Knobi
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Verehrte Gemeinde, werte Freunde!
Nach vielen Jahren voller Gedanken, aber ohne Zeit erfülle ich mir gerade einen langgehegten Traum, nämlich einen mehr oder weniger klassischen Stahlrahmen selbst zu bauen. Ehrlich gesagt: Daran habe ich schon gedacht, als ich 1987/88 mit dem Rennradfahren angefangen hatte, spätestens aber nach der Lektüre einiger Folgen von Smoliks Velo-Werkstatt in der "tour" 1989.
Die Grundlage dafür, in Form gewisser Materialbestände, hatte sich schon vor etlichen Jahren ergeben, als mir ein alter Freund und ehemaliger Rahmenbauer (hauptberuflich mittlerweile ebenfalls Grafiker) seine Bestände vermachte, im Gegenzug für etwas Schützenhilfe bei einem Zeitschriftenprojekt. Im Lauf der Jahre kleckerten dann immer wieder mal Teilbestände bei mir rein, da das Lager vor vielen Jahren zu einem gemeinsamen Bekannten verlegt wurde - verlegt im wahrsten Wortsinne. Immer wieder tauchen z.B. einzelne Kisten mit Ausfallenden, Muffen usw. auf, und es kann noch Jahre dauern, bis wirklich alles wieder da ist.
Den Anlass, endlich anzufangen, gab dann allerdings mein Vater. Der feierte kürzlich seinen achtzigsten Geburtstag, was allein schon ausschlaggebend war, etwas Besonderes zu tun und dabei ein Detail aus der Familiengeschichte wieder aufleben zu lassen (dazu später mehr). Außerdem hat er im letzten Winter ein künstliches Hüftgelenk bekommen, das ihn zwar nicht am Fahren hindert, aber das klassische Aufsteigen mit lässig nach außen geschwungenem Spielbein leider unmöglich macht, weil sich das Gelenk dabei auskugeln könnte. Also muss entweder ein Bordstein zuhilfegenommen werden, oder das Rad stark zur Seite gekippt, oder beides - und das scheint für einen klassischen Rennradler derartig würdelos zu sein, dass er es niemals in der Öffentlichkeit tun würde, zumal auch die Angst, ggf. nicht so schnell absteigen zu können, eine Rolle spielt.
Die Lösung dafür kommt aus einen ganz anderen Ecke: Eine höhenverstellbare Sattelstütze aus dem MTB-Bereich, die sich per Fernbedienung am Lenker einfach um mehrere Zentimeter absenken und ausfahren lässt. Und schon wird aus des Downhillers Notwendigkeit des alten Herren Freude.
Hinzu kommt, dass mein Vater zwar mehrere Räder besitzt, aber kein einziges davon irgendwie schlechtwetter-, dämmerungs- oder alltagstauglich ist und deshalb stets eine mittelgroße "Handtasche" mit allem, was ein Radler unterwegs jemals brauchen könnte, mitgeführt werden muss - z.B. riesige Batterieleuchten aus den 80ern und komplette Regenbekleidung neben einem Werkzeugbestand, mit dem man auch halbe Autos zusammenbauen könnte; dem unvermeidlichen Handy, einer Kamera, einer kleinen Reiseapotheke, ...
Aber schauen wir uns erstmal die Geometrie seines allerliebsten Rennrads an, seit vielen Jahren unverändert:
Um diese Basis herum galt es nun, etwas auszudenken, das
Wendige Räder schätzt der Mann sehr, weshalb ein Trekker von der Stange praktisch ausfällt, von der fiesen Optik aktueller Räder mal ganz abgesehen. 15 Kilo und 'ne Federgabel? Braucht kein Mensch.
