@GHiAccount Natürlich braucht es für Erfolg im Sport besonderes Glück in der Genlotterie. Ob das individuell ist wie bei einem Ulle oder einem Pogacar oder ob ganze ethnische Gruppen einen historisch-umweltlich bedingten Genvorteil besitzen, ist ja zweitrangig. Die Leute müssen also erstmal genetisch da sein. Solange es kein Gendoping gibt, muss das erstmal die Natur richten.
Diese Leute zu finden ist der zweite Schritt, hier braucht es Breitensport und Talentsuche und -förderung. Und natürlich methodische Professionalität, um möglichst effizient zu sichten und schnell richtig zu bewerten ob Talent oder nicht. Dass z.B. Belgien relativ zur Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg gesehen die stärkste Radsportnation ist, liegt an diesen Faktoren.
Dritter Schritt ist das Training, das das entscheidende Potenzial maximal ausprägt und weitere, sekundäre Fähigkeiten ausbaut. Hier kann man dann auch Dinge wie Ernährung dazuzählen oder Technik sei es in Bewegungsabläufen oder Geräten.
Und dann erst kommt das Doping im Sinne von verbotenen Mitteln, in der Regel gesundheitsschädlichen, leistungssteigernden.
Spannend wird die Frage, was welchen Anteil hat. Leider ist es so, dass keiner die Daten hat, um das ausreichend beurteilen zu können. Daher kann jeder sich sein Wunschszenario zusammenrätseln. Alle sind sauber, die allgemeine Leistungssteigerung ist Training, Ernährung und Technik zuzuschreiben, "Außerirdische" sind bloße Gewinner der Genlotterie. Oder: Der Doper wird unter sonst Gleichen der bessere sein, also sind alle sauber, nur "Außerirdische" Doper. Es können auch alle gedopt sein und die besseren Gene der "Aliens" machen dann doch wieder den Unterschied (wobei unter Dopern andere Gene entscheidend sein können, nämlich durch die das Doping besonders gut anschlägt). Der Alien kann auch ein neues Wundermittel haben, das ihn und den Normaldopern zum Star macht.
Allerdings steigt mit zunehmender Leistung der Beteiligten die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Komponente Doping eine Rolle spielt, insbesondere wenn der Umfang der Leistungssteigerungso in einen Bereich kommt, wo die Marginal Gains (Aero, mehr Essen, besser Trainieren, besser Erholen) als alleinige Ursache unglaubwürdig werden. Aber wie soll man das feststellen ohne entsprechende Studien, für die natürlich auch wieder die Datenbasis fehlt.
Vor allem die Weiterbeschäftigung von Leuten aus bekannten ehemaligen Dopingkontexten ist ein Verdachtsmoment, bei dem man sich fragt, warum sich die Teams sich das antun. Offenbar gibt es sportliche Vorteile, die die Beschäftigung dieser Leute trotz der negativen Publicity sinnvoll macht. Sollte es mittlerweile nicht mehr als genug "biographisch sauberen" Nachwuchs bei Trainern und Sportmedizinern geben?
Stattdessen treiben sich diese Leute weiter bei den WT-Teams herum und sind auch - lt. ARD-Doku - in entsprechende Aktivitäten involviert, wie potenzielles CO-Doping.
Insofern befeuert der Sport derartige Dokus ja selbst. Und wenn dann noch Leute wie Dege und Martin sagen: es gibt keinen völlig sauberen Radsport, heißt das ja nichts anderes, dass er in gewissem, genauer aber unbekanntem Umfang unsauber ist. Daher ist es auch absurd als Fan das Gegenteil zu behaupten, der Sport sei heute komplett sauber und die Leistungssteigerungen nur eine Summe der legalen Marginal Gains.
Persönlich finde ich es sehr schade, dass der Sport so agiert, dass derartige Dokus heute noch gemacht werden können. Sie mögen reißerisch sein, aber ich würde mich nicht wundern, wenn da mehr dahinter ist, als uns als Fans lieb sein kann. Es läge zuerst am Sport, hier mehr zu tun.