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Die unvergessenen Ritte des "Erzengel der Berge"
LUXEMBURG, 06.12.05 (rsn) - Der Luxemburger Charly Gaul, einer der größten Radchampions der letzten 100 Jahre, ist tot. Der Tour de France-Sieger von 1958, der am Donnerstag seinen 73.Geburtstag begangen hätte, erlag am Dienstagmittag in einem Krankenhaus in Luxemburg, in das er nach einem Sturz in seinem Haus in Itzig eingeliefert wurde, einer Lungenembolie. Gaul, den sie den "Erzengel der Berge" nannten, war einer der größten Kletterspezialisten in der Geschichte des Radsports. In den fünfziger Jahren prägte er Giro d'Italia und Tour de France und verblüffte Konkurrenz wie Fans mit denkwürdigen Coups auch bei widrigsten Bedingungen.
Der wohl denkwürdigste Auftritt gelang Charly Gaul beim Giro d'Italia 1956. Vor dem Start der Etappe nach Monte Bondone belegte der schmächtige Luxemburger den elften Gesamtrang. Im Ziel in den Trentiner Bergen war Gaul ein Mythos. Er trotzte einem Schneesturm, halberfroren, mit blauen Händen und einem Gesicht, das an diesem Tag um Jahre gealtert schien, gewann er das Rennen. Der Franzose Jaques Goddet, der legendäre Tour de France-Organisator dieser Jahre, zählte diesen Sieg zu den zehn größten Radsport-Coups des Jahrhunderts. "An diesem Tag wurde alles übertroffen, was wir bis dahin an Schmerzen und Leidensfähigkeiten gesehen haben", schrieb Goddet später.
Ein Jahr darauf verlor Charly Gaul den Giro wegen eines dummen Fehlers. Wegen eines menschlichen Bedürfnisses stoppte er, ließ sich Zeit, stellte sein Rad an einen Baum. Seine Gegner, vor allem Louison Bobet (Toursieger 1954 und 55) und dessen französischer Landsmann Raphaël Géminiani nutzten die Situation eiskalt aus und fuhren zehn Minuten heraus auf "Cheri-Pipi", wie man den Luxemburger fortan nannte. Gaul war wutentbrannt: "Vergesst nicht, dass ich Metzger gelernt habe. Ich ziehe Eurem Bobet die Haut ab!", drohte er, ließ aber dann doch das Messer zuhause. Die Rache gelang Charly Gaul mit dem Rad bei der Tour de France 1958.
Beim spektakulären Einzelzeitfahren am Mont Ventoux kommt es zur großen Revanche. Louison Bobet startet zwei Minuten vor Gaul. Der kleine Kletterspezialist (1,73 m, 64 kg) jagt dem Franzosen hinterher und fährt zu ihm auf. Triumphierend fährt er neben Bobet. In seinem Standardwerk ("Tour de France - Mythos und Geschichte eines Radrennens") schreibt Hans Blickensdörfer, den solche großen Emotionen immer besonders fesselten: "Für Bobet sind es endlose Sekunden der Demütigung, denn Charlys triumphierenden Blicke sagen mehr als Worte: 'Siehst Du, Louison, ich brauche nicht zu warten, bis Du pinkeln musst, wenn ich Dich abhängen will.'"
Die Tour de France 1958 gewinnt Gaul in den Alpen. Bei strömendem Regen gewinnt er die 21.Etappe zwischen Briançon and Aix-les-Bain und hängt seinen bis dahin härtesten Rivalen ab, den Routinier Raphael Gemiani. Beim letzten Zeitfahren in Dijon erobert Gaul das Gelbe Trikot mit einem weiteren Parforceritt und macht den ersten Gesamtsieg eines reinen Kletterspezialisten perfekt.