Letztendlich kam dann das dabei heraus, etwas umständlich in einem Zeichenprogramm erstellt, weil ich das famose RattleCAD auf dem Mac nicht zum Laufen bekam:
Und nochmal überlagert zum Vergleich:
Das Vorderteil wirkt im Vergleich erstmal riesig, der Schwerpunkt verschiebt sich aber wegen des längeren Hinterbaus praktisch nicht. Die Fußfreiheit reicht gerade so eben, wobei er auch damit umgehen könnte, wenn es nicht so wäre - nur dachte ich mir halt, dass so eine ständige Bedenken- oder Gedankenquelle wegfallen könnte. Das Tretlager darf wegen der genannten Grundproblematik nicht höher liegen (bei aktuellen Trekkern liegt es oft bei 30 cm oder sogar darüber), das Fahrverhalten sollte einem Rennrad noch irgendwie vergleichbar sein, deshalb also kein kurzes Oberrohr mit flachem Lenkwinkel und auch kein riesiger Nachlauf.
Hier mal zum Vergleich mein "unbekannter Franzose", der sich wirklich wunderbar fährt, aber auch ein sehr deutliches Fußproblem hat und wegen meiner eher kurzen Beine insgesamt natürlich kleiner ist:
Die Vorgabe, eine zumindest halbwegs klassische Optik mit Muffen bei erträglichem Gewicht zu bekommen, machte die Sache gleich am Anfang ziemlich kompliziert. Sloping-Muffensätze gibt es kaum; keiner davon passt komplett. Das größere Problem ergibt sich allerdings beim Tretlagergehäuse, dessen seltsame Winkel nirgends ohne Anpassung zu finden sind - und beim vergleichsweise langen Unterrohr, das ich deshalb nicht aus dem Altbestand nehmen konnte.
Letztendlich sah die Materialauswahl dann so aus:
(hier mit anderem Steuerrohr und anderem Tretlagergehäuse)
Weil sämtliche Züge innerhalb der Rohre in Edelstahlröhrchen verlegt werden sollen, sind ovale 30/17-mm-Kettenstreben die erste Wahl, damit noch Platz für ein Patronenlager bleibt. Deshalb auch das dickere Unterrohr, aber dazu später mehr. Das gewünschte Tretlagergehäuse gab es leider nirgends mehr und das ähnlichste (Pacenti) hatte genügend Abweichung, um die gesamte Geometrie nochmal anpassen zu müssen und alle Winkel, Rohre usw. um einige Millimeter oder halbe Grad zu verändern.
Gebaut wird der Rahmen ganz einfach über einer stabilen MDF-Platte mit einer Zeichnung in Originalgröße; das Ausrichten von Hinterbau und Lenkkopf geschieht nach Smolik-Methode mit einem alten Radsatz, einer alten Gabel und ein paar stabilen Aluprofilen ganz ohne Rahmenlehre. Das, weil die Rahmenlehre aus dem Altbestand meines Freundes bislang nicht aufgetaucht ist, nicht problemlos transportabel wäre und seiner Meinung nach auch unnötig kompliziert war - und, weil mir die Idee gefallen hat, ohne großartige Vorrichtungen und Werkzeuge im "Ghetto-Style" einen ordentlichen Rahmen hinzubekommen, wenn die Arbeitszeit keine Rolle spielt.
Vorweg schonmal: Es hat geklappt.
Nach vielen Jahren voller Gedanken, aber ohne Zeit erfülle ich mir gerade einen langgehegten Traum, nämlich einen mehr oder weniger klassischen Stahlrahmen selbst zu bauen. Ehrlich gesagt: Daran habe ich schon gedacht, als ich 1987/88 mit dem Rennradfahren angefangen hatte, spätestens aber nach der Lektüre einiger Folgen von Smoliks Velo-Werkstatt in der "tour" 1989.
