***Mal ein etwas anderer Artikel zum Thema Jan Ullrich***
hi,
diesen Artikel habe ich in der Süddeutschen gelesen. Zeigt mal eine etwas andere Seite zum Thema Jan Ullrich denke ich. Was sagt ihr dazu ?
"Seit der Entdeckung des Dopinglabors in Madrid jagt ein Gerücht das andere. Der Radsport hat die Fakten untersucht. Jan druckt den Artikel der aktuellen Ausgabe auf seiner Homepage nach:
Jeden Tag etwas Neues. Noch nie wurde ein deutscher Athlet so durch die Medien getrieben wie der gebürtige Rostocker Jan Ullrich. Als neueste Erkenntnisse liegen der ARD Hinweise vor, dass zwei Profis in einem Hotel in Hamburg Blut zur Bearbeitung bei Dr. Fuentes in Spanien "gespendet" haben sollen. In dem Zusammenhang fällt erneut der Name Ullrich, weil der Name des Radstars angeblich in allen Unterlagen als Nummer eins genannt wird. Diese Feststellung stimmt nicht. Erst Ende August hatte die "Süddeutsche Zeitung" ein Faksimile veröffentlicht, da tauchte der Name Ullrich als Nummer sieben auf. In anderen Dokumenten vermuten die Ermittler einen Italiener als Nummer eins und einen Jan als zwei. Was nun? Eins, zwei oder sieben?
Bei den Dopingvorwürfen sieht kaum noch einer durch. Strafanzeige gegen Jan Ullrich. Ullrich des Dopings überführt. Ullrich erkennt Kündigung bei T-Mobile an. Ullrich erkennt fristlose Kündigung nicht an. Ullrich und T-Mobile einigen sich. Deutscher Arzt des "Helios-Klinikum" in Bleicherode verschiebt Dopingmittel nach Spanien. Zahlreiche solcher oder ähnliche Schlagzeilen belebten in den vergangenen Wochen den Blätterwald. Das Nachrichten Magazin "Focus" ("Fakten, Fakte, Fakten") überraschte vorige Woche ganz "aktuell" mit der Mitteilung, dass die Bielefelder Professorin Britta Bannenberg gegen Jan Ullrich, Oscar Sevilla und den belgischen Radsportexperten Rudi Pevenage Strafanzeige gestellt hat. Unter der Akte 430 Js 936/06 ermittele nun die Bonner Staatsanwaltschaft. Für eine Fortführung des Verfahrens warten die Bonner Juristen angeblich auf Unterlagen der Guardia Civil aus Spanien.
Frau Bannenberg hatte laut zahlreicher Medienberichte bereits am 7. Juli die Anzeige gegen die ihr nicht persönlich bekannten Radsportler gestellt. Wenn die ARD, die "Süddeutsche Zeitung", zahlreiche Journalisten und selbst der eigentlich unbeteiligte Heidelberger Professor Franke über die Unterlagen verfügen, stellt sich schon die Frage, worauf die Bonner Staatsanwälte eigentlich warten. Die T-Mobile-Zentrale liegt nur einen Steinwurf weit von der Staatsanwaltschaft entfernt. Bei den Funk-Mobilisten kennt man die Unterlagen seit Ende Juni.
Die Erkenntnisse, wenn sie denn so stimmen und tatsächlich von der Guardia Civil stammen, sind harter Tobak. Sie schockieren selbst eingefleischte Radsport-Fans. Wie abgebrüht die Ärzte Eufemiano Fuentes und Jose Merino Bartres ihre Blutleitungen legten, um abzukassieren, jagt einem die Gänsehaut über den Rücken. Blutentnahme und Blutrückführungen, wie es in den Unterlagen heißt, lesen sich wie der Kassenbericht einer Tankstelle.
Die spanischen Lauscher ermittelten alle Erkenntnisse mit geheimen Beobachtungen und Abhöraktionen. In Rechtsstaaten wie der Schweiz oder Deutschland damit umzugehen, scheint deshalb nicht ganz einfach. Die Spanier sagten von vornherein, dass gegen Jan Ullrich, Ivan Basso (Italien) oder dem einstigen T-Mobile-Spanier Oscar Sevilla nicht ermittelt werde. In einem Fuente-Prozess sollen sie höchsten als Zeugen aussagen.
Natürlich unterliegen die Radstars außerdem der Sportgerichtsbarkeit. Bei der Internationalen Antidoping-Kommission WARDA gilt auch eine versuchte Doping-Anwendung als strafbar. Doch selbst für die Weltdoping-Polizei dürften sich zahlreiche Fragen ergeben. Der Schweizer Radsportverband jedenfalls schickte die Unterlagen aus Spanien wieder an die UCI (Internationaler Radsportverband) zurück. " Seither still ruht der See. Mit dem Schreiben kann ich nichts anfangen. Die Unterlagen sind ohne jede Unterschrift, ohne Stempel. Man weiß nicht, wo die Schreiben herkommen, wer sie zu Papier gebracht hat, damit fliege ich bei unserer Disziplinarkammer und den Gerichten nach fünf Minuten wieder raus", erklärt Lorenz Schläfli, der Schweizer Radsportpräsident am 3.September und fügt hinzu: "Bei uns ist Ullrich nicht gesperrt." Was ist in diesem Zusammenhang mit den anderen 200 oder 300 Namen, nichts genaues, weiß man nicht. Die anfänglich im Spiel waren. Selbst von den 58 angeblichen "Rad-Patienten" Fuentes bleiben nur die Namen Jan Ullrich und Ivan Basso übrig. Komisch, komisch!