Bei der Tour de France litt Gaul aus dem kleinen Großherzogtum darunter, dass in den Fünfzigern dort nicht Profirennställe, sondern Nationalmannschaften fuhren. Dennoch feierte er viele Erfolge. In zehn Tour-Teilnahmen gewann er zehn Etappen und zwei Mal den Bergpreis (1956 und 1958). Den Giro gewann Gaul, der mit 20 Jahren beim Critérium du Dauphiné (1953) mit einem zweiten Platz auf sich aufmerksam machte, 1959 ein zweites Mal als erster Nicht-Italiener. 1965 beendete er seine Karriere. Er zieht sich zurück, verliert völlig den Kontakt zur Radsportszene. Erst in den Neunzigern ist Charly Gaul wieder bei Radrennen zu sehen. Dem einstigen "Erzengel der Berge" hatte es Marco Pantani angetan. Der kleine Italiener, der 2004 unter traurigen Umständen viel zu jung starb, ist der einzige, den Gaul als legitimen Nachfolger als Bergkönig akzeptierte.
Tour de France-Chef Jean-Marie Leblanc verneigte sich am Dienstag vor Charly Gaul. "Ich kannte Ihn nur aus Büchern und von Fotos bis ich ihn 1989, als die Tour in Luxemburg das erste Mal begann, kennenlernte. Die Luxemburger haben ihn damals dankenswerterweise eingebunden in die Veranstaltung. Damals hat Gaul die Tour gewissermaßen neu entdeckt", sagte Leblanc, der neben den sportlichen Erfolgen die "große Höflichkeit, die Bescheidenheit und Toleranz" des Verstorbenen hervorhob.
Giro-Cheforganisator Angelo Zomegnan zeigte sich am Dienstag betroffen über die Todesnachricht. "Wir vermissen ihn jetzt schon. Wir hätten ihn gerne am 23.Mai dabei gehabt", sagte Zomegnan mit Blick auf die Etappe des nächsten Giro in Bondone, wo Gaul vor dann fast genau 50 Jahren im Schneegestöber gewann. Der Giro werde den "Erzengel der Berge", der in den Dolomiten große Triumphe feierte, im nächsten Jahr ehren. Auf welche Weise das am besten geschehen könne, werde man in den nächsten Tagen prüfen, so der Giro-Chef.
LUXEMBURG, 06.12.05 (rsn) - Der Luxemburger Charly Gaul, einer der größten Radchampions der letzten 100 Jahre, ist tot. Der Tour de France-Sieger von 1958, der am Donnerstag seinen 73.Geburtstag begangen hätte, erlag am Dienstagmittag in einem Krankenhaus in Luxemburg, in das er nach einem Sturz in seinem Haus in Itzig eingeliefert wurde, einer Lungenembolie. Gaul, den sie den "Erzengel der Berge" nannten, war einer der größten Kletterspezialisten in der Geschichte des Radsports. In den fünfziger Jahren prägte er Giro d'Italia und Tour de France und verblüffte Konkurrenz wie Fans mit denkwürdigen Coups auch bei widrigsten Bedingungen.
Der wohl denkwürdigste Auftritt gelang Charly Gaul beim Giro d'Italia 1956. Vor dem Start der Etappe nach Monte Bondone belegte der schmächtige Luxemburger den elften Gesamtrang. Im Ziel in den Trentiner Bergen war Gaul ein Mythos. Er trotzte einem Schneesturm, halberfroren, mit blauen Händen und einem Gesicht, das an diesem Tag um Jahre gealtert schien, gewann er das Rennen. Der Franzose Jaques Goddet, der legendäre Tour de France-Organisator dieser Jahre, zählte diesen Sieg zu den zehn größten Radsport-Coups des Jahrhunderts. "An diesem Tag wurde alles übertroffen, was wir bis dahin an Schmerzen und Leidensfähigkeiten gesehen haben", schrieb Goddet später.