Die Grundlage dafür, in Form gewisser Materialbestände, hatte sich schon vor etlichen Jahren ergeben, als mir ein alter Freund und ehemaliger Rahmenbauer (hauptberuflich mittlerweile ebenfalls Grafiker) seine Bestände vermachte, im Gegenzug für etwas Schützenhilfe bei einem Zeitschriftenprojekt. Im Lauf der Jahre kleckerten dann immer wieder mal Teilbestände bei mir rein, da das Lager vor vielen Jahren zu einem gemeinsamen Bekannten verlegt wurde - verlegt im wahrsten Wortsinne. Immer wieder tauchen z.B. einzelne Kisten mit Ausfallenden, Muffen usw. auf, und es kann noch Jahre dauern, bis wirklich alles wieder da ist.
Den Anlass, endlich anzufangen, gab dann allerdings mein Vater. Der feierte kürzlich seinen achtzigsten Geburtstag, was allein schon ausschlaggebend war, etwas Besonderes zu tun und dabei ein Detail aus der Familiengeschichte wieder aufleben zu lassen (dazu später mehr). Außerdem hat er im letzten Winter ein künstliches Hüftgelenk bekommen, das ihn zwar nicht am Fahren hindert, aber das klassische Aufsteigen mit lässig nach außen geschwungenem Spielbein leider unmöglich macht, weil sich das Gelenk dabei auskugeln könnte. Also muss entweder ein Bordstein zuhilfegenommen werden, oder das Rad stark zur Seite gekippt, oder beides - und das scheint für einen klassischen Rennradler derartig würdelos zu sein, dass er es niemals in der Öffentlichkeit tun würde, zumal auch die Angst, ggf. nicht so schnell absteigen zu können, eine Rolle spielt.
Die Lösung dafür kommt aus einen ganz anderen Ecke: Eine höhenverstellbare Sattelstütze aus dem MTB-Bereich, die sich per Fernbedienung am Lenker einfach um mehrere Zentimeter absenken und ausfahren lässt. Und schon wird aus des Downhillers Notwendigkeit des alten Herren Freude.
Hinzu kommt, dass mein Vater zwar mehrere Räder besitzt, aber kein einziges davon irgendwie schlechtwetter-, dämmerungs- oder alltagstauglich ist und deshalb stets eine mittelgroße "Handtasche" mit allem, was ein Radler unterwegs jemals brauchen könnte, mitgeführt werden muss - z.B. riesige Batterieleuchten aus den 80ern und komplette Regenbekleidung neben einem Werkzeugbestand, mit dem man auch halbe Autos zusammenbauen könnte; dem unvermeidlichen Handy, einer Kamera, einer kleinen Reiseapotheke, ...
Aber schauen wir uns erstmal die Geometrie seines allerliebsten Rennrads an, seit vielen Jahren unverändert:
Um diese Basis herum galt es nun, etwas auszudenken, das
- Platz für breite Reifen und Schutzbleche bietet, also länger werden muss
- vorn genügend Fußfreiheit hat, ohne deutlich träger zu werden
- ein wesentlich kürzeres Sitzrohr und abfallendes Oberrohr hat, um 8 cm Sattelabsenkung zu ermöglichen
- von den 9 cm Überhöhung ein Stück mehr in Richtung Komfort geht
Wendige Räder schätzt der Mann sehr, weshalb ein Trekker von der Stange praktisch ausfällt, von der fiesen Optik aktueller Räder mal ganz abgesehen. 15 Kilo und 'ne Federgabel? Braucht kein Mensch.
Letztendlich kam dann das dabei heraus, etwas umständlich in einem Zeichenprogramm erstellt, weil ich das famose RattleCAD auf dem Mac nicht zum Laufen bekam:
Und nochmal überlagert zum Vergleich:
Das Vorderteil wirkt im Vergleich erstmal riesig, der Schwerpunkt verschiebt sich aber wegen des längeren Hinterbaus praktisch nicht. Die Fußfreiheit reicht gerade so eben, wobei er auch damit umgehen könnte, wenn es nicht so wäre - nur dachte ich mir halt, dass so eine ständige Bedenken- oder Gedankenquelle wegfallen könnte. Das Tretlager darf wegen der genannten Grundproblematik nicht höher liegen (bei aktuellen Trekkern liegt es oft bei 30 cm oder sogar darüber), das Fahrverhalten sollte einem Rennrad noch irgendwie vergleichbar sein, deshalb also kein kurzes Oberrohr mit flachem Lenkwinkel und auch kein riesiger Nachlauf.
