Ich möchte ein neues Rad kaufen und neige zu Stahl. Was mir als Frage durch den Kopf geht, das ist, ob es im Bau von Stahlrahmen die letzten Jahre bezĂŒglich Geometrie, Material und Verarbeitung einen Fortschritt gegeben hat. Bei Alu oder Carbon scheint es mir einen Fortschritt gegeben zu haben. Wie ist das bei Stahl?
Vorallem bei der Rahmengeometrie wĂŒrde mich das stark interessieren, wie da euer Sichtweise ist.
Stahl hat eine gewisse Renaissance.
Du bekommst heute vieles in dem Bereich. MaĂrahmen beim Rahmenbauer und Stahlrahmen "von der Stange". Direkt beim Hersteller (oft in Fernost) oder als "Label", hĂ€ufig mit eigenen individuellen Lackierungen in D oder in Europa.
Sour, Standert, Brothers, Pure Bros, Genesis, All City, Bombtrack, Veloheld, Cotic, 8bar, Gunsha, Cinelli, Surly ... die Liste lÀsst sich beliebig fortsetzen.
Viele Informationen und News findest du unter
https://stahlrahmen-bikes.de/
Rahmenbauer gibt es einige, viele zu fairen Preisen, ebenfalls in D und Europa. Mit "fairer Preis" meine ich, dass es eine dem aufwÀndigen Handwerk und der individuellen Lösung entsprechende Honorierung darstellt.
Arko Bici, Stelbel, Victoire, Big Forest, Norwid/Pallesen, SingleBe, LeCanard, Vogel, Sven Krautscheid, Bendixen, Cicli Barco, Field, Cubetto, Marschall, Casati, Tomassini, Colnago ... und und und (AufzÀhlungsreihenfolge ohne Bewertung).
Die Taiwan-CroMo Rahmen sind i.d.R. geschweiĂt und können schon mal zwischen 2 und 3 kg wiegen (plus Gabel). Handgemachte Rahmen aus hochwertigen Columbus oder Reinolds RohrsĂ€tzen gehen in mittlerer GröĂe bis runter auf 1.500 oder 1.600 gr. Bei diesen Gewichten werden dann die Rohr-Durchmesser gröĂer und die WandstĂ€rken geringer. Modernes (hochwertiges) Alu ist da noch einmal leichter (um 1.200 gr). Einfache Carbonrahmen wiegen auch mal gerne 1.500 gr, Premium Modelle +/- 800 gr.
Von den Fertigungstechniken gibt es immer noch klassisch gemufft und gelötet, geschweiĂt, oder fillet brazed (gelötet ohne sichtbare ĂbergĂ€nge). Einige kombinieren auch Stahl- oder Titan mit Carbonrohren. Das wird dann geklebt.
"Moderne" Ausstattungsdetails gehen alle mit Stahl: Tapered Steuerrohr, flatmount Scheibenbremsen, T47 TretlagerbĂŒchsen, innenverlegte ZĂŒge, Steckachsen, Boost-Hinterbauten ... wie man mag und zu bezahlen bereit ist.
Die Geometrien sind - je nach Hersteller - nicht wesentlich anders als die Rahmen aus anderem Material. Bei individuellen Rahmen fĂ€llt die natĂŒrlich nach Vorgabe des Kunden oder Vorliebe des Rahmenbauers aus.
Gravel-Rahmen aus Stahl sind nicht signifikant anders geschnitten als aus anderem Material.
Rein materialtechnisch besehen spricht wenig fĂŒr Stahl: Carbon "kann" das meiste besser (Formen, Gewicht, Steifigkeit, gewĂŒnschter Flex).
Aber fĂŒr Liebhaber klassischer Formen und Dimensionen ist es möglicherweise das Material der Wahl. ZusĂ€tzlich können natĂŒrlich Ausstattung und Lackierung ggfls. individualisiert werden. Oder eben die Geometrie, wenn Du etwas ganz speziellen möchtest.
Wenn die Rohre nicht zu groĂvolumig ausfallen, sind StahlrĂ€der wegen des geringen Resonanzraums aktustisch weniger laut. Ein Stahlrenner mit einem klassischen Laufrad und flacher Felge ist erfrischend still
Es gibt viele verschiedene GrĂŒnde.
Reiseradler / Long-Distance-Graveler / Bikepacker mögen Stahl, weil es sehr robust ist und zur Not unterwegs mit wenig Aufwand repariert werden kann.
Ein anderer wĂ€hlt Stahl ganz emotional fĂŒr einen "Italiener mit groĂem Namen".
Einiges hÀngt am Material, aber lÀngst nicht alles. Die alten generischen Urteile gelten nicht mehr (Alu hart, Stahl weich, Titan komfortabel, Carbon empfindlich). Ich bin schon schlabberige und bockharte Carbonrahmen und ebenso einen sehr umkomfortablen Titanrahmen gefahren. Man kann - in gewissen Grenzen - mit jedem Material einen Rahmen in die ein- oder andere Richtung "designen".
Z.B. ein billiger Stahlrahmen fĂŒr 100⏠Ende der Jahrtausendwende (oversized, aber noch 1 Zoll, kurze sportliche Geo und steile Winkel) macht mir mit einer Carbongabel und 11-fach Gruppe extrem viel SpaĂ.