Wenn ich mir meinen letzten Beitrag so anschaue, kommt es mir so vor, als hätte ich damit das Thema für mich abgeschlossen. Das war a. nicht meine Absicht und das ist b. auch nicht dabei rausgekommen bzw. hätte nicht dabei herauskommen sollen. Im Gegenteil: Für mich, vor allem aber für den TE, andere "Schwergewichte/Lange" und die Diskussionspartner ist noch vieles offen. Und der "Stand der Wissenschaft" ist so unzureichend, daß es nicht verwundert, daß bereits damit begonnen wird, mehr oder weniger laienhafte Hypothesen zu sammeln.
Gleichzeitig spaltet sich das Thema immer wieder in Unterthemen auf und droht so zu "zerfasern". Für mich ist sowas meist einer der ersten Gründe, (mich) zu fragen: Welches Anliegen, welches ungelöste Problem, welche Motivation steht letztlich dahinter?
In diesem Fall schwingt für mich hier auch die Frage mit: "Lohnt es sich eigentlich, mit dem Radsport zu beginnen oder ihn weiter zu betreiben?"
In diesem Fall ist es nützlich, sich auch zu fragen: "Wo stecken denn – nicht nur allgemein im Sport, sondern auch insbesondere im Radsport – meine Stärken und Schwächen?" Der Radsport erfordert ja nicht nur Vielseitigkeit, sondern ist selbst sehr vielseitig. Die Frage so zu stellen, kann sehr fruchtbar sein, kann es einen doch davon abhalten, die Flinte frühzeitig ins Korn zu schmeißen und dem Radsport postwendend den Rücken zu kehren. Es geht auch, das wurde ja vielfach betont und auch der TE zielt direkt darauf ab, um Motivation.
Wie gesagt: Der Radsport bringt erstmal aufgrund der ihm eigenen Vielseitigkeit viel mit, sich nach (anfänglichen) Schwierigkeit neu zu motivieren. Allerdings ist auch das Gegenteil der Fall: Er hat auch viel "Spaßverderber-Potential". Ich denke da nicht nur an die "Bergelefanten" hier im Forum, sondern auch an die vielen Jugendfahrer aber auch Quer- und Späteinsteiger, die ich im Laufe meines nun schon über 50jährigen Radrennfahrerlebens kennengelernt habe, und die am Ende abgesprungen sind – aber auch an die, die es sich nicht leicht gemacht haben, aber bei der Stange geblieben sind (zu denen nicht zuletzt ich selbst gehöre).
Durch das Vorbild der im Fernsehen gerne übertragenen Grand Tours und das reichhaltige Angebot an Berg-Events besteht allerdings – insbesondere für die hier interessierte Zielgruppe der Großen und Schweren – die Gefahr, sich ausgerechnet das "Falsche" ausgesucht zu haben. Nach dem Motto "Du hättest viel aus dir machen können, aber du wolltest ja unbedingt als Elefant den Spitzentanz lernen!"
Im Besten Fall kommt etwas dabei raus, wie
@Spinj, der sich in "sein Schicksal fügt" und beim Bergfahren soviel Spaß hat, daß sich die Schinderei für ihn auf seine persönliche Art und Weise lohnt.
Dennoch: Warum muß es immer "Berge fahren" sein, wo es doch ganz andere Richtungen gibt:
- Gerade in diesen Wochen hatte sich doch in einem anderen Thread gezeigt, daß es sogar ganz exotische Alternativen in Gestalt des Stehersports gibt, wo "etwas kontaktscheue" Radsportler, die das Eng-an-eng der Straßenradrennen nicht mögen, "die coole Socke zu geben", um im Ductus von @Teutone zu bleiben. Doch vorsichtig: Der Sport ist teuer und es gibt auch da viele Hindernisse zu überwinden.
- Besser ist es da, sich die klassischen Richtungen des organisierten Radsports vorzunehmen, und zwar nicht nur die, die unter dem Dach von UCI und BDR im Radrennsport existieren, sondern darüber hinaus:
- Jedermann-Rennen, die eher flach, aber durchaus auch recht "bergig" ausfallen können.
- RTF: Man mag bedauern, daß gerade dort heutzutage sehr stark der Konkurrenzgedanke um sich gegriffen hat, wo es doch dem Namen nach gerade da nicht darum gehen sollte – jedenfalls ist auch das eine Alternative, Radsport zu betreiben und das u.a. mit bemerkenswerter Geschwindigkeit.
- Straßenradrennen á la Lizenzradsport, wobei es auch da wieder unterschiedliche Richtungen gibt, von Kriterien und Rundstreckenrennen auf kurzen Runden über klassische hügelige oder mehr oder weniger flache Runden von 5 - 25 km und dann die knüppelharten Straßenrennen, wo richtig "Berge" im Wege stehen und wo es in der Regel auch entweder über lange, 15 - 20-km-Runden geht oder eine "Fernfahrt" als große Schleife (z.B. das leider nicht mehr ausgetragene Rund um Dortmund, 180km durch die Kreise Unna, Hagen usw.) oder von A nach B.
Bei dieser Gelegenheit kann man – was die Talente betrifft – immer wieder eine ebenfalls mehr oder weniger klassische Aufteilung hinsichtlich der "Talente", die man mitbringen sollte, ausmachen:
- Der Sprinter: Den klassischen Sprinter, der mit den gleichnamigen in anderen Sportarten wie in der Leichtathletik (100m) oder mit den Bahnsprintern vergleichbar wäre, gibt es auf der Straße eigentlich so nicht. Was er mitbringen sollte ist vor allem:
- Endschnelligkeit
- Spritzigkeit, also schnell beschleunigen und damit nach den Kurven schnell beschleunigen und schnell in Lücken stoßen zu können oder beim finalen Sprintantritt das Hinterrad nicht zu verlieren.
- Schnelligkeitsausdauer, denn ein Sprint wird i.d.R. nicht auf den letzten 300 m gewonnen (bzw. gut abgeschlossen), sondern erfordert einiges an Kondition, um bei der Eröffnung des Sprints an der (idealen) 3. Position und nicht im abgeschlagenen Mittelfeld zu landen.
- Der Finisseur: Auch der braucht in erster Linie Schnelligkeitsausdauer, die aber eben ergänzt werden muß durch eine allgemein hohe Ausdauer und bedingt Zeitfahrer-Qualitäten wie ein gutes Pacing.
- Der Zeitfahrer: Hat ähnliche Qualitäten wie der Finisseur und kann deshalb oft ein Rennen in Alleinfahrt gewinnen, sein Schwergewicht liegt aber bei der längeren, gleichmäßigen Leistung. Und dominiert wie "der Name" schon sagt, bei Einzelzeitfahren.
- Der Bergfahrer: Über den brauchen wir hier nicht viel sagen, außerdem ist er ja der "Glückliche" zu dem wir hier die Alternativen suchen.
- Der "Koalitionär" oder Allrounder: Klassischerweise stellen wir "Alten Säcke" uns den "idealen Radrennfahrer" als Allrounder vor. Das ist aber nicht nur eine "Vorliebe" alter Männer, die den Radsport in der Steinzeit begonnen haben, sondern liegt in der Natur des Sports. Viele Radrennen werden so entschieden, daß am Ende einer oder eine kleine Gruppe ankommen, dann das Hauptfeld oder weitere Gruppen und dann das Feld. Kommt nicht einer alleine an, kommt es in allen Gruppen auf eine solide Sprintfähigkeit an, um jeweils 1., 5. oder 10. zu werden, und nicht 3., 9. oder 93.
Was aber vor allem von einem Allrounder erwartet werden sollte und in der "Erziehung zum Radrennfahrer" insbesondere heute meist fehlt, ist die Fähigkeit "mannschaftsdienlich über mannschaftsgrenzen hinweg" zu fahren, Gruppen zu organisieren und zusammenzuhalten, eben: Koalitionen (auf Zeit) zu schmieden. Da diese Fähigkeit natürlich immer eine effiziente Fahrweise in der Gruppe erfordern, fiel uns das früher, als noch regelmäßig Vierer-Mannschafts-Zeitfahren in allen Altersklassen auf dem Programm standen, viel leichter.
Wir wär's damit, sich erstmal diese Vielfalt an Möglichkeiten genauer unter die Lupe zu nehmen, sich selbst da zu verorten (und zwar nicht anhand von Wattwerten – das eigene "Talent" erkennt man spätestens nach der 3. Gruppenausfahrt ganz von alleine) und ein bisschen mehr die Chance zu haben, sich durch Erfolg zu motivieren und nicht ausgerechnet das zu versuchen, was nach der eigenen Konstitution am weitesten entfernt liegt.
Bei der Gelegenheit: Was spricht gegen Erfolg als Motivation? – Und: Nichts ist sexyer als Macht und Erfolg! Ob es die "Softies" nun gerne hören oder nicht...