Ein Jahr darauf verlor Charly Gaul den Giro wegen eines dummen Fehlers. Wegen eines menschlichen Bedürfnisses stoppte er, ließ sich Zeit, stellte sein Rad an einen Baum. Seine Gegner, vor allem Louison Bobet (Toursieger 1954 und 55) und dessen französischer Landsmann Raphaël Géminiani nutzten die Situation eiskalt aus und fuhren zehn Minuten heraus auf "Cheri-Pipi", wie man den Luxemburger fortan nannte. Gaul war wutentbrannt: "Vergesst nicht, dass ich Metzger gelernt habe. Ich ziehe Eurem Bobet die Haut ab!", drohte er, ließ aber dann doch das Messer zuhause. Die Rache gelang Charly Gaul mit dem Rad bei der Tour de France 1958.
Beim spektakulären Einzelzeitfahren am Mont Ventoux kommt es zur großen Revanche. Louison Bobet startet zwei Minuten vor Gaul. Der kleine Kletterspezialist (1,73 m, 64 kg) jagt dem Franzosen hinterher und fährt zu ihm auf. Triumphierend fährt er neben Bobet. In seinem Standardwerk ("Tour de France - Mythos und Geschichte eines Radrennens") schreibt Hans Blickensdörfer, den solche großen Emotionen immer besonders fesselten: "Für Bobet sind es endlose Sekunden der Demütigung, denn Charlys triumphierenden Blicke sagen mehr als Worte: 'Siehst Du, Louison, ich brauche nicht zu warten, bis Du pinkeln musst, wenn ich Dich abhängen will.'"
Die Tour de France 1958 gewinnt Gaul in den Alpen. Bei strömendem Regen gewinnt er die 21.Etappe zwischen Briançon and Aix-les-Bain und hängt seinen bis dahin härtesten Rivalen ab, den Routinier Raphael Gemiani. Beim letzten Zeitfahren in Dijon erobert Gaul das Gelbe Trikot mit einem weiteren Parforceritt und macht den ersten Gesamtsieg eines reinen Kletterspezialisten perfekt.
Bei der Tour de France litt Gaul aus dem kleinen Großherzogtum darunter, dass in den Fünfzigern dort nicht Profirennställe, sondern Nationalmannschaften fuhren. Dennoch feierte er viele Erfolge. In zehn Tour-Teilnahmen gewann er zehn Etappen und zwei Mal den Bergpreis (1956 und 1958). Den Giro gewann Gaul, der mit 20 Jahren beim Critérium du Dauphiné (1953) mit einem zweiten Platz auf sich aufmerksam machte, 1959 ein zweites Mal als erster Nicht-Italiener. 1965 beendete er seine Karriere. Er zieht sich zurück, verliert völlig den Kontakt zur Radsportszene. Erst in den Neunzigern ist Charly Gaul wieder bei Radrennen zu sehen. Dem einstigen "Erzengel der Berge" hatte es Marco Pantani angetan. Der kleine Italiener, der 2004 unter traurigen Umständen viel zu jung starb, ist der einzige, den Gaul als legitimen Nachfolger als Bergkönig akzeptierte.
Tour de France-Chef Jean-Marie Leblanc verneigte sich am Dienstag vor Charly Gaul. "Ich kannte Ihn nur aus Büchern und von Fotos bis ich ihn 1989, als die Tour in Luxemburg das erste Mal begann, kennenlernte. Die Luxemburger haben ihn damals dankenswerterweise eingebunden in die Veranstaltung. Damals hat Gaul die Tour gewissermaßen neu entdeckt", sagte Leblanc, der neben den sportlichen Erfolgen die "große Höflichkeit, die Bescheidenheit und Toleranz" des Verstorbenen hervorhob.
Giro-Cheforganisator Angelo Zomegnan zeigte sich am Dienstag betroffen über die Todesnachricht. "Wir vermissen ihn jetzt schon. Wir hätten ihn gerne am 23.Mai dabei gehabt", sagte Zomegnan mit Blick auf die Etappe des nächsten Giro in Bondone, wo Gaul vor dann fast genau 50 Jahren im Schneegestöber gewann. Der Giro werde den "Erzengel der Berge", der in den Dolomiten große Triumphe feierte, im nächsten Jahr ehren. Auf welche Weise das am besten geschehen könne, werde man in den nächsten Tagen prüfen, so der Giro-Chef.