AW: Rennrad >5000€, warum?
marmotte, du wolltest mir noch erklären was pseudo-technischer overkill ist, aber dafür war es dir am 21.11 zu spät
Stimmt, das war mir ganz entfallen, danke der Erinnerung
Was ist also für mich pseudo-technischer Overkill?
Den findet man an allen Teilen des Rades wieder, aber fast immer verpackt in das pseudo-technische Argument „Steifigkeit“. Alles muss so steif wie möglich sein, der Rahmen, in Tretlager und Steuerkopf, der Vorbau, der Lenker, die Gabel, die Sattelstütze…
Pseudo-technisch, weil es kein technisches Argument für diese Entwicklung gibt, außer eben, völlig unbewiesen, Steifigkeit sei gut, weil sie Energieverlust verhindere. Overkill deshalb, weil diese ganze Steifigkeit, außer vielleicht für die stärksten Fahrer, völlig kontraproduktiv ist. Immer liest man in den Tests Kommentare der Testfahrer wie: „Dieses Rad braucht eine starken Fahrer um aufzuleben“, „Es zeigt sich reaktiv, wenn man kraftvoll in die Pedale tritt“ oder „Man muss wirklich in Form sein, um diesen Rahmen zu dominieren, sonst dominiert einen der Rahmen…“ u. dgl. mehr.* Und das verwundert auch nicht, denn all dieses Material ist auf Profis zugeschnitten. Mag sein, dass diese wirklich besser mit dem Material zurechtkommen (und selbst bei ihnen bin ich mir nicht sicher), der durchschnittliche Fahrer verliert einen guten Teil seiner Kraft, weil er eben den Rahmen erstmal „zum Leben erwecken“ muss. Dass er das mit viel schnellerer Ermüdung bezahlt, ist zwangsläufig.
Und das gilt nicht nur für den Rahmen. Besonders die Gabel und die Vorbau-Lenker-Kombination sind eine Quelle der Ermüdung, wenn sie, wie im Zeitalter von Oversize-Vorbauten und -lenkern allgemein üblich, nur auf Steifigkeit ausgelegt sind. Da federt nichts mehr und alle Erschütterungen werden direkt an den Fahrer weitergegeben und müssen von dessen Körper absorbiert werden. Analog gilt das auch für die Sattelstütze.
Ein unangenehmer Nebeneffekt dieses Steifigkeits-Marketings ist der, dass sich inzwischen alle diese Oversizemaße als Standard durchgesetzt haben. Es gibt praktisch keine Vorbauten und Lenker mit 26mm mehr, Sattelstützen im normalen Maß wird man auch bald suchen können, wenn sie nicht gleich komplett integriert sind (ein absoluter Blödsinn im Hinblick auf den Transport) und für Tretlager gilt das Gleiche, BB30 oder 86 und wie sei alle heißen ersetzen nach und nach Standards, die Jahrzehnte lang weitgehende Kompatibilität zwischen verschiedensten Teilen ermöglichten.
Und wozu? Das Gros der Fahrer hat absolut nichts davon, im Gegenteil und noch dazu weniger im Geldbeutel, denn diese ganzen „Innovationen“ muss man auch noch teuer bezahlen.
*Das gilt natürlich nur für Zeitschriften, die Testfahrer einsetzten und sich nicht damit begnügen, irgendwelche Messwerte aufzulisten, wo natürlich sowieso steifer gleich besser herauskommt.