RRN: Hallo Rosa, meine erste Frage: Wie fühlt es sich an, im Deutschen Meistertrikot bei der Gravel-WM zu starten?
Leider darf ich das nicht tragen, weil ich das Trikot vom Verband tragen muss. Bei Weltmeisterschaften fährt man immer im Outfit des Nationalverbands. Ich kann also mein eigenes Kit nicht tragen, ich trage das Kit vom Nationalteam. Also, ja, klar – vielleicht sieht das Deutsche Meisterinnen-Trikot ähnlich aus, weil man ja auch die Flagge auf der Brust hat, aber das Nationaltrikot vom BDR ist einfach weiß mit einigen Logos drauf.
Es ist auch nicht die perfekte Strecke für mich, weil es keine wilden Abfahrten oder richtig technische Passagen oder Sprünge gibt.
Und du hast es schon erwähnt, aber was hältst du von der Strecke? Passt sie zu dir?
Ich finde, das ist eine interessante Strecke, die am Ende wirklich durch gute Positionierung entschieden wird, und sie liegt auf jeden Fall eher klassischen Straßenfahrerinnen. Ich würde nicht sagen, dass sie mir nicht liegt, aber es ist auch nicht die perfekte Strecke für mich, weil es keine wilden Abfahrten oder richtig technische Passagen oder Sprünge gibt, wo ich normalerweise Vorteile hätte. Ich denke, das ist eine Strecke, bei der man mit einem großen Team – wie es zum Beispiel die Niederländerinnen oder die Italienerinnen haben – das Rennen stärker kontrollieren kann. Und da wir als deutsches Team eigentlich kein echtes Team haben, ist das natürlich etwas nachteilig. Auf der anderen Seite weiß man, dass es im Prinzip diese zwei großen Teams gibt und man dann weiß: Lass einfach keine Niederländerin fahren, man weiß, was zu tun ist.
Ich erwarte eigentlich eher, dass die Straßenfahrerinnen wie Marianne Vos oder Lorena Wiebes vorne mitmischen werden.
Es sind ja ziemlich viele niederländische Cross-Fahrerinnen gemeldet. Rechnest du damit, dass sie immer vorn sein werden?
Ich erwarte eigentlich eher, dass die Straßenfahrerinnen wie Marianne Vos oder Lorena Wiebes vorne mitmischen werden. Vielleicht nicht ganz in der ersten Startreihe, weil sie ja auch Helferinnen dabei haben, aber wahrscheinlich in der zweiten Reihe. Ich denke, das sind die Fahrerinnen, die das Rennen dominieren werden.
Und wegen der unterschiedlichen Sponsoren fährt auch niemand wirklich füreinander.
Können deine deutschen Kolleginnen dich irgendwie unterstützen?
Wir haben wirklich keine richtige Gravel-Struktur beim Verband, keine eigene Gravel-Abteilung oder jemanden, der das leitet. Es gibt zwar eine Person, aber die ist eher gering aktiv. Es gibt also keine gemeinsame Planung. Und wegen der unterschiedlichen Sponsoren fährt auch niemand wirklich füreinander.
Mir ist aufgefallen, dass du dich intensiv mit deinem Material beschäftigst. Was ist deine Meinung zur Reifenbreite im Gravel und speziell für dieses Rennen? Welche Reifenbreite hast du gewählt?
Also ich denke, im Allgemeinen, eigentlich für die meisten Kurse, sollte man mit einem 45-Millimeter-Reifen als Minimum anfangen. Ich glaube, das ist eine gute Basis, weil viele Optionen hat – von Reifen mit etwas Profil bis hin zu schnell rollenden Slicks. Gleichzeitig hat man genug Volumen, um auf fast allen Kursen gut durchzukommen. Und tatsächlich zeigen viele Tests zum Rollwiderstand, dass ein 45er Reifen genauso schnell oder sogar schneller ist als ein 40er. Deshalb finde ich, 45 mm ist ein guter Ausgangspunkt.
Viele fahren mittlerweile auch diese „Mullet“-Kombination, also vorne ein Reifen mit etwas mehr Grip und hinten ein glatterer Reifen für mehr Speed.
Je nach technischem Fahrkönnen würde ich dann zwischen einem komplett glatten Reifen und einer etwas profilierteren Variante wechseln. Viele fahren mittlerweile auch diese „Mullet“-Kombination, also vorne ein Reifen mit etwas mehr Grip und hinten ein glatterer Reifen für mehr Speed. Das würde ich auch empfehlen: hinten fast Slick, vorne je nach Können etwas griffiger, besonders wenn man aggressiver fahren will.
