@Bauknecht:
Für das Event selber ist der beste Tipp, der Nervosität freien Lauf zu lassen, und die gerade gebildete Gruppe etwas zu provozieren, indem man kurz rausfährt, lautstark schreit und gestikuliert, und dann ca. 1min all-out fährt. Dann ziehen alle an, man fährt ca. 15 Sekunden vorne, und lässt sich dann ans Ende der Gruppe zurückfallen. Von hier an nie wieder die Führungsarbeit übernehmen, aber in regelmäßigen Abständen irgendwas "aufputschendes" schreien.
Sollte dann nach ca. 100km ein Hügelchen kommen, vorher gut erholen und aus dem Windschatten an allen vorbeiziehen und zur nächsten Gruppe springen. Radsport ist schließlich Teamsport, und nur so kannst du es nach ganz vorne schaffen. Der nächsten Gruppe erzählt man dann, dass von hinten ein paar ganz starke Athleten in deren AK herannahen, sowas kann man dann auch nicht auf sich sitzen lassen. Eventuell hält die Gruppe das Tempo dann von alleine oben. Sollte es Teilnehmer geben, die halt nicht so schnell fahren, ist es recht üblich, aus Versehen die Trinkflasche hinter sich "entgleiten" zu lassen, so dass es ein bisschen Altmetall gibt - aber du hast von da an weniger Wiedersacher!
Inzwischen kannst du das Event richtig genießen und hast ca. 150km hinter dir. Dank keinem Stopp an den Labestellen (verboten unter ernsthaften Radsportlern!) und pinkelm vom Rad bist du zeitlich gut unterwegs. Langsam passt das Gewicht auch wieder, da die 15 Gels aus dem Trikot auch immer weniger werden und du deine erste Trinkflasche mit 0,7l auch fast leer hast. Wer mehr trinkt, hat übrigens die Entwässerung nie gut genug trainiert. Deine dritte Gruppe umfasst inzwischen 7 Leute - der Alte, der Engagierte, der Ausgemergelte, der ExProfi, der Neuling und die ExFrau.
Da ist der Alte, der mit 75 immer noch 15.000km im Jahr fährt und den Stahlrahmen von 1962 für dieses Highlight passend poliert hat. Bei Bedarf kann er dir spannende Geschichten über den zweiten Weltkrieg erzählen und das ihn die Zeit derart geprägt hat, das er die perfekte mentale Einstellung für den Radsport erworben hat. Der engagierte Gruppenfahrer, der alle zur Ordnung ruft und immer für gute Laune sorgt (auch wenn dessen Beine etwas beharrt sind). Der Ausgemergelte, mit seinen 62kg auf 1,95m, dessen Beine so dünn sind, dass dein Carbonoberrohr dir langsam prollig vorkommt. Der Exprofi, der ist am gefährlichsten, sieht total locker aus, hat letztens erst den Ötzi in unter 8h gefahren und will sich mit dem Bodensee-Marathon eigentlich nur auf Race-Across-America 2015 vorbereiten - aber ihm gehts heut auch nicht so gut! Hier darfst du dich nie blöffen lassen, glaub ihm nix.
Dann ist der Neuling dabei, der Talent hat, sich den üblichen Radsportsitten noch nicht angepasst hat. Seine Ventilkappen blitzen tatsächlich recht frech von seinen Alufelgen am 2danger-Rad für 899€, und er hat schwarze Socken an. Gottseidank kein MTB-
Helm, aber der Exprofi hat ihn schon ein paar Mal zurecht gestaucht, das er keine saubere Linie fährt. Die ExFrau ist eigentlich nur durch ihren ExMann zum Radsport gekommen und hatte nie so richtig Lust darauf, kann aber auch nicht mehr ohne. Bei Bedarf erzählt sie dir gerne ihre gesamte Leidensgeschichte und wann ihre Kinder wo sind. Ihr pinkes Shirt leuchtet aus der Gruppe heraus, und ihre Antritte werden die 200km-Marke etwas schwächer, aber die anderen Männer trauen sich natürlich nicht, etwas gegen sie zusagen, da sie mit ihren blonden, wehenden Haaren eine echte Bereichung der Gruppe ist und recht gut in Form für ihre 40 Jahre scheint.
Dir gehts inzwischen immer besser, nachdem du 50km lang die Charakterschwächen deiner Gegner studiert hast und dir über ihre Schwächen sehr bewusst bist. Bei 215km wird die Gruppe sehr unruhig, das Tempo wird abwechselnd sehr hoch und fällt dann schnell wieder zurück, wenn sich keine an der Führungsarbeit beteiligt. Der ExProfi könnte zwar, aber keiner will seine Attacken mitgehen - du hälst dich weiterhin gekonnt zurück. Bei km 219,8 (
Garmin Fenix 2 sei dank!) sprintest du gekonnt aus dem Windschatten des Ausgemergelten, der Alte muss abreißen lassen, der ExProfi verschaltet sich mit seiner gelobten Campagnolo Record, und du fährt mit hoch gerissen Armen über die Ziellinie - Platz 5093 ist dir sicher!
Yeha!