Fall 2: Wohnstraße, es geht bergauf zum Krankenhaus, der letzte Teil ziemlich flach bis zur Wendeschleife bzw. bis der Waldweg beginnt, abends. Ich komme gerade hoch, halbwegs schnell. Vor mir will ein VW-Bus offenbar wenden, er fährt vorwärts rechts in eine Einfahrt und setzt gerade an, wieder rückwärts auf die Straße zu fahren. Er fährt rückwärts, übersieht mich und da ich passieren will, hilft nur lautes Schreien, damit er hält. Ich fahre an der Stelle immer über die Wendeschleife den gleichen Weg zurück, wo der Fahrer nun einparkt. Wegen der Gefährdung möchte ich den Fahrer dann doch darauf hinweisen, er sollte das nächste Mal genauer gucken. Ich zeige mit zwei Fingern in Richtung Auge und rufe "Gucken". Offenbar kommt der Fahrer nicht damit klar, auf den Fehler aufmerksam gemacht zu werden, denn sofort kommen von ihm laute Beleidigungen durch die geöffnete Seitenscheibe.
Da ich es aufgegeben habe, Jesus zu spielen und inzwischen immer weniger Bereitschaft habe, alles hinzunehmen [ihr dürft es gerne anders sehen und sagen, es wäre klüger gewesen, einfach weiterzufahren], halte ich an und stelle den Fahrer zur Rede, ob er seine Beleidigungen nochmal wiederholen möchte. Er steigt aus, geht in Richtung seines Hauses, und beleidigt munter weiter. Ich hole mein Handy raus und fotografiere das Kennzeichen. Er ist inzwischen an seiner Pforte, sieht das aber und stürmt wie wild auf mich zu, dabei laut drohend, er wolle mir das Handy aus der Hand reißen und auf die Straße schmeißen. Wie ich inzwischen weiß, ist der Mann wohl Unternehmer, sein Name stand sogar auf dem VW-Bus (Firmenwagen). Ich vermute darin den Grund für diese Attacke - er wollte wohl keinesfalls identifiziert werden. Jedenfalls stürmt er auf mich zu und ich versuche, mit Rad davon zu rennen, denn aufsteigen und einklicken hätte zu lang gedauert. Er holt mich ein, greift nach meinem Handy, ich drehe mich weg, er stößt mich mitsamt Fahrrad um. Glücklicherweise nur je ein leichter Kratzer am Schienbein und am Pedal. Ich rufe einer zufällig auf der Straße befindlichen Frau, die die Mülltonne rausstellt, zu, sie möge die Polizei rufen. Dann lässt er ab und verschwindet im Haus. Ich rufe selbst die Polizei.
Leider ist das Unangenehme noch nicht zu Ende, denn die Polizisten bewerten das Ganze als Lappalie und geben sich, als habe ich sie gerade vom McDrive-Schalter weggeholt. Ich schildere den Sachverhalt. Die Polizisten fragen, was ich denn überhaupt wolle. Ich sage, dass ich Anzeige erstatten wolle. Während der Polizist unheimlichen Wert darauf legt, dass ich meine Sport-Sonnenbrille abnähme, wenn ich mit ihm rede, erklärt er lang und breit, dass er kein strafbares Verhalten erkenne, weil das keine Bedrohung gewesen sei. Ich entgegne, für mich sei das aber zumindest eine Nötigung. Auch das sehen die Polizisten ausdrücklich nicht als gegeben, zumal ich nicht verletzt sei, wenn ich aber unbedingt wolle, habe ich drei Monate Zeit Anzeige zu erstatten. Das werde aber ausgehen wie - wortwörtlich - das "Hornberger Schießen". Nach Kennzeichenabfrage ("negativ"), ziehen sie ab.
Dass die Polizisten sich implizit vor diesen Autofahrer stellen, indem sie sein Verhalten als nicht strafbar und damit legal ansehen, ist für mich ebenfalls Ausdruck dieser Attitüde, auf den Straßen zähle das Recht des Stärkeren. Man scheint das trotz aller Diskussionen um die Sicherheit der Radfahrer nicht aus den Leuten raus zu bekommen.