Hier mal zum Vergleich mein "unbekannter Franzose", der sich wirklich wunderbar fährt, aber auch ein sehr deutliches Fußproblem hat und wegen meiner eher kurzen Beine insgesamt natürlich kleiner ist:
Die Vorgabe, eine zumindest halbwegs klassische Optik mit Muffen bei erträglichem Gewicht zu bekommen, machte die Sache gleich am Anfang ziemlich kompliziert. Sloping-Muffensätze gibt es kaum; keiner davon passt komplett. Das größere Problem ergibt sich allerdings beim Tretlagergehäuse, dessen seltsame Winkel nirgends ohne Anpassung zu finden sind - und beim vergleichsweise langen Unterrohr, das ich deshalb nicht aus dem Altbestand nehmen konnte.
Letztendlich sah die Materialauswahl dann so aus:
- Muffensatz Llewellyn "Manorina", aber ohne die untere Muffe am Steuerrohr
http://www.llewellynbikes.com/HTML/framebuildersuppliescontent/FramePart Data Sheets/OSS manorina lug data sheet.pdf
- untere Muffe Pacenti
http://3.bp.blogspot.com/-aguN_A9GW...0E/F59EdpLxUi0/s1600/pacenti+artisan+lugs.jpg - Tretlagergehäuse Richard Sachs
- Ausfallenden aus Bestand (unbekanntes Modell, Zufallsfund, vermutlich Long Shen)
- Oberrohr 28,6 - 0,65 endverstärkt (vermutlich Dedacciai)
- Sitzrohr 28,6 - 0,75 endverstärkt (vermutlich Columbus Spirit oder Life)
- Unterrohr 31,6 - 0,75/0,45 Columbus Spirit (neu gekauft)
- Steuerrohr und Kettenstreben Columbus Metax rostfrei (XCR-Vorläufer)
- Sitzstreben Columbus MAX oval (werden queroval verbaut)
(hier mit anderem Steuerrohr und anderem Tretlagergehäuse)
Weil sämtliche Züge innerhalb der Rohre in Edelstahlröhrchen verlegt werden sollen, sind ovale 30/17-mm-Kettenstreben die erste Wahl, damit noch Platz für ein Patronenlager bleibt. Deshalb auch das dickere Unterrohr, aber dazu später mehr. Das gewünschte Tretlagergehäuse gab es leider nirgends mehr und das ähnlichste (Pacenti) hatte genügend Abweichung, um die gesamte Geometrie nochmal anpassen zu müssen und alle Winkel, Rohre usw. um einige Millimeter oder halbe Grad zu verändern.
Gebaut wird der Rahmen ganz einfach über einer stabilen MDF-Platte mit einer Zeichnung in Originalgröße; das Ausrichten von Hinterbau und Lenkkopf geschieht nach Smolik-Methode mit einem alten Radsatz, einer alten Gabel und ein paar stabilen Aluprofilen ganz ohne Rahmenlehre. Das, weil die Rahmenlehre aus dem Altbestand meines Freundes bislang nicht aufgetaucht ist, nicht problemlos transportabel wäre und seiner Meinung nach auch unnötig kompliziert war - und, weil mir die Idee gefallen hat, ohne großartige Vorrichtungen und Werkzeuge im "Ghetto-Style" einen ordentlichen Rahmen hinzubekommen, wenn die Arbeitszeit keine Rolle spielt.
Vorweg schonmal: Es hat geklappt.
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