AW: Neues zum Thema Helme
fabulusfab schrieb:
Mal ne andere Frage (ohne Grabenkampf und so...):
Wenn ich recht verstehe, ist ein wesentlicher Kritikpunkt, dass bereits die die Prüfanforderungen (bzw. Versuchsaufbau und damit Funktion) so lasch sind, dass sie in der Realität kaum Effekt haben können.
Das Styropor soll durch Deformation/sich-quetschen ein Teil der Energie eines Aufpralls absorbieren. Wenn der
Helm zerbricht, sei dies nicht geschehen, da die Aufprallenergie zu groß und der
Helm damit bereits nutzlos gewesen sei.
Soweit korrekt?
Frage:
Aber auch wenn der
Helm zerspringt und damit die Aufprallenergie nicht wesentlich reduziert, macht es nicht dennoch einen Unterschied, ob Styropor oder der Schädelknochen zuerst aufschlägt?
Was ich meine ist, ob nicht ungeachtet der Gehirnerschütterung zumindest das Risiko der knöchernen Verletzung sich reduziert.
Und nach allem was ich weiß/mir zusammenreimen kann, ist ein geschlossenes Schädel-Hirn-Trauma einem Offenen doch allemal vorzuziehen.
Wo ist der Denkfehler (ernstegemeinte Frage = hoffentlich ernste Antwort)?
gruß
fab
Hallo! Ich wollte ja eigentlich jetzt nichts zu der Diskussion beitragen, aber oute mich nun auch als Nicht-Helmträger. Die Frage, die Du Dir gerade stellst, habe ich mir auch gestellt und für mich beantwortet.
Zunächst ein Wort auf das Funktionsprinzip des Fahrradhelmes. Er soll die Bewegungsenergie beim Aufprall zu einem möglichst großen Teil aufnehmen. Optimal wäre, wenn der
Helm nach dem Aufprall auf die Dicke eines Blatt Papiers zusammengeschrumpft wäre, zerbricht er, war die Wirkung nicht optimal.
Ungeachtet dessen kann ein Fahrradhelm in jedem Fall nur eine begrenzte Menge Energie aufnehmen. Das sagen auch die Radhelmhersteller (z.B. soll in einigen Anleitungen stehen, daß Helme nur bis 25km/h wirken) und wurde
hier nachgerechnet, wohlgemerkt unter der Bedingung, daß der
Helm optimal gewirkt hat (also nicht zerbrochen ist) und das Körpergewicht nicht mitgerechnet wird (also nur die normgerechten 5kg des Kopfes).
Rechnet man noch das Körpergewicht hinzu (denn es kommt nicht oft vor, daß ein Kopf ohne Körper durch die Gegend fliegt, und wenn doch, dann ist es auch egal), kommt man zu dem Schluß, daß ein
Helm keine schweren Kopfverletzungen (d.h. Unfälle mit hohen Geschwindigkeiten) verhindern kann. Dagegen kann er leichte Kopfverletzungen verhindern, wie sie z.B. beim Umfallen aus dem Stand oder bei sehr langsamer Fahrt auftreten könnten. Einschränkend muß man hierzu noch sagen, daß ein
Helm auch bei solch leichten Unfällen nur sehr eingeschränkt wirken kann, z.B. wenn man auf die Oberseite des Kopfes fällt. Fällt man dagegen z.B. auf das Gesicht, ist das Risiko, einen Kieferbruch zu erleiden, deutlich höher als ohne
Helm, da man auf die "Krempe" vorne am
Helm fällt und der Kiefer zu Boden gedrückt wird (sonst: Jochbein, ist glaube ich angenehmer als ein Kieferbruch). Zusätzlich wird der Kopfumfang vergrössert, d.h. es besteht die Gefahr, daß man den Boden berührt, während der Kopf den Boden ohne
Helm vielleicht gar nicht erst berührt hätte.
Zurück zu Deiner Frage, ob ein
Helm - auch wenn er nur wenig Energie aufnimmt - das Risiko einer knöchernen Verletzung reduziert. Ich glaube nicht, denn die Energie, die der
Helm nicht aufgenommen hat, kommt zweifelsohne am Kopf an, d.h. die Wahrscheinlichkeit, mit
Helm keine knöcherne Verletzung davon zu tragen, ist nur geringfügig geringer als ohne
Helm. Daß ein
Helm die auftretenden Kräfte besser verteilt, glaube ich im Falle eines Brechens auch nicht.
Dann will ich noch einmal meine Menung zu dem Thema zusammenfassen:
Ein
Helm kann höchstens leichte Kopfverletzungen vermeiden. Bei schweren Unfällen ist ein Wirkung dagegen eher unwahrscheinlich. Ich habe für mich den Entschluß getroffen, daß der Komfortverlust, den ich durch das Helmtragen erleide, nicht die Vermeidung leichter Kopfverletzungen wettmacht.
Die Testmethode mit der Wassermelone ist übrigens ungeeignet, den auch hier wird das Körpergewicht nicht berücksichtigt. Außerdem sollten man den Test lieber mit seinem eigenen Kopf machen und sich einfach mal in Richtung Kopf fallen lassen. Man wird ganz instinktiv den Kopf mit den Händen schützen und sich irgendwie abrollen, aber es ist höchst unwahrscheinlich, daß man wirklich auf dem Kopf landet - das sind Schutzreflexe, die man seit frühester Kindheit trainiert und die im Übrigen auch bei Stürzen vom Fahrrad greifen.
Jupp:
Du schreibst selbst, daß Du die Prüfnorm nicht für hinreichend hälst, und begründest dies damit, daß bei schärferen Normen die Helme so schwer werden müssten, daß sie niemand mehr tragen wollte. Ich bin der gleichen Meinung, aber ich fühle mich durch die unzureichende Norm eher belogen und will keine Produkte kaufen, die unter absolut unrealistischen Annahmen getestet wurden und deren Wirkungsnachweis einzig aus diesem Test besteht...
Ich habe nun schon einige dieser Helmdiskussionen in Foren wie hier mitgemacht, und oft folgen auf sachliche Beiträge (ich hoffe meiner war jetzt einigermaßen sachlich) polemische Beleidigung in der Art "Ich wünsche Dir, daß Du nicht mal mit aufgeplatzem Kopf auf dem Boden liegst!! Jammer ja nicht, selbst schuld!!!". Es scheinen nicht viele Leute daran interessiert zu sein, den tatsächlichen Nutzen von Radhelmen kritisch zu hinterfragen (insbesondere in Radsportlerkreisen, da er dort sehr etabliert ist). Falls tatsächlich jemand interessiert ist, ein wenig über diese Thema zu lesen, empfehle ich folgenden Link:
http://www.freewebs.com/hardshellmagazin/.
Meistens enden solche Diskussionen so, daß einige Leute anführen: "Solange nicht bewiesen ist, daß Helme mehr schaden als nützen, trage ich einen, Basta!". Ich finde das ok, jeder muß das selbst entscheiden. Ich sage halt das Gegenteil...
Viele Grüße,
Christian
P.S.: Ich gehe in einer Stunde für den Rest der Woche weg, kann also zunächst mal nicht antworten...