Knobi
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Verehrtes Forum, liebe Freunde!
Nun bin ich auch mal an der Reihe und werde über die nächsten Wochen oder Monate den Wiederaufbau eines geschenkten, eigentlich vollkommen ruinierten Durifort-Rahmens dokumentieren.
Wer mich kennt, ahnt bereits jetzt: Historisch korrekt wird es dabei sicher nicht zugehen und von einer Restauration kann auch keine Rede sein - eher schon von einem schrägen Umbau mit Mut zur Lücke und viel Experimentierfreude.
Doch zunächst die Vorgeschichte:
Vor einiger Zeit half ich einem guten Freund, seine Werkstatthalle zwecks Umzug auszuräumen. In der Ecke stand ein jämmerlich verdrecktes, rotes Rennrad, ziemlich alt. Da mein Kumpel mich ja nun kennt und in etwa genauso groß ist, zerrte er das Ding ins Licht und meinte "Da - nimm's mit, oder ich schmeiß es weg!".
Die Rahmenhöhe erschien mir auf den ersten Blick passend, bis auf die linke Kurbel und die Pedale war das Rad komplett, also ab ins Auto damit und daheim in Ruhe angeschaut.
Das Ergebnis war ernüchternd:
Rahmen von übelst schlechter Fertigungsqualität, wenn auch nicht grundsätzlich minderwertig. Die Durifort waren als Vitus-Vorgänger ja eigentlich in der Mittelklasse angesiedelt, wozu auch die komplett verbaute 600 Arabesque passt. Oberrohr rot nachgepinselt, an diversen anderen Stellen Rost am Rahmen.
(nein, die Gabel ist nicht krumm - der Gabelkopf ist hinten nur brutal durch eine Art Punktschweißmaschine eingedrückt worden, und zwar werksseitig)
Kein einziges Lager drehte sich mehr, vom Steuersatz mal abgesehen. Felgen? Klassische Weinmänner, einst liebevoll mit Unterlegscheibchen eingespeicht und noch lange nicht durchgebremst - aber huckenkrumm. Naben? Bombenfest zusammengerostet. Innenlager ebenso. Schaltwerk am vorderen Gelenk durchgerissen, so etwas hatte ich vorher noch nie gesehen und kann es mir auch nicht erklären.
Bei näherem Hinsehen sprach jedoch vieles dafür, dass das Rad keine hohe Laufleistung hat - es wurde nur ausgesprochen schlecht behandelt und vorsätzlich zugrundegerichtet. Kettenblätter und Steuersatz dürften kaum über 10 Tkm alt sein, wenn überhaupt - Umwerfergabel und Schaltwerksröllchen passen dazu.
Der Rahmen selbst ist, wie schon erwähnt, äußerst lieblos zusammengebrutzelt und zeigt an fast allen Muffen deutliche Spalten und Lotreste unterm Lack.
Hier der Gabelkopf des Grauens:
Die Zuganschläge für die hintere Bremse sind schief angelötet und obendrein rechts, was aber zur Arabesque-Bremse passt. Obwohl die Räder in der Spur laufen und auch sonst alles fluchtet, liegen die Hinterbaustreben unterschiedlich hoch an der Sitzmuffe an; die rechte steht deutlich über. Würg.
Nun fragt sich der geneigte Leser zu recht, warum dieses Ding nicht auf der Stelle in den Schrott gewandert ist.
Und bekommt dafür gleich drei griffige Erklärungen:
1. Ein Geschenk, und als solches muss ich das Rad leider ansehen, wirft man nicht weg.
2. Der Rahmen hat ein langes Bremsmaß und eignet sich damit für Schutzbleche und fette Reifen. Jetzt schwant Euch bestimmt schon Böses.
3. Ich brutzle zwar schon seit Jahren an Rahmen rum, aber bislang ging es dabei immer nur um sinnvolle Kleinigkeiten oder Reparaturen. Irgendwann will ich mal meine eigenen Rahmen bauen, zumal ich einen größeren Bestand an Rohren und Muffen gewissermaßen "geerbt" habe - und dieses Ding hier eignet sich hervorragend als Opfer zum Üben.
Schlimmer werden kann es schließlich kaum noch.
Da der Rahmen im Vergleich zur Höhe außergewöhnlich lang ist, eignet er sich sowieso nicht als Renner - zumal ich kurze und (sehr) wendige Rahmen ausgesprochen gern mag.
Vor meinem geistigen Auge erschien schließlich ein schlichtes Tourenrad mit "Gesundheitslenker" nach Art eines Cinelli Priest oder Nitto Moustache. Kein überflüssiges Gedöns, keine außen am Rad bammelnden Züge. Canti-Bremsen oder Mini-V, 35er Reifen mit mildem Ackerprofil, eventuell schlanke Schutzbleche und ein ebenso schlanker Gepäckträger.