Eine Schlappe musste auch Prof. Werner Franke vor dem Hamburger Gericht einstecken. Er darf nicht mehr behaupten, dass Jan Ullrich angeblich 35 000 Euro im Jahr an den spanischen Arzt Dr. Fuentes überwiesen hat. "Wir wissen nichts von einer Ermittlung der Bonner Staatsanwaltschaft. Wir haben nichts vom Schweizer Radsportverband gehört, mit dessen Lizenz Jan fährt. Wir wissen nur, dass Jan nicht gesperrt ist. Alles andere haben wir nur aus den Medien erfahren", sagt Ullrich Manager Wolfgang Strohband. Der Hamburger gibt allerdings zu: "Ich habe gesagt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass Jan noch einmal für T-Mobile fährt. Die Äußerung habe ich lange nach Jans Kündigung getan. Um neuen Gerüchten die Grundlage zu entziehen, teile ich mit. Wir haben uns vorige Woche mit T-Mobile geeinigt. Wie, was und warum. Darüber wurde von beiden Seiten Stillschweigen vereinbart."
Bei Lichte besehen, pendeln die gesamten Dopingvorwürfe irgendwie im rechtsfreien Raum. Seit Wochen fliegen immer wieder Argumente hin und her, keine Institution packt richtig zu. Es wird geredet und geredet, Tatsachen wegdiskutiert und Enten steigen gelassen. Ullrichs sämtliche 33 Dopingproben in diesem Jahr waren negativ. Eine harte Nuss für die Gerichtsbarkeit. Einem Kraftfahrer wird schließlich auch nicht, der Führerschein weggenommen, weil vielleicht einmal zu schnell fahren könnte. Da muss sich zumindest der Sport dazu durchringen, entweder oder zu sagen. Schuld und Sperre oder nicht Schuld und ab sofort wieder startberechtigt. Keineswegs für eine Klärung sorgte die Vernehmung des Giro-Sieger Ivan Basso vor dem italienischen Olympiakomitee. Basso konnte offensichtlich beweisen, dass er mit den Machenschaften von Fuentes nichts zu tun hat. Bassos Rechtsanwalt geht jedenfalls davon aus, dass der Giro-Sieger nach der zweiten Anhörung am 12. September wieder auf dem Rad sitzt.
Ein ganz anderes Thema ist die Schiebung mit Dopingmitteln. Zwischen Braunlage, Bleicherode, Bad Lauterberg und Goslar weiß man da bestimmt mehr. Wir habe dort intensiv recherchiert und traf zwischen der Post-Apotheke, dem Eisstadion in Braunlage, der Reha-Klinik "Dr. Muschinsky" in Bad Lauterberg und Braunlages Bürgermeisteramt fast nur Menschen, die den deutschen Arzt-Partner Fuentes entweder gar nicht oder nur ganz flüchtig kannten, obwohl er mehrere Jahre als Teamarzt der Braunlager Eishockey-Mannschaft gewirkt und in der Arztpraxis bei Dr. Saad des Harzstädtchens gearbeitet hat. Die Göttinger Staatsanwaltschaft ermittelt zwar. Wenn diese auch wie deren Kollegen aus Bonn auf Unterlagen aus Spanien warten, dürfte der erste Schnee im Harz vieles zudecken.
Ein komisches Gefühl bemächtigt sich dem Sportjournalisten, wenn man sich mit der Dopingrazzia vorige Woche in Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Polen beschäftigt. Da werden ganze Pkw-Ladungen anaboler Steroide aus Thailand über Polen nach Deutschland geschoben. Hintermänner des Millionen-Deals atmen seither gesiebte Luft. Die Polizei setzte 240 Beamte auf die Drahtzieher an. Fitness-Studios, Apotheken, Privatwohnungen und Tiefgaragen wurden ausgehoben. Die meisten Medien berichteten gerade zwei Tage über die kriminellen Machenschaften. Na klar, da war kein großer Name dabei. Was interessiert schon, wenn einem 16 Jahre alten Muskel-Teenie die Hoden absterben oder einem unbekannten Türsteher die Leber platzt? Da ist doch ein Ullrich viel interessanter, selbst, wenn die bisherigen Erkenntnisse - zu mindestens bis jetzt - in einem Rechtsstaat nicht justiziabel sind. Die neuesten Spekulationen weist Ullrich von sich: "Wenn ich die Gerüchte über mich lese, kann ich nur den Kopf schütteln. Ein Gerücht wird nicht wahrer, wenn man es ständig wiederholt."