Gestern auf dem Weg zur Arbeit stelle ich mal wieder fest: Grau ist nicht gleich grau. Wie so oft macht es der Blickwinkel. So freue ich mich still über den eintöniggrauen wolkenverhangenen Himmel, der mir diesmal für meinen Geschmack zu trocken ist, während ich mit dem MTB zum ersten Mal in diesem Winter laut rasselnd zur Arbeit rolle.
Von dem ein oder anderen Stadtradler ernte ich mit meinen Spikes einen spöttischen Blick. Ist hier es doch noch ein wenig warm für diesen Aufzug, wird er sich über den MTBer mit der dreckigen Windstopperjacke und der Helmlampe denken. Juckt mich aber nicht, denn wie soll er sich vorstellen können, worüber er selbst vermutlich nicht im Traum nachdenken würde?
Ich bin auf Pilgermission und folge dem Norweger. Ja, der Norweger. Der hat für Aachen eine niedrige flache rote Temperaturkurve gezeichnet und Niederschlag in Form von Regen vorhergesagt. Ein paar Flöckchen könnten zum Abend hin dazu kommen, die dann aber nicht liegen bleiben werden. Soweit deckt sich meine Interpretation mit den Blicken der Spötter.
Jetzt habe ich aber in meinem Büro irgendwann mal am Whiteboard in der rechten oberen Ecke für die Ewigkeit eine Skala aufgetragen. Dort steht unter anderem am unteren Ende Aachen neben einer 170 und ganz oben Mützenich neben einer 600. Dazwischen sind noch einige andere Landmarken aus meinem Radrevier eingetragen.
Mützenich. Dort oben auf 600 Meter über Normalnull, wo einer Legende nach Kaiser Karl während eines Jagdausflugs mal auf einem großen Gesteinsbrocken übernachtet hat und dieser Stein jetzt Kaiser Karls Bettstatt heißt, pfeift der Wind über das Venn. Und weil der Wind auch damals so pfiff, fragte Kaiser Karl einer anderen Legende nach seinen Diener nach seiner Mütze, die er partout nicht finden konnte, und gab damit angeblich dem Ort seinen Namen. Wer es ungemütlich mag, fährt nach Mützenich.
Das weiß auch der Norweger und verspricht Ungemütlichkeit. All der Aachener Regen und Schneeregen solle dort oben im Venn als reiner Schnee vom Himmel fallen und das alles bei einer blauen Temperaturkurve um die Minusfünf. Genug Zutaten für meine Phantasie. Da will ich hin! Und weil ich noch ein paar Urlaubstage übrig habe, nehme ich mir spontan den Nachmittag frei und tausche Nacht gegen Tag und das trockene warme Büro...
... gegen das vor lauter Wasserüberschuss nur so gurgelnde und gluckernde Venn. Am Fuße des Venns hängt im feuchten Wald der Nebeldunst. Während ich an den Biberbissspuren bei der Wesertalsperre vorbeifahre, mache ich mir noch ein wenig Sorgen, ob ich nicht doch etwas zu optimistisch und dem Norweger gegenüber mal wieder zu gutgläubig war. Aber auf den Farnwedeln und den Sträuchern und den Ästen der Bäume zeichnet sich zaghaft und zunehmend die dünne weiße Schicht der Begierde ab. Also weiter, hoch geht's.
Oben im Venn sind wir dann alleine. Das karge Venn, der graue Himmel, meine Atemwolke, der kalte Wind. Und der Schnee. Nicht ganz so viel, wie ich mir erhofft und wie ich hier zur Winterbegrüßung schon einmal erlebt habe. Damals hatte ich mich auf den geteerten Hauptwegen durch tretkurbelhohen Schnee gekämpft, über die geschenkte Fatbikespur gefreut und später die Fahrspur eines Jeeps dankbar genutzt. Diesmal sind wir noch weit davon entfernt. Die Wege sind noch frei und meine Spikes wären auch hier nicht unbedingt nötig gewesen, aber es ist niemand da, der spöttisch gucken könnte.
Irgendwo hinter dem einsamen vennfeuchten quietschnassmorastigen Weg, auf dem ich tunlichst das Anhalten vermeide, damit mir nicht die Nässe in den Schuh kriecht, entdecke ich mal eine einsame Fußspur. Und später Richtung Zivilisation hin begegnet mir ein einsamer Läufer im Wald.
Einen großen Dank möchte ich allen hier im Thread aussprechen, die nicht müde werden, immer wieder Werbung für die Sportful Fiandre NoRain zu machen. Auf meiner gestrigen Fahrt über 4,5 Stunden bei -2°C waren die Beine durchgehend schön warm und angenehm trocken. Der Kauf hat sich für mich jetzt schon gelohnt.
Und weil mich der
@randonneur an anderer Stelle fragte, gibt es hier auch noch einen Schnappschuss aus dem Venn zu sehen:
