehen sich auf Fragen wie "Wie ändert sich die FCPR, wenn mit erhöhter Leistungs gefahren wird?" usw. Am besten liest man es selbst nach, es steht im Abschnitt "Studien zur Trittfrequenz".
An dieser Stelle noch ein Wort zu meiner Bewertung dieses Artikels: Soweit dort Studien referenziert werden, gehe ich natürlich davon aus, daß da nicht geschlampt worden ist. Das ändert nichts an meiner Gesamtbewertung der Arbeit der Autoren und der Qualifikation der Autoren. Es erhebt sich dann natürlich schon die Frage, wieso man einen großen Teil anerkannte Autoren derart abqualifizieren kann. Dazu muß man wissen, daß die Medizin - und das ist erstmal die "Master-Disziplin" für die Sportmedizin, die Biomechanik und die wissenschaftliche Trainingslehre - unter systemischen Schwächen leidet, die nicht erst von mir kritisiert wurden. Die wissenschaftlich ausgerichtete Medizin mußte sich ja zunächst Anerkennung im wissenschaftlichen Leben erarbeiten. Die Schwierigkeiten, auf die sie dabei stieß, wird vielleicht durch folgenden Satz von Bernhard Naunyn deutlich:
"Medizin muss Wissenschaft sein, oder sie wird nicht sein.“
Leider hat die Medizin ganz wesentliche Schwächen bis zum heutigen Tage nicht überwunden. Bezogen auf das Thema sind das vor allem zwei Punkte:
a. ein nach wie vor schlecht ausgesprägter Grad der Entwicklung der funktionellen Anatomie - die Entwicklung der klassischen Anatomie hat sich nunmal an der Untersuchung von Leichen im Sektionsraum abgespielt
b. eine im Grunde nicht anders als skandalös zu bezeichnende Unkenntnis fundamentaler physikalischer Zusammenhänge.
Wer sich für solche Themen nicht interessiert, kann an der Stelle aufhören zu lesen.
In Bezug auf die hier angesprochenen Themen sind diese Schwächen geradezu "tödlich", denn es geht hier immer um Beuteilung von Effizienz einer Leistung. Effizienz bedeutet, man muß die "operationalisieren" auf Meßbare Größen zurückführen - Leistung bedeutet: der Begriff der Arbeit im phys. Sinne wie auch im biologischen Sinne - also z.B. der Energieumsatz bei einer isometrischen Muskelkontraktion ("Haltearbeit") muß in vollem Umfang verstanden sein.
Zwei Beispiele:
- Die meisten Autoren arbeiten mit dem Begriff des "biomechanischen" Wirkungsgrades. In diesen fließen die Kräfte, die entspr. Vektorzerlegung "radial" sind (also in 12 Uhr-Stellung der Kurbel senkrecht in Richtung Tretlagerachse oder in die Gegenrichtung) als ineffiziente Kräfte in die Berechnung ein. Hier liegt aus Physiker-Sicht ein "klassischer Anfängerfehler" vor, denn es ist nicht die Kraft, die über die Effizienz entscheidet, sondern die Arbeit. Voraussetzung wäre also, daß in die radiale bzw. entgegengesetze Richtung eine Stauchung/Längung der Kurbel erfolgt. Das ist auch der Fall, allerdings in einem verschwindend kleinen Ausmaß. Da die Kurbel dabei aber auch immer wieder nach Entlastung ihre ursprünglich Länge wiedererlangt, wird die hineingesteckte Arbeit wieder zurückgegeben. Nur ein winziges Quantum geht dabei verloren, wir könnten es, wenn wir die Kurbeln vollständig gegenüber der Luft und der Tretlagerachse wämeisolierend abschotten könnten, in einer leichten Erwärmung messen.
- Man ignoriert - obwohl dazu mittlerweile abgesichterte Daten vorliegen - bei der Beurteilung der Muskelarbeit nach wie vor weitgehend von der Arbeit der vorderen Oberschenkelmuskulatur aus und verengt es dann zusätzlich auf die Arbeit des M. vastus lateralis. Die Arbeit der ischiokruralen Muskulatur wird in dem Zusammenhang als kontraproduktiv betrachtet, was sie offensichtlich nicht ist. Ursache dieses Mißverständnisses ist das klassische Verständnis von Agonist und Antagonist, das in der Medizin nach wie vor herrschendes Grundverständnis ist. Daran konnten auch die Erkenntnisse und Arbeiten von Medizinern wie Lombard (Lombard'sches Paradoxon) oder des Deutschen Klaus Wiemann nicht viel ändern. Wesentliches Hinderniss ist hierbei die klassische Sicht der Anatomie: daß Muskeln, die über zwei Gelenke ziehen, nicht nur als Antagonisten anderer Muskeln fungieren können, sondern als Synergisten, ist der Anatomie zwar bekannt, wird im Einzelfall aber dann doch übersehen oder als "paradox" (vgl. oben) wahrgenommen.