Nur ein Kettenblatt und damit keine Schaltung vorn - hinten aber eine 10-fach-Kassette mit ordentlicher Bandbreite. Theoretisch müsste das mit einem kurzen Käfig schaltbar sein, optisch bleibt das Rad also schön schlicht. Die RR-typischen Topspeed-Gänge wird man bei so einem Ding ebensowenig vermissen wie die ganz kurzen Gänge eines MTB, also könnte ein 42er Kettenblatt mit einer 12-32 oder 34 Kassette okay sein. Theoretisch würde sogar ein 13er Ritzel ausreichen, wir werden sehen.
Jetzt aber genug gelabert und auf zum ungebremsten Tatendrang!
Die Reihenfolge der Fotos ist dabei nicht unbedingt chronologisch und ein toller Fotograf bin ich noch nie gewesen, ich bitte also um Nachsicht.
Zuerst einmal müssen die unsinnigen Bremszugführungen auf der rechten Seite des Oberrohrs verschwinden. Stattdessen soll der Zug elegant im Rohr verschwinden und dafür besorgt man sich Edelstahlröhrchen in verschiedenen Durchmessern, z.B. im Modellbauladen oder Bastelgeschäft:
Und peilen, wie der Zug möglichst ungeknickt durch's Rohr gehen könnte:
Ein Widerlager/eine Brücke habe ich übrigens nicht geplant. Falls ich Cantis fahre, werde ich diese über Powerhanger ansteuern, ansonsten kommen Mini-V zum Einsatz und die brauchen sowieso kein Widerlager.
Hammer und Körner:
Uuund - zack!
Das kleine Röhrchen für den Innenzug ist 3 mm dick, also wird auch 3 mm groß gebohrt:
Wenn das Loch durch ist, die Bohrmaschine in Richtung des geplanten Zugverlaufs ankippen und ein wenig damit hin und her ratschen:
Ööhhh! A Loooch!
Und noch eins am anderen Ende. Hier sieht man, dass ich vorher schon ein wenig am Übergang zum Sitzrohr gespielt hatte:
Weil die Löcher noch nicht lang und "schräg" genug sind, darf mit Schlüsselfeile oder Dremel nachgeholfen werden.
Dann einen am Ende ordentlich abgeknickten Zug einführen. Hier sieht man, wie bescheiden der Rahmen ab Werk nachbearbeitet war.
Am anderen Loch den Zug so lange hin und her drehen, bis das Ende durchflutscht. Daher auch der Knick.
Röhrchen auffädeln und in den Rahmen schieben.
Am anderen Ende mal kurz am Zug zerren und das Röhrchen aus dem Loch ruckeln. Anschließend einen heilen Zug durchschieben und schauen, ob auch alles schön leichtgängig ist.
Überstand absägen, dabei aber das Rahmenrohr ganz lassen!
Hier sehen wir an einer anderen Ecke, wie die Sache mit dem Anschlag funktioniert: Rohrstückchen Nr. 1 überbrückt den Unterschied zu Rohrstückchen 2, das später die Zugspirale aufnimmt. Gescheit verlötet, entsteht so ein sauberer und belastbarer Anschlag. Die Hülse verstärkt dabei das gelochte Rahmenrohr, weil sie das Loch überlappt.
Selbstverständlich habe ich mich bei der Aktion ordentlich in den Finger gesägt.
So sieht es aus, wenn die beiden "inneren" Teile schon mal verlötet sind. Dabei kann man gut beobachten, wie das Lot in den Spalt zwischen den Röhrchen kriecht.
Jetzt kommt die Hülse drauf. Anschlag, Rohr und Hülse (auch innen) wieder schön mit Flussmittel einpampen!
Und verlöten. Das kann man allein eigentlich nicht gescheit knipsen. Ich verwende dafür 55%iges Silberlot - gar nicht so einfach, mit dem dünnflüssigen Zeug vernünftige Hohlkehlen hinzukriegen...
Damit das innere Röhrchen nicht voll Lot läuft oder mit Flussmittel verstopft, stecke ich eine ordentlich verglühte, "verzunderte" Speiche rein. Die kann man auch noch mit Silikonfett einschmieren - das bringt tatsächlich was, obwohl es beim Löten ja verbrennt. Seltsam.
Mit Schlüsselfeile, Dremel oder Schleifleinen verputzt - wer halbwegs anständig lötet, hat dabei anschließend nicht mehr viel zu tun:
Und so sieht der Anschlag von innen aus:
So, Schluss für heute - und morgen bauen wir uns eine martialische Tretlagergehäuseverstärkung samt durchgelknallter Schaltzugführung!
