Wenn alle Komponenten mechanisch noch einwandfrei sind, nicht schon mehrere Speichen gebrochen oder jedenfalls getauscht worden sind, zu lange Speichen nicht mit der Flex "begradigt" worden sind, nicht alles bereits so vergammelt ist, dass sich die Nippel kaum noch lösen lassen und man die Speichen mit Kraft aus den Nabenlöchern ruckeln muss, und es sich zudem um konventionelle durchgehende 2 mm-Edelstahlspeichen aus 36-Speichen-Laufrädern handelt, spricht nichts dagegen, sie wiederzuverwenden.
Doppeldickendspeichen mit verjüngtem Mittelabschnitt (1,8 mm, aber insbesondere die mit nur 1,5 mm) dehnen sich beim Spannen relativ stark und sollten daher eher nicht wieder verbaut werden.
Bei den Speichen solltest Du auf scharfe Knicke achten, insbesondere, wenn diese nahe am Gewinde oder am Kopf liegen, auf eventuelle Verschleiß- und Reibestellen in den Kopfbiegungen, auf angeschliffene Biegungen durch überschaltete Ketten und auf Auskehlungen in den bisherigen Kreuzungsbereichen (häufig bei lange mit zu niedriger Speichenspannung gefahrenen Laufrädern zu beobachten).
Alle Biegungen, die Du durch ein vorsichtiges Richten mit bloßen Händen wieder beseitigen kannst, sind unkritisch.
Schon beim Zerlegen der Laufräder solltest Du die Speichen sorgfältig nach Innen- und Außenspeichen trennen, und sie auch nur so wieder verbauen, da ein nochmaliges Umformen im hoch belasteten Bereich der Biegung die Bruchwahrscheinlichkeit deutlich erhöht.
Zur Identifizierung: Innenspeichen nenne ich immer die "Optimisten", weil sie den Kopf hoch tragen, während bei Außenspeichen in der Regel der Kopf deutlich gebeugt ist - das sind dann die "Pessimisten".
Äußerlich korrodierte vernickelte Messingnippel kann man in Essigessenz (oder Zitronensäure) wieder blank bekommen - in einem Gläschen immer mal wieder schütteln, dann mit Wasser auswaschen, dann noch mal mit Spüliwasser neutralisieren, zum Schluss wieder mit Wasser durchspülen und auf einem Tuch das gelöste Oxyd abreiben (durch Rollen der Nippel), dann trocknen lassen.
Das Ergebnis überrascht oft positiv, aber natürlich kehrt die Korrosion unter gleichen Bedingungen schneller zurück als bei neuen Nippeln.
Besonders achten solltest Du auf vermurkste Schlüsselflächen/-kanten an den Speichennippeln - wenn da schon mal ein Schlüssel durchgedreht hat oder abgerutscht ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das wieder passiert, sehr hoch. Und es macht definitiv keinen Spaß, bei einem schon fast fertig gespannten und zentrierten Laufrad die Speichenspannung komplett wieder herauszunehmen, weil ein Nippel rundgedreht ist ... Und nein - es gibt dann in so einer Situation effektiv keine Alternative dazu, da sollte man nicht mit Zangen herummurksen oder so.
Es werden jetzt sicherlich gleich wieder Wortmeldungen kommen, dass man keinesfalls gebrauchte Speichen wiederverwenden solle, dass es sich doch finanziell überhaupt nicht lohne etc. pp.
Ich kann dazu nur aus eigener 25jähriger Erfahrung sagen, dass ich überhaupt keine Schwierigkeiten mit neu aufgespeichten gebrauchten Speichensätzen hatte, und keine Speichenbrüche, obwohl ich eher zu den schweren Fahrern zähle, meine Laufräder hoch belaste (auch durch entsprechendes Gepäck) und auf langen Touren zuverlässige Komponenten brauche.
Ob sich der entsprechende Arbeitsaufwand in Relation zu einem Neukauf lohnt, muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden; auch ich differenziere da nach Rad- und Nutzungskategorien.