Salve,
4 Tage Arbeit und ich bin völlig erledigt.
Klar, ich bin superfroh, wieder arbeiten zu dürfen. Der Ansturm hat mich quasi völlig überrollt, ich bin bis in den Juni hinein ausgebucht, das gibt Kohle, die ich dringend brauche.
ABER die Hygiene-Auflagen sind schlicht kaum zu schaffen, teilweise grotesk. Und täglich kommen via Berufsgenossenschaft neue Verordnungen.
Beispiel. Seit gestern muss auch bei Farbbehandlungen das Haar VOR der Bedienung gewaschen werden. WTF??? Bei Farbbehandlungen arbeiten wir Friseure mit H2O2 in der Konzentration 6% / 9% / 12%. Studien haben bewiesen daß das Covid-19-Virus bereits mit Desinfektionslösungen mit 0,5% H2O2 nach schon 1 Minute kaum noch nachweisbar bzw. virulent ist.
Man kann sich also ausrechnen was mit einem Virus passiert, daß mit 6%iger H2O2-Farbmasse in Berührung kommt. Da bleibt nichts übrig, innerhalb kürzester Zeit, trotzdem muss das Haar vorher gewaschen ( weil der Lipid-Mantel des Virus kein Shampoo / Seife verträgt ) und dann aber wieder getrocknet werden, weil ich die Farbmasse nicht auf nassem Haar anwenden kann! Das bedeutet pro Farbbehandlung gut 20 Minuten Mehraufwand an Zeit, die ich nicht eingeplant habe, weil diese Verordnung nicht in der 1ten Hygieneverordnung vom 30.04 enthalten war - in der uns Friseuren die Wiederreröffnung unserer Betriebe für den 04.05 angekündigt wurde - sondern erst jetzt, aber nun steht der Terminplan für die kommenden 4 Wochen, der uns Friseuren nun mit einem lauten Knall um die Ohren fliegt
Noch ein Beispiel. Dauerwelle, also Locken. Ich bin verpflichtet, die Wickler, die für Dauerwelle nötig sind, anschließend zu desinfizieren. Aber sowohl Dauerwellflüssigkeit als auch die später angewendete Fixierung ( die sorgt dafür, daß die Locken im Haar bleiben ) enthalten H2O2, auch das überlebt kein Virus! Trotzdem, alles nach jeder Behandlung desinfizieren.
Den gesamten Tag über trage ich ne FFP1 / FFP2 - Maske, bekomme nur schwer Luft, bin abends fix und alle wegen dem Sauerstoffmangel ( habe aktuell kaum bis keine Pause weil viel zu viele Leute dran kommen wollen ), ständig Handschuhe aus und an weil ich Haare waschen nur mit Handschuhe machen darf, Haare schneiden darf ich ohne ( ginge auch nicht mit Handschuhen ) zum kassieren muss ich aber wieder Handschuhe anziehen. Nach JEDER Bedienung muss ich den Bedienungsplatz, das Waschbecken / den Waschsitz, den Kassenbereich, die Eingangstür, Türgriffe und Handlauf der Treppe desinfizieren, dazu alle meine Werkzeuge, Scheren, Kämme Bürsten usw usf.
Ich produziere Unmengen von Plastikmüll durch Handschuhe ( wie erwähnt nach dem Haare waschen sind diese zu wechseln, dann sind wieder frische zum kassieren anzuziehen, diese sind nach dem kassieren wieder zu wechseln ) und durch Plastik-Einmal-Umhänge ( hab aber jetzt kompostierbare Einmalumhänge bestellt, zum "Schnäppchenpreis" von 30 Euro für 50 Stck, das reicht beim derzeitigen Arbeitsaufkommen für gerade mal 3, evtl. 4 Tage, man kann sich also ausrechnen wieviele ich in den kommenden Monaten brauche ), desweiteren muss ich Einmal-Handtücher verwenden, da hab ich aber sofort welche bekommen die tatsäclich kompostierbar sind.
Ach ja, wenn abends die Desinfektionsorgien beendet sind darf ich JEDEN Abend noch den gesamten Boden des Geschäfts putzen. Sind 45qm, scheint nicht viel, dauert aber auch einige Zeit.
"Feierabend" heute eigentlich 18 Uhr, bis alles erledigt war, wurde es 19:30 Uhr. Zweimal die Woche arbeite ich bis 19:30 Uhr, wann komme ich an diesen Tagen nach Hause? Kann sich jeder selbst ausrechnen.
Und das soll nun so weitergehen auf unbestimmte Zeit. Herzlichen Glückwunsch. Ich habe mehrere Ärzte in meiner Kundschaft, einer davon war gestern bei mir, hat ne Praxis und operiert auch im Krankenhaus mit Belegbetten. Der bot mir an, daß ich als "Desinfektor" auf der Intensivstation anfangen könne, denn mir würden dazu nur noch Kittel, Kopfhaube und Schuhbedeckung fehlen, alle anderen Hygienemaßnahmen, die ich bei mir im geschäft durchführen muss, würden fast schon den Standard einer KH-Intensivstation erfüllen! Soviel dazu.
Aber, ich halte die Fresse und bin froh, arbeiten zu dürfen, wie lange ich diesem Druck standhalte, kann ich aktuell nicht abschätzen. SO habe ich mir die "neue Normalität" nicht vorgestellt. Man schießt hier mit Kanonen auf Spatzen! Und ich befürchte, daß aufgrund der Unvernuft der vielen viel zu schnellen Lockerungen schon recht bald die nächste Schließungswelle droht, weil viele Menschen zu schnell zu sorglos werden........