AW: Sektion fuer classic bikes ?
Und doch ließen sich all die Radfahrer gerne auf die neuen, als bahnbrechend verhießenen Neuerungen ein und kauften sich, nachdem sie zunächst mit schroffer Ablehnung kokettiert hatten, nur zu willig die neue Technik. Einige gaben sich dabei weiterhin den Anschein, dem Neuen skeptisch gegenüberzustehen - dabei aber nicht Spielverderber sein zu wollen - sie tarnten so ihre kindliche Freunde über das neue Spielzeug. Die meisten aber verstießen ihre treuen und noch durchaus rüstigen Wegbegleiter oder verwiesen sie in zugige Kellerverschläge, wo die glücklicheren von ihnen zumindest noch gelegentlich ihren Herren, von denen sie früher regelmäßig besucht worden waren, auf romantisierenden Ausfahrten dienen durften, die meisten jedoch sich auf Dasein als praktisches Zweitrad zurückgestuft fanden, dessen Zweitwertigkeit schon dadurch zum Ausdruck kam, daß ihr mögliche Verlust von ihren Besitzern nun als verschmerzbar angesehen wurde.
Der Erweckung der Bedürfnisse geht immer die Erfindung eines Bedürfnisses voraus, der die Erfindung des technischen Produktes folgt, das verspricht, die nach Komplizierung ihres Lebens Hungernden zu sättigen. Dabei verstehen die meisten der umsorgten Anwender die Motive ihrer Betreuer, denn sie wissen um die Notwendigkeit der Ökonomie, auch ihr Leben findet, mit nur einen kleinen Bewegungsspielraum, innerhalb dieses Systems statt.
Einige aber finden sich irgendwann in einer Welt wieder, in der sie eine beinahe perfekt vollzogene Uniformierung bemerken, langsam haben sie diese Entwicklung mitgemacht oder sich unbemerkt, weil selbstzentriert, ihr entzogen. Da fallen plötzlich beim Vergleich mit den Spielgefährten der anderen die Vorzüge der alten Technik auf und werden bestätigt durch das Wehklagen der Linientreuen über das zerbrochene Federlein im unreparierbaren STI. Wie groß erscheinen da die Versprechungen, die dem Besitzer beim Befühlen des alten Weinmann-Hebels anklingen, wie vertrauenerweckend die rautenartige Struktur auf der Vorderseite der schier unbrechbar erscheinenden Mechanik.
Sicher, man könnte sich dem Verdacht aussetzen, durch vorgetragene Eigenart von den anderen hervortreten zu wollen. Und doch - das Einreihen in die Masse und die Aufgabe dessen, worin man sich ganz sicher und geschmacksfest fühlt, wäre doch ein selbstangetaner Verzicht auf Schönes und Vertrautes, so wie die Aufgabe des nicht zu unterschätzenden Vorteiles der ehemals nicht so sehr von Kompatibilitätsbrüchen und Systemwechseln betroffenen Technik, auf ihren Fortbestand vertrauen zu können. Einzig die Franzosen (die eigenwilligen, die mißtrauischen) und die Italiener (die chaotischen) waren da oft mit ihren obskuren Maßen die Spielverderber und störten die seelige Welt des unbekümmerten Spiels mit schier unbrechbaren Eisenwaren.
Die Abkehr vom Massivlenker war gewiß eine gute Idee, so auch die Erfindung des Freilaufes. Ich sollte die nicht herauspicken, wo es doch nur ein Beispiel für die grundsätzliche Haltung sein sollte, früher sei alles besser gewesen - dennoch nehme ich mir die Freiheit: als Kind fuhr ich eines Tages auf einem Damenrad unseren Stadtberg herab. Die Handbremse war schon lange defekt, nun versagte mir auch der Freilauf, wodurch der Rücktritt der Nabe unbedienbar wurde. Hätte die Ampel den Verkehr am Fuß des Berges nicht zurückgehalten, ich wäre mit frei rotierenden Kurbelarmen geradewegs hineingerast. Einiges vom Neuen möchte ich nicht missen, nehme mir jedoch die Freiheit, in einigem beim Alten zu bleiben oder wieder dahin zurückzukehren.