Erzaehle euch mal meine Geschichte als Anfaenger, die vor ca. 10 Monaten begann.
Ich wohne 5,000km von euch entfernt in Arabien. Habe im Oktober des letzten Jahres angefangen Rennrad zu fahren. Seit zwei Monaten trainiere ich wesentlich strukturierter mit einem schoenen neuen Rennrad.
Meine Ziele fuer dieses Jahres sind:
- Das Fahrradfahren zu geniessen (bislang hat sich das trotz wiedriger Bedingungen nicht geaendert)
- Abzunehmen. Am Anfang hatte ich mir ein Jahresziel in kg gesetzt. Habe dies aber wieder von der Liste gestrichen, da ich mich in den ersten Monaten diesem zusaetzlichen Stress nicht aussetzen wollte.
- Einmal 120km ohne Unterbrechung zu fahren (bin zur Zeit bei ca. 70km angekommen, die Hitze erlaubt zur Zeit nicht mehr)
- fuer 1 Stunde einen Schnitt von 32km/h (ohne Windschatten) zu fahren (bin zur Zeit bei ca. 31 km/h)
- fuer 2 Stunden einen Schnitt von 30km/h zu fahren
Fuer mich sind die messbaren Ziele recht wichtig, da sie mir ein Fernziel geben.Die Ausnahme habe ich nur beim Gewicht gemacht. Um mir den zusaetzlichen Stress zu ersparen, habe ich mein Zielgewicht von der Liste genommen. Ich hatte einfach Angst, dass es zu Motivationsloechern kommen koennte, wenn die Zwischenziele nicht daraufhin gedeutet haetten, dass ich mein Jahresziel erreicht haette. Das haette dann sicherlich sehr negative Auswirkungen auf den Spassfaktor gehabt, dem letztendlich am Anfang alles unterzuordnen ist. Wer nach 6 Wochen kein Spass mehr am Fahren hat, wird nach 12 Wochen sicherlich nicht mehr fahren und wieder auf der Couch liegen. Jeder muss seine Ziele selbst festlegen. Wichtig ist aber, dass die individuellen Ziele bei schlechten Zwischenergebnissen nicht in Frustration umschlagen. Ich denke ich koennte es eher verkraften, wenn ich bei meiner Durschnittsgeschwindigkeit noch etwas langsamer bin als dass ich immer noch viele Kilos ueber dem Soll liege. Mein groesstes Erlebnis in diesem Bereich war, dass mir nach 2 Monaten die ersten Leute sagten, dass ich gesuender und schlanker aussehe. Das hat mir gereicht. Ob es dann 5 oder 7 Kilo weniger waren war mir dann voellig egal.
Einige Leute hier im Thread sprachen vom Fahren bei hohen Temperaturen. Vom Juni bis September fahre ich bei Temperaturen zwischen 36 und 42 Grad. Die Luftfeuchtigkeit kann dabei bis auf 90% hochgehen. Der Begriff Sauna waere hier manchmal wohl nicht falsch gewaehlt. Ich habe mich vorher untersuchen lassen. Hatte keine Lust bei 42 Grad irgendwo draussen im Wuestensand voellig erschoepft oder mit einem Herzkasper vom Fahrrad zu fallen. Also, geht vorher zum Arzt bevor ihr das ganze angehen wollt. Unabhaengig von den Temperaturen. Wer jedoch im Sommer anfaengt oder noch nicht durch einen heissen Sommer gefahren ist, sollte dies in jedem Fall beherzigen.
Um die Lust und die Ziele nicht aus dem Auge zu verlieren, plane ich mein Training woechentlich. Lange Fahrten (50km +) gibt es nur ganz frueh am morgen oder spaet abends, wenn die Sonne nicht raus ist. Kuerzere Fahrten bis zu 50km mache ich nur nachmittags nach 16.30 Uhr. Ich trainiere ca. 5 mal die Woche. Meine Wochenkilometer lagen in den letzten 4 Wochen zwischen 180 und 230km.Laengere Fahrten machen zur Zeit kein Sinn, da man mit der Fluessigkeitaufnahme bei der Hitze nicht nachkommt. Irgendwann nach 4 Litern in 2,5 Stunden kann man nicht mehr aufnehmen. D.h. ich spule zur Zeit meine Kilometer runter und versuche langsam meine Kraftausdauer zu erhoehen. In den letzten Wochen habe ich auch sehr darauf geachtet, alle Schmerzen, die beim Fahrradfahren auftauchen, abzustellen. Als ich ein neues Fahrrad bekam musste ich mich erst an einige Sachen (z.B.
