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Warum eigentlich rechts stärkere Speichen? Die Kraft von der Kette wird doch auf die Nabe übertragen und von dort (nahezu) gleichmäßig auf beide Seiten. Noch deutlicher scheint es mir, wenn man Gegenkraft und Drehmoment des Reifens nachvollzieht.
- 3-fach gekreuzt damit die Speiche tangential aus der Nabe läuft und nur auf Zug belastet wird?
- Warum nur hinten rechts Messingnippel?
Viele Grüße,
Martin
Hallo Martin,
das hängt alles damit zusammen, dass bei Hinterrädern die Felge nicht mittig zwischen den Nabenflanschen steht, wegen den breiten, modernen Freiläufen. Bei Campa ist das übrigens noch deutlicher als bei
Shimano, und bei 130 mm Naben ist es schlimmer als bei 135 mm.
Die Speichen auf der Antriebsseite müssen daher deutlich bis sehr deutlich stärker vorgespannt werden, um die Felge in die Achs(!)mitte zu bekommen. Dafür braucht man also Speichen, deren absolute Zugkraft höher ist und Nippel, die das auch dauerhaft aushalten (Randbemerkung: 2.0/1.5 mm Speichen sind allerdings widerstandsfähiger gegen Ermüdung).
Es kann durchaus vorkommen, dass bei gleichem Kreuzungsschema rechts und links die linken Speichen im HR nur wenig mehr als die halbe (!) Spannung der rechten bekommen, damit das Rad auch mittig steht.
Und jetzt wird es GANZ blöd: Derart gut vorgespannt, sind natürlich auch die rechten Speichen "eher zu Stelle", wenn es um das Übertragen von Drehmoment geht. Dazu kommen dann noch Seitenkräfte, z.B. im Wiegetritt, womit die rechten Speichen wegen ihres flacheren Winkels zur Radmitte eigentlich ihre liebe Not haben.
In einem Hinterrad mit sehr starkem Versatz, also z.B. mit Campa-Nabe, kann es also sein, dass trotz 32 Speichen nur deren 8 (rechts in Zugrichtung) für die Kraftübertragung zuständig sind, während der Rest gelangweilt rumhängt.
Die unterschiedliche Kreuzungsart rechts und links hatte ich vorgeschlagen, um bei einem eher leichten Fahrer wie Dir noch etwas Gewicht zu sparen; außerdem müssen "weniger oft gekreuzte" Speichen etwas stärker vorgespannt werden, was im HR links kein Fehler ist.
Für einen Freund von mir habe ich neulich ein HR mit 3-/1-fach Kreuzung aufgebaut, mit dünnwandiger und wenig seitensteifer Felge (Halo Aerotrack). Er kommt damit prima klar, während ich die rechten, hinterkreuzten Speichen durchaus zum "Zirpen" bringen kann, jedenfalls kurzzeitig. 1-fach gekreuzt oder radial sollte man also im klassischen HR eher bleiben lassen, aber darüber gibt es sehr unterschiedliche Ansichten (schau dazu mal beim Smolik auf der Velotech-Homepage).
Mit der Problematik im Hinterrad kann man auch genau andersrum umgehen, wenn man eine verwindungssteife Nabe mit dickem Mittelteil hat. Die speicht man dann rechts (!) 1-fach gekreuzt oder radial ein, während man links 3-fach kreuzt. Beim Antritt verdrehen sich dann die rechten Speichen so weit, bis die linken, ohnehin flacher stehenden und damit besser geeigneten Speichen das Drehmoment übertragen (
Mavic Ksyrium).
Oder aber man "umschlingt" die Speichen auf beiden Seiten an der Kreuzungsstelle um 180°, so dass sie ein Mal die Richtung wechseln (also noch keine "Wurzelspeichung"), bei gleichem Kreuzungsschema rechts und links. Das ergibt ein äußerst stabiles und drehmomentsicheres Rad, allerdings nur mit einer stabilen Felge. Mit leichten
Felgen neigen solche Räder zum Zirpen oder Knacken (selbst schon gebaut und erlebt), bei sehr leichten
Felgen und sehr starken Fahrern kann sich die Felge (angeblich) sogar dynamisch aus der Mitte bewegen.
Wenn Du tatsächlich irgendwo 1.8/1.5 mm Speichen bekommst, solltest Du sie vorn auf jeden Fall verwenden, aber nicht unbedingt radial oder 1-fach gekreuzt. Hinten hätten sie allerdings zu viel Spiel in den Nabenlöchern, würden darin wackeln oder sich drehen und nicht lange leben.
Laser oder Revolution sind übrigens 2.0/1.5 mm dick.
Open Pro mit 32 Löchern bekommst Du, etwas Recherche und Zeit vorausgesetzt, auch für unter 40 €.
Ich bin gespannt!