Vielen Dank an
@Andreas P. für seine detaillierten und bebilderten Erklärungen zur Montage des Schaltwerks.
Ein paar Details zur Geschichte dieses Fahrrads, das ich letzten Frühling selbst restauriert habe. Ich fand es auf Le Bon Coin (einer französischen Kleinanzeigen-Website). Es gehörte dem Onkel des Verkäufers (Jahrgang 1947) und wurde Ende der 1960er-Jahre während seines Studiums benutzt. Danach wurde es über 50 Jahre lang sorgfältig auf dem Dachboden gelagert.
Also war es beim Kauf in gutem Zustand, abgesehen von den abgenutzten Bremshebelgummis, dem
Lenkerband und den Zughüllen.
Der Rahmen ist gut verarbeitet und besteht aus Nervex-Muffen der Leichtbau-Serie.
Wie
@Andreas P. bereits erwähnte, handelt es sich bei den Ausfallenden um Simplex Tour de France.
Sie sind mit zwei Nummern graviert, die den Rahmen identifizieren: Die erste, 57937, entspricht der fortlaufenden Nummerierung des Herstellers und ist der eines Fahrrads aus dem Tonton Vélo-Forum (57820) sehr ähnlich:
https://forum.tontonvelo.com/viewtopic.php?p=41187#p41187
Diese beiden Rahmen weisen viele Gemeinsamkeiten auf: Geometrie, Lackierung, markenspezifische Gabelkrone und Verchromung.
Es gibt einige kleinere Unterschiede: Der BH-Rahmen besitzt verchromte Nervex Professional-Muffen und geschmiedete Simplex Competition-Ausfallenden mit gefräster Oberfläche, was auf ein höherwertiges Modell hindeutet. Der hier gezeigte Rahmen hingegen hat Tour de France-Ausfallenden, die dünner sind und keine gefräste Oberfläche aufweisen.
Der Preisunterschied zwischen diesen beiden Modellen war beträchtlich: In der Preisliste von 1953/54 kostete das Paar Tour-de-France-Ausfallenden (Art.-Nr. 880) 284 FRF, das Paar Competition-Ausfallenden (Art.-Nr. 934) hingegen 773 FRF – fast dreimal so viel!
Simplex - Tarif Pièces Détachées No 18 1953-1954
Die genaue Datierung der Rahmenkonstruktion ist nicht bekannt, doch aufgrund der Geometrie und der verwendeten Komponenten erscheint die erste Hälfte der 1950er-Jahre realistisch.
Die zweite eingravierte Zahl am hinteren und rechten vorderen Ausfallende ist die 12. Dies deutet auf einen weiteren Werkstattbesuch hin, vermutlich zum Lackieren und möglicherweise für eine Reparatur.
Ich vermute, dass damals neue Simplex-Schaltwerke der späten 1950er-Jahre mit dem dekorativen Lorbeerkranz und der weißen Kunststoff-Endkappe für den Umwerfer montiert wurden.
Die übrige Ausstattung dürfte original sein: Idéale 58 Cyclocross-
Sattel, AVA-Vorbau, Stronlight 49D Kurbelgarnitur mit LV 45 2 und 48 2 Kettenblättern, Lyotard-Pedale.
Das Vorderrad hat eine
Mavic-Felge (Longhi-Lizenz) auf einer Maxi-Car-Nabe mit Vollflanschen und Hohlachse mit Simplex-Schnellspanner, die, wenn ich mich nicht irre, Mitte der 1950er-Jahre aufkam.
Schade, dass das Hinterrad nicht dazu passt; es wurde durch eine gängige Felge aus den späten 1960er-Jahren ersetzt. Es dürfte wohl ein Glücksfall sein, ein identisches Hinterrad zu finden!
Zur Erinnerung: Libéria war ein kleines Unternehmen, das Fahrräder und Mopeds herstellte und 1918 in Grenoble gegründet wurde. In den 1950er-Jahren beschäftigte es rund 50 Mitarbeiter. Um die Krise der Branche Ende der 1950er-Jahre zu überwinden, gründete das Unternehmen 1956 ein eigenes Profi-Radteam, das zweimal das Critérium du Dauphiné gewann. In den Anfangsjahren, insbesondere 1959, wurde das Team von Henri Anglade, dem späteren Tour-de-France-Sieger, angeführt.
Hier ist ein Bericht zu dieser Etappe (leider nur auf Französisch):
https://www.ina.fr/ina-eclaire-actu/video/caf97501626/tour-de-france-13eme-etape-albi-aurillac
Ich habe diese Etappe gewählt, weil sie über kleine Straßen führt, die ich gut kenne. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die Tour de France damals dort entlangführte – so eng sind sie!
Wenn man sieht, wie sich die Fahrer an den steilsten Anstiegen abmühen, sollte man sich mal die Übersetzung vor Augen führen…
Mein Fahrradrahmen wurde neu lackiert, nicht in den offiziellen Farben Rot und Blau, sondern in Gelb und Weiß. Der Markenname prangt in winzigen schwarzen Buchstaben auf dem Unterrohr und den Kettenstreben.
Ein einzelner, teilweise verblasster Aufkleber mit dem Markenlogo befindet sich in der Mitte des Sitzrohrs.
Nichts am Steuerrohr, keine Embleme, keine Hinweise auf die Rohre an Rahmen oder Gabel.
Obwohl dieses Fahrrad modifiziert wurde, wurde sein ursprünglicher Charakter bewahrt. Wir können uns bei seinem letzten Besitzer bedanken, der es während seiner Studienzeit unverändert nutzte und anschließend sorgsam auf einem Dachboden lagerte. Dadurch ist es heute so gut erhalten, trotz eines vermutlich recht aktiven ersten Lebens, wie der deutliche Verschleiß am
Sattel zeigt, dessen Leder noch relativ geschmeidig ist.