Nun bin ich auch mal an der Reihe und werde über die nächsten Wochen oder Monate den Wiederaufbau eines geschenkten, eigentlich vollkommen ruinierten Durifort-Rahmens dokumentieren.
Wer mich kennt, ahnt bereits jetzt: Historisch korrekt wird es dabei sicher nicht zugehen und von einer Restauration kann auch keine Rede sein - eher schon von einem schrägen Umbau mit Mut zur Lücke und viel Experimentierfreude.
Doch zunächst die Vorgeschichte:
Vor einiger Zeit half ich einem guten Freund, seine Werkstatthalle zwecks Umzug auszuräumen. In der Ecke stand ein jämmerlich verdrecktes, rotes Rennrad, ziemlich alt. Da mein Kumpel mich ja nun kennt und in etwa genauso groß ist, zerrte er das Ding ins Licht und meinte "Da - nimm's mit, oder ich schmeiß es weg!".
Die Rahmenhöhe erschien mir auf den ersten Blick passend, bis auf die linke Kurbel und die Pedale war das Rad komplett, also ab ins Auto damit und daheim in Ruhe angeschaut.
Das Ergebnis war ernüchternd:
Rahmen von übelst schlechter Fertigungsqualität, wenn auch nicht grundsätzlich minderwertig. Die Durifort waren als Vitus-Vorgänger ja eigentlich in der Mittelklasse angesiedelt, wozu auch die komplett verbaute 600 Arabesque passt. Oberrohr rot nachgepinselt, an diversen anderen Stellen Rost am Rahmen.
(nein, die Gabel ist nicht krumm - der Gabelkopf ist hinten nur brutal durch eine Art Punktschweißmaschine eingedrückt worden, und zwar werksseitig)
Kein einziges Lager drehte sich mehr, vom Steuersatz mal abgesehen. Felgen? Klassische Weinmänner, einst liebevoll mit Unterlegscheibchen eingespeicht und noch lange nicht durchgebremst - aber huckenkrumm. Naben? Bombenfest zusammengerostet. Innenlager ebenso. Schaltwerk am vorderen Gelenk durchgerissen, so etwas hatte ich vorher noch nie gesehen und kann es mir auch nicht erklären.
Bei näherem Hinsehen sprach jedoch vieles dafür, dass das Rad keine hohe Laufleistung hat - es wurde nur ausgesprochen schlecht behandelt und vorsätzlich zugrundegerichtet. Kettenblätter und Steuersatz dürften kaum über 10 Tkm alt sein, wenn überhaupt - Umwerfergabel und Schaltwerksröllchen passen dazu.
Der Rahmen selbst ist, wie schon erwähnt, äußerst lieblos zusammengebrutzelt und zeigt an fast allen Muffen deutliche Spalten und Lotreste unterm Lack.
Hier der Gabelkopf des Grauens:
Die Zuganschläge für die hintere Bremse sind schief angelötet und obendrein rechts, was aber zur Arabesque-Bremse passt. Obwohl die Räder in der Spur laufen und auch sonst alles fluchtet, liegen die Hinterbaustreben unterschiedlich hoch an der Sitzmuffe an; die rechte steht deutlich über. Würg.
Nun fragt sich der geneigte Leser zu recht, warum dieses Ding nicht auf der Stelle in den Schrott gewandert ist.
Und bekommt dafür gleich drei griffige Erklärungen:
1. Ein Geschenk, und als solches muss ich das Rad leider ansehen, wirft man nicht weg.
2. Der Rahmen hat ein langes Bremsmaß und eignet sich damit für Schutzbleche und fette Reifen. Jetzt schwant Euch bestimmt schon Böses.
3. Ich brutzle zwar schon seit Jahren an Rahmen rum, aber bislang ging es dabei immer nur um sinnvolle Kleinigkeiten oder Reparaturen. Irgendwann will ich mal meine eigenen Rahmen bauen, zumal ich einen größeren Bestand an Rohren und Muffen gewissermaßen "geerbt" habe - und dieses Ding hier eignet sich hervorragend als Opfer zum Üben.
Schlimmer werden kann es schließlich kaum noch.
Da der Rahmen im Vergleich zur Höhe außergewöhnlich lang ist, eignet er sich sowieso nicht als Renner - zumal ich kurze und (sehr) wendige Rahmen ausgesprochen gern mag.
Vor meinem geistigen Auge erschien schließlich ein schlichtes Tourenrad mit "Gesundheitslenker" nach Art eines Cinelli Priest oder Nitto Moustache. Kein überflüssiges Gedöns, keine außen am Rad bammelnden Züge. Canti-Bremsen oder Mini-V, 35er Reifen mit mildem Ackerprofil, eventuell schlanke Schutzbleche und ein ebenso schlanker Gepäckträger.