Sattel) neu gewoehnen. Das war ein ganz wichtiger Faktor. Wer sitzt schon gerne stundenlang bei 40 Grad Hitze auf dem Fahrrad, wenn es weht tut. Ruckzuck ist das Ziel Nummer 1, das Fahrradfahren zu geniessen, weg und damit sind alle anderen Ziele gefaehrdet. Am Anfang hatte ich mit so ziemlich allem Schwierigkeiten. Ruecken, Hintern, eingeschlafene Haende, Achillessehne, etc. Interessant war, dass einige Beschwerden immer genau ab 30km aufkamen. Habe das alles durch einfache Dehnuebungen, Krafttraining und Feineinstellung am Rad in den Griff bekommen. Manchmal bin ich bei 30km auch mal fuer 5 Minuten abgestiegen, Habe ein paar Dehnuebungen gemacht und bin dann die naechsten 20km voellig beschwerdefrei weitergefahren. Man muss einfach viel ausprobieren und Veraenderungen zum Guten oder Schlechten beobachten. Dieser Prozess dauerte bei mir ca. 2 Monate. Danach lief es wirklich sehr gut.Ich kann mich erinnnern, dass ich fuer 1 Woche Achillessehneprobleme hatte, die vorher bei meinem alten Rad nicht aufgetaucht waren. Der Grund waren die neuen Radschuhe. Habe ein weing im Internet gesurft und habe erfahren, dass es an der Position der Cleats liegen koennte. Habe sie um ein paar Millimeter verschoben und im Nu waren die Probleme verschwunden. Kleine Massnahme mit grosser Wirkung. Aehnlich ist es bei Einstellung des Sattels, der Sattelstuetze, des Vorbaus (Anzahl der Spacer), etc. Mit der Herausnahme eines Spacers habe ich meine Rueckenschmerzen innerhalb von ein paar Tagen abgestellt. Man muss sich an alles etwas rantasten und viel probieren. Mein Rat ist. Immer nur eine Aenderung bei einer Fahrt durchfuehren. Sonst kann man nicht nachvollziehen in welche Richtung die Aenderung tendiert.
Gott sei Dank war dieser Prozess bereits vor dem Sommer abgeschlossen, so dass ich mich jetzt mit solchen Dingen und Wehwehchen bei der Hitze nicht mehr rumschlagen muss.
Durch die besonderen klimatischen Verhaeltnisse im Sommer habe ich festgestellt, wie wichtig eine richtige Vorbereitung des taeglichen Trainings ist. Wenn ich z.B. des tagsueber nicht genuegend Wasser trinke (mindestens 2,5 Liter) und nicht genuegend Vitamine (z.b. Obst) zu mir nehme, weiss ich, dass ich am spaeten Nachmittag Schwierigkeiten beim Training bekomme. Um das Training bzw. Radfahren geniessen und effektiv gestalten zu koennen, muss ich mich mehr denn je an gewisse Vorgaben (z.B. Ernaehrung) halten. So kommt das eine zum anderen. Mittlerweile macht mir das Training soviel Spass, dass ich mich manchmal
bremsen muss. Es ist wichtig, dass man nicht uebertreibt (besonders bei sehr unangenehmen klimatischen Verhaeltnissen) und sich die Zeit zum Erholen gibt.
Im Nachhinein bin ich mit meiner eigenen Entwicklung sehr zufrieden. Ich bin 41 und habe keine Ambitionen ein wettkampforientierter Fahrradfahrer zu werden. Ich will einfach nur Spass haben und dabei im Rahmen meiner Moeglichkeiten effektiv trainieren. Meine "neue" Leidenschaft Radfahren habe ich trotz der wiedrigen klimatischen Bedingungen aufrecht erhalten koennen. Ich sehe mittlerweile keinen Grund mehr, warum sich das aendern sollte. Wenn man mal an dem Punkt angelangt ist, hat man schon sehr viel gewonnen. Zwischendurch sind einige Prozesse wie oben beschrieben zu durchlaufen.
Rueckblickend auf meine eigenen Erfahrungen wuerde ich Anfaengern folgenden Rat geben.
- Aerztliche Untersuchung durchfuehren.
- Jedes Fahrradfahren oder Training sollte bzw. muss Spass machen. Es darf besonders am Anfang keine Quaelerei sein. Man muss es geniessen koennen. Ich koennte mir gut vorstellen, dass viele abbrechen, weil sie die Wehwehchen nicht in den Griff bekommen.
- Setzt euch realistische messbare Trainingsziele auf Sicht einer Saison oder eines Jahres.
- Stellt alle Wehwehchen beim Radfahren so schnell wie moeglich ab. Notfalls mit besserem Material (z.B. ordentliche Radhose) oder Rat von Dritten (z.b. bei der genauen Einstellung des Fahrrads). Der Spass- und Motivationsfaktor ist wesentlich hoeher wenn einem nichts weh tut.
- Fuer eher ambitionierte Fahrer und abhaengig von den individuellen Trainingszielen, sollte ein Jahrestrainingsplan entworfen und im wesentlichen eingehalten werden. Das foerdert die Motivation. Vor allem kann man zwischenzeitlich messbar erzielte Fortschritte beobachten. Ich bin ein zahlenorientierter Typ und ein Fahrradcomputer mit Auswertungssoftware war sehr hilfreich fuer mich. Es hat meine Motivation sehr positiv beeinflusst. Das heisst natuerlich nicht, dass man das ganze sehr wissenschaftlich angehen muss. Bei anderen mag das sogar eher behindernd wirken. Das muss wohl jeder selbst fuer sich entscheiden.
- Bereitet euch fuer die Fahrten vor. Ernaehrung vor und waehrend des Fahrens ist da sicherlich nur ein Stichwort. Man sollte auch sicherstellen, dass man genuegend Ersatzmaterial, Handy, etc. dabei hat.
- Macht Ruhepausen. Uebertreibt es nicht. Meine Trainingssoftware gibt an, wann ich in den roten Trainingsbereich komme und eine Pause benoetige. Das passt auch mit meinem Wohlgefuehl gut zusammen. Ich trainiere nicht dagegen an. Wenn ich reif bin fuer eine Pause, dann muss ich das akzeptieren. Auch wenn mein Trainingsplan von mir verlangt, dass ich am naechsten Tag noch mal fuer 2 Stunden auf's Fahrrad sollte. Gerade bei hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten ist dies besonders wichtig, da man dem Koerper eine ganz andere Belastung aussetzt als wenn man locker bei 25 Grad im GA1 Bereich radelt. Weniger ist manchmal mehr.
