Das Problem ist halt, talente sind über die menschheit in glockenform verteilt. Soll heißen, wenn es kein doping gäbe wäre genau das gar nicht mal so ungewöhnlich, dass jemand in etwas sehr viel besser ist als alle anderen.
Daher vielleicht wird gedopt (wahrscheinlich sogar), vielleicht nicht, aber die überlegenheit ist in keinster weise ein indiz für irgendwas.
Normalverteilung heißt aber nur, dass es nicht ungewöhnlich wäre, wenn es wenige Menschen gäbe, die sehr viel besser als die meisten Menschen wären. Nur sind aber schon durchschnittliche Radprofis im obersten Dezil oder Perzentil. Und der menschliche Körper hat physiologische Grenzen. Erwartbar wäre daher eher, dass die Leistungsdichte an der Spitze sehr dicht ist und sehr kleine Unterschiede den Unterschied ausmachen. Es ist auch nicht so dass Doping alle gleich besser macht. Es gibt Fahrer:innen, die gut oder schlecht darauf ansprechen. Doping heutzutage ist wahrscheinlich auch sehr teuer und aufwendig, sodass es sich nur einige Teams und wahrscheinlich auch nicht für alle Fahrer leisten können. Ullrich hat Fuentes damals laut Süddeutscher Zeitung 120.000€ jährlich gezahlt.
Allgemein ist es für mich völlig unverständlich, wie sehr hier viele die Augen verschließen wollen. Nichts aus der Geschichte gelernt?
Zur Erinnerung: Die Manager von UAE Emirates sind Mauro Gianetti und Matxin Fernandez. Gianetti war Profi in der dunkelsten 90er-Zeit und lag 1998 10 Tage lang z.T. im Koma im Krankenhaus, weil er mit synthetischen Hämoglobin gedopt hat (Perflourcarbon). Beide haben Saunier-Duval geleitet. Für alle die es nicht miterlebt haben: 2008 wurden mehrere Fahrer des Teams bei der Tour positiv auf CERA getestet und das gesamte Team hat die Tour verlassen. Riccardo Ricco hatte 2 Etappen gewonnen, eine davon im Stil von Pogacar (Attacke von weit weg, alle stehengelassen, bis auf das eigene Teammitglied). Es war absurd anzusehen. Saunier-Duval wurde zu Geox und Juan Jose Cobo gewann 2011 die Vuelta (mittlerweile wegen auffälliger Blutpasswerte aberkannt), nachdem er im Sommer des Jahres noch mit dem Beenden der Karriere geliebäugelt hat. Ricco erzählt mittlerweile in Interviews, dass er damals einfach zu dumm und rücksichtslos war. Wär er freundlicher und mehr Liebling der Medien gewesen, hätte er mehrere Grand Tours gewonnen.
Anyway Gianetti und Matxin leiten jetzt UAE. Sie haben einen autokratischen Staat hinter sich, der seit vielen Jahren Sportswashing betreibt und auch enormen Einfluss auf die großen Sportorganisationen hat.
Nun zum aktuellen Niveau: seit Beginn der Corona-Pandemie und dem großflächigen Wegbrechen der Out-of-Competition Tests ist das Niveau explodiert. Und die Spitze belegen einige wenige Teams. Jedes Jahr werden die Fahrer an der Spitze schneller. Nachdem letztes Jahr das Niveau der dunkelsten 90er-EPO Zeit erreicht wurde, wurde es dieses Jahr deutlich überflügelt.
Hier von Lanterne Rouge:
Die Roten Punkte um die 40 Minuten und 7 W/kg sind Pogacar und Vingegaard am Plateu de Beille. Der einzige vergleichbare Ausreißer und bis zu diesem Jahr die beste Leistung aller Zeiten ist der pinke Punkt bei 24 Minuten: Pantani am Flumserberg bei der Tour de Suisse 1995.
Pogacar hat seine W/kg im Vergleich zu letztem Jahr um ~20% verbessert. Wie erklärt ihr das? Wo gab es das schonmal an der absoluten Spitze?
Klar wurde er noch nie positiv getestet. Das wurde Armstrong auch nicht (offiziell. Ein positiver Dopingtest wurde einfach nicht veröffentlicht). Wer hätte auch ein Interesse daran? Die UCI hat leider die Lektion gezogen, dass positive Dopingtests nicht gut fürs Geschäft sind. Und deshalb wird es auch keinen hochkarätigen positiven Test geben.