Nur ein Kettenblatt und damit keine Schaltung vorn - hinten aber eine 10-fach-Kassette mit ordentlicher Bandbreite. Theoretisch müsste das mit einem kurzen Käfig schaltbar sein, optisch bleibt das Rad also schön schlicht. Die RR-typischen Topspeed-Gänge wird man bei so einem Ding ebensowenig vermissen wie die ganz kurzen Gänge eines MTB, also könnte ein 42er Kettenblatt mit einer 12-32 oder 34 Kassette okay sein. Theoretisch würde sogar ein 13er Ritzel ausreichen, wir werden sehen.
Jetzt aber genug gelabert und auf zum ungebremsten Tatendrang!
Die Reihenfolge der Fotos ist dabei nicht unbedingt chronologisch und ein toller Fotograf bin ich noch nie gewesen, ich bitte also um Nachsicht.
Zuerst einmal müssen die unsinnigen Bremszugführungen auf der rechten Seite des Oberrohrs verschwinden. Stattdessen soll der Zug elegant im Rohr verschwinden und dafür besorgt man sich Edelstahlröhrchen in verschiedenen Durchmessern, z.B. im Modellbauladen oder Bastelgeschäft:
Und peilen, wie der Zug möglichst ungeknickt durch's Rohr gehen könnte:
Ein Widerlager/eine Brücke habe ich übrigens nicht geplant. Falls ich Cantis fahre, werde ich diese über Powerhanger ansteuern, ansonsten kommen Mini-V zum Einsatz und die brauchen sowieso kein Widerlager.
Hammer und Körner:
Uuund - zack!
Das kleine Röhrchen für den Innenzug ist 3 mm dick, also wird auch 3 mm groß gebohrt:
Wenn das Loch durch ist, die Bohrmaschine in Richtung des geplanten Zugverlaufs ankippen und ein wenig damit hin und her ratschen:
Ööhhh! A Loooch!
Und noch eins am anderen Ende. Hier sieht man, dass ich vorher schon ein wenig am Übergang zum Sitzrohr gespielt hatte:
Weil die Löcher noch nicht lang und "schräg" genug sind, darf mit Schlüsselfeile oder Dremel nachgeholfen werden.
Dann einen am Ende ordentlich abgeknickten Zug einführen. Hier sieht man, wie bescheiden der Rahmen ab Werk nachbearbeitet war.
Am anderen Loch den Zug so lange hin und her drehen, bis das Ende durchflutscht. Daher auch der Knick.
Röhrchen auffädeln und in den Rahmen schieben.
Am anderen Ende mal kurz am Zug zerren und das Röhrchen aus dem Loch ruckeln. Anschließend einen heilen Zug durchschieben und schauen, ob auch alles schön leichtgängig ist.
Überstand absägen, dabei aber das Rahmenrohr ganz lassen!
Hier sehen wir an einer anderen Ecke, wie die Sache mit dem Anschlag funktioniert: Rohrstückchen Nr. 1 überbrückt den Unterschied zu Rohrstückchen 2, das später die Zugspirale aufnimmt. Gescheit verlötet, entsteht so ein sauberer und belastbarer Anschlag. Die Hülse verstärkt dabei das gelochte Rahmenrohr, weil sie das Loch überlappt.
Selbstverständlich habe ich mich bei der Aktion ordentlich in den Finger gesägt.
So sieht es aus, wenn die beiden "inneren" Teile schon mal verlötet sind. Dabei kann man gut beobachten, wie das Lot in den Spalt zwischen den Röhrchen kriecht.
Jetzt kommt die Hülse drauf. Anschlag, Rohr und Hülse (auch innen) wieder schön mit Flussmittel einpampen!
Und verlöten. Das kann man allein eigentlich nicht gescheit knipsen. Ich verwende dafür 55%iges Silberlot - gar nicht so einfach, mit dem dünnflüssigen Zeug vernünftige Hohlkehlen hinzukriegen...
Damit das innere Röhrchen nicht voll Lot läuft oder mit Flussmittel verstopft, stecke ich eine ordentlich verglühte, "verzunderte" Speiche rein. Die kann man auch noch mit Silikonfett einschmieren - das bringt tatsächlich was, obwohl es beim Löten ja verbrennt. Seltsam.
Mit Schlüsselfeile, Dremel oder Schleifleinen verputzt - wer halbwegs anständig lötet, hat dabei anschließend nicht mehr viel zu tun:
Und so sieht der Anschlag von innen aus:
So, Schluss für heute - und morgen bauen wir uns eine martialische Tretlagergehäuseverstärkung samt durchgelknallter Schaltzugführung!