AW: [Frage] Die Haxen rasieren?
Offensichtlich besteht im geneigten Rennradler- und Rennradlerinnenkreis ein gewisses emotionales Informationsdefizit, was zwischenmenschliche Interaktionen anbelangt. Das mag daran liegen, dass Rennräder unter der Last von zwei Personen schlicht und einfach zusammenbrechen können. Zu dem wichtigen Geschehen zwischen Bienchen und Bliemchen komme ich ein andermal, denn das ist noch zu kompliziert für Euch. Zuerst wird geheiratet.
Das menschliche Liebesspiel als solches besteht aus drei Phasen: Vorspiel, Zwischenspiel und Nachspiel. „Spiel“ täuscht über den Ernst der Angelegenheit hinweg, denn einige Phasen können gravierende Folgen nach sich ziehen, zum Beispiel blaue Flecke.
Das Vorspiel dient im Wesentlichen dazu, den Partner zu täuschen. Man versucht vor allem Intellekt und Belesenheit vorzuspiegeln, indem man alles durchexerziert, was man jemals in der einschlägigen Fachliteratur gefunden hat. Leider lässt einen manchmal das Gedächtnis im Stich und häufiger noch die Anatomie. Das wichtigste im Vorspiel ist es, zwei Eigenschaften zu heucheln: Unersättlichkeit und Verderbtheit; letzteres wird in gehobenen Kreisen auch als Versautheit bezeichnet. Weil diese Versautheit heute allgemeiner Usus, ja eine Mindestanforderung ist, ist das Benutzen von Kondomen zur Verhütung von Ansteckung völlig sinnlos, denn diese erfolgt meist während des Vor- und nicht während des Zwischenspiels. Sex ist schmutzig, wenn mans richtig macht (nach W. Allen). Das Vorspiel dient also auch dazu, frühkindliche Traumata aufgrund strenger Erziehung zu kompensieren. Woraus man schließen kann, dass die Opfer antiautoritärer Erziehung im Bett absolute Langweiler sind.
Nach dem Vorspiel sind die Partner völlig erschöpft - vor allem die Männer. Doch statt sich nun vollkommen befriedigt in aller Freundschaft voneinander zu verabschieden oder gleich zum Nachspiel überzugehen, veranlasst sie die angelesene Meinung, zum Zwischenspiel überzugehen. Das Zwischenspiel ist purer Stress für alle Beteiligten, die nur von einem Gedanken beherrscht sind: „Hoffentlich schaff ich es diesmal. Hoffentlich merkt er/sie nichts.“ Ein Gedanke, der oft gerade verhindert, dass man es „schafft“, was als größte denkbare persönliche Niederlage aufgefasst wird, das Problem ins Uferlose steigert und Therapeuten reich macht. Um die Gefahr des Nichtschaffens zu verringern, stellen sich die Beteiligten gerne besonders attraktive Angehörige des bevorzugten Geschlechts in allen möglichen und unmöglichen erregenden Positionen vor – Vorstellungen, die mit dem tatsächlich vorhandenen Partner nicht das Geringste, nicht das Allergeringste zu tun haben, weshalb es sich als vorteilhaft erweist, beim Zwischenspiel permanent die Augen zu schließen. Also, Freunde, merkt Euch: Wenn der Partner die Augen schließt, sieht er Euch nicht, genauer: sieht er nicht Euch.
Findet das Zwischenspiel nach langer Mühe und trotz großer Sorge endlich den angestrebten Abschluss, empfinden die Beteiligten ein solches Glücksgefühl, eine so unbeschreibliches Freude und Erleichterung, es wieder einmal geschafft zu haben, dass sie nicht anstehen, diesen Moment für den schönsten ihres Lebens zu halten – wenn nicht dieser stechende Schmerz im Steiß wäre. Die Partner sinken ineinander.
Dies ist der Auftakt zum Nachspiel, der letzten und bei weitem wichtigsten, weil für das weitere Zusammensein entscheidenden Phase. Die Partner haben nun das dringende Bedürfnis, sich auf einer möglichst großen Fläche zu berühren, den erzielten Erfolg gemeinsam zu genießen und den Gefühlssturm erholsam ausklingen zu lassen. Man ist zugleich eins mit sich und dem Partner. In dieser Phase kann man kaum zwischen dem Ich und dem Du unterscheiden, ein Gefühl unendlicher Zuneigung und Zusammengehörigkeit steigt auf. Man möchte für alle Zeit genau so und nicht anders liegen oder sitzen bleiben und nie mehr auseiandergehen – ein erfüllbarer Wunsch, da man in dieser Haltung weder Kühlschrank noch Speisekammer erreichen kann.
Vor dieser Phase inneren und äußeren Einsseins haben Männer panische Angst. Zum Glück drückt jetzt zuverlässig die Blase – oder man tut zumindest so. Zurück von der Verrichtung möchten sich die Herren jetzt gerne diskret zurückziehen, um sich den schönen Dingen des Lebens zu widmen, zum Beispiel ein Regal bauen, den Rasen mähen oder – am wichtigsten und schönsten – das Auto zu waschen – auch untenrum. Dummerweise streckt sie jetzt die Arme aus und fordert weitere Nähe … Nicht besser ist es, wenn sie draußen war; dann fängt sie nach der Rückkehr sofort an zu „kuscheln“. Es soll auch Paare geben, die zusammen hinausgehen und gemeinsam verrichten, doch das nehmen wir erst nach den Bienchen und Bliemchen durch.
Der Mann in seiner Bindungsphobie möchte jetzt nur eins: davonrennen, notfalls so unwichtige Dinge wie Kleidung zurücklassend. Andererseits möchte er nicht sein Image als edler Wilder beschädigen und als schlechter Kerl dastehen, obwohl Stehen jetzt gerade nicht seine Stärke ist. Kompromiss: Er legt sich wieder widerwillig hin, dreht sich aber um und wendet ihr den Rücken zu. An seiner Haltung kann man deutlich seinen eigentlichen Impetus erkennen: ein Läufer unmittelbar nach dem Start.
In ganz seltenen Ausnahmen aber bleibt der Mann liegen, beseelt vom Wunsch, ebenfalls zu kuscheln: Dann ist er entweder sturzbetrunken oder es wird Zeit, folgende Endspiel-Fragen zu diskutieren: Wann? Wo? Wer muss, wer sollte eingeladen werden? Wer soll wo sitzen? Standesamtlich oder kirchlich? Wie nennen wir sie, wenns ein Mädchen wird?
Und schon trauert er präventiv seinem zweisitzigen Cabrio nach. Nichts wie raus hier!