Und welchen Reifen fährst du konkret morgen?
Hinten fahre ich einen Prototypen für den Wettkampf und vorne einen Race King 2.0.
Welches Bike wirst du fahren?
Das Canyon Grail.
Warum hast du das Grail gewählt? Du fährst ja manchmal auch das Grizl.
Ja, das Grail ist das rennorientiertere Bike von Canyon – und auf jeden Fall auch das leichtere. Da der Kurs nicht mehr als 45 mm Reifenbreite hinten erfordert, bin ich sicher, dass das Grail das schnellste Bike für diese Strecke ist.
Du hast auch mit der Sporthochschule Köln zusammengearbeitet und dort an Studien zu Reifenvolumen und Stoßdämpfung gearbeitet. Kannst du schon erste Erkenntnisse teilen?
Wir haben die Ergebnisse noch nicht final ausgewertet, es gibt also nichts, was offiziell bestätigt ist. Aber was wir auf jeden Fall sehen konnten, ist, dass der richtige Luftdruck extrem wichtig ist. Wenn der Druck zu hoch ist, steigen die Bremskräfte beim Überfahren von Hindernissen deutlich an. Wenn man also auf einer Strecke mit vielen Steinen und Unebenheiten unterwegs ist, sollte man den Druck lieber etwas reduzieren. Früher dachten viele – vor allem Straßenfahrer und Straßenfaherinnen, die ins Gravel gewechselt sind – dass höherer Druck schneller ist. Aber das stimmt definitiv nicht.
Der Druck muss natürlich auch zur Reifenbreite und zum Gewicht, also dem Systemgewicht aus Fahrer plus Bike, passen.
Und gilt das nur für die Reifenbreite oder auch für den Reifen selbst?
Das hängt eher von der Felge ab – also von der inneren und äußeren Maulweite. Die hat einen großen Einfluss auf den optimalen Reifendruck.
Welche Felgenbreite fährst du persönlich hier?
Für dieses Rennen fahre ich die Zipp XPLR, die haben 32 mm Innenweite.
Federung am Gravel-Bike – das ist ja immer wieder ein heißes Thema auch unter Hobby-Racern. Was hältst du davon?
Ich finde das grundsätzlich eine coole Idee. Für Rennen, bei denen man eine gute Mischung aus Asphalt und ruppigen Anstiegen oder Abfahrten hat, kann das Sinn machen. Oder wenn man ein Bike will, das man für Gravel und Straße gleichzeitig nutzen kann, weil man dann etwas schnellere Reifen fahren kann, die Federung aber trotzdem Komfort bringt.
Auf der anderen Seite ist es natürlich mehr Wartung – ein weiteres Teil am Bike, der gepflegt werden muss, und das kann tricky sein. Wenn man ein Bike mit Federung im Rennen nimmt, dann sollte es aber auch mindestens 50 mm Reifenfreiheit hinten haben. Sonst macht’s keinen großen Sinn.
Und viele denken immer, Reifenfreiheit bedeutet nur Platz für den Reifen – aber es geht auch um Platz für Schlamm.
Also Federgabel allem bei richtig rauen Kursen mit breiten Reifen?
Genau. Und viele denken immer, Reifenfreiheit bedeutet nur Platz für den Reifen – aber es geht auch um Platz für Schlamm. Gerade in US-Rennen ist Schlamm oft der entscheidende Faktor. Da geht’s nicht nur darum, ob der Reifen reinpasst, sondern dass man zusätzlich noch Luft für Dreck hat. Für mich sollte ein echtes Gravelbike der Zukunft mindestens Platz für 50 mm haben.
Könntest du dir eine Aero-Federgabel vorstellen?
Ja, bei Leadville hatte SRAM schon so eine Art aero-verkleidete Federgabel.
Denkst du, das öffnet mehr Möglichkeiten, wenn der Aero-Nachteil kleiner wird?
Ich glaube schon, dass das helfen wird. Und ich denke, dass Racer:innen das bei Kursen wie Leadville auf jeden Fall in Betracht ziehen werden – dort, wo viele sogar Mountainbikes oder Fullys fahren. Für Profis wird das sicher interessant. Für den normalen Kunden, denke ich, weniger.
Nach den Gravel-Weltmeisterschaften fliege ich spontan nach Südafrika zum „Gravel Burn“, das ist das erste siebentägige Gravel-Etappenrennen.
Wenn du nach vorne schaust – wie wird dein nächstes Jahr aussehen? Weißt du das schon?
Ja, aber eigentlich ist meine Saison noch nicht vorbei. Nach den Gravel-Weltmeisterschaften fliege ich spontan nach Südafrika zum „Gravel Burn“, das ist das erste siebentägige Gravel-Etappenrennen der Cape-Epic-Organisatoren. Ich glaube, das wird richtig cool. Tom Pidcock kommt übrigens auch, der ist also auch noch nicht durch mit der Saison. Ich denke, das wird eine gute Erfahrung – sieben Tage Gravelrennen, das wird hart, weil man jeden Tag vier bis fünf Stunden Rennen fährt.
Weißt du, wie die Strecken dort aussehen werden? Eher wie bei Unbound?
Ich denke, etwas technischer, aber sie haben darauf geachtet, nicht zu viele Singletrails einzubauen, um sich ein bisschen von der Cape Epic abzugrenzen. Es wird also eher wellig, sandig und mit ordentlich Schotter. Aber wir können das gar nicht vorher abfahren, weil wir jeden Tag an einem anderen Ort starten.
Also reist ihr in einem Camper?
Genau, wir fahren mit dem Camper und ziehen jeden Tag weiter. Und nächste Saison starte ich dann mit Straßenrennen. Der erste Teil der Saison wird also straßenlastiger, danach wieder die großen Gravel-Events wie Traka, Unbound und einige UCI-Rennen. Ich weiß noch nicht, ob ich wieder zu den Gravel Worlds in Nebraska-Lincoln gehe – war zwar cool, aber mal schauen. Dann Europameisterschaft, da will ich unbedingt gewinnen, und natürlich wieder die Weltmeisterschaft.
Wenn man heutzutage ein Gravel-Rennen gewinnen will und keine Schwelle über 5 Watt pro Kilo hat, braucht man’s gar nicht erst versuchen.
Wie siehst du den Gravel-Sport allgemein, speziell im Frauenbereich? Geht das Wachstum weiter
Ja, auf jeden Fall. Also, wenn man heutzutage ein Gravel-Rennen gewinnen will und keine Schwelle über 5 Watt pro Kilo hat, braucht man’s gar nicht erst versuchen. Eine meiner Teamkolleginnen wurde gefragt, ob sie nicht Gravel fahren möchte, und sie meinte: „Warum sollte ich? Ich muss genauso hart trainieren wie für den WorldTour-Kalender, nur um eine Chance auf ein Podium zu haben.“
Das Niveau ist dieses Jahr nochmal gestiegen. Leute, die vor zwei Jahren noch ganz vorn waren, schaffen es jetzt kaum noch in die Top 10 oder Top 20. Und auf anspruchsvolleren oder technischeren Kursen sieht man, du musst wirklich gut Abfahren können. Es wird richtig hart gefahren, keiner wartet mehr auf den anderen. An der Spitze ist es sehr kompetitiv.
Bei der Deutschen Meisterschaft hatten wir dieses Jahr 60 Starterinnen – vor zwei Jahren waren es 15.
Und in Deutschland – siehst du da auch einen Trend?
Ja, total. Bei der Deutschen Meisterschaft hatten wir dieses Jahr 60 Starterinnen – vor zwei Jahren waren es 15. Das ist schon ein deutliches Wachstum. Und viele Marken, auch deutsche, investieren jetzt stark in Gravel. Nächstes Jahr werden sicher noch mehr Teams und Fahrerinnen dazukommen.
Ist es also inzwischen möglich, vom Gravel zu leben – zumindest in der Frauen-Top-10?
Ja, ich denke, die Top 10 können mittlerweile davon leben. Aber im Vergleich zur WorldTour auf der Straße ist es natürlich immer noch eine große Lücke. Wenn man auf Platz 20 oder 30 schaut, arbeiten viele noch Teilzeit. Aber die Top 10 – Männer wie Frauen – sind heute Vollprofis.
Danke für das Gespräch und viel Erfolg morgen.
Was sind eure Favoriten für die Gravel WM 2025?
44 Kommentare
» Alle Kommentare im Forumja, allerdings mit Reifen breiter als man sie im CX Rennen fahren dürfte. (in mein Supersix passen mit ein bisschen Mut übrigens auch 35er Reifen)
Edith: ich weiß nicht, was im Moment mit der Diktierfunktion geht. Die ist einfach zum wegwerfen.
Also, dass man in dieser Hinsicht keine „künstlichen Herausforderungen“ „dazudichten“ müsse, weil dies der Ursprung war/ist.
Wenn man das du dem Level betreibt ist das kein Abenteuer